Dem Lärmschutzbeauftragten für den Flughafen Stuttgart sind nach den Worten der Denkendorferin Marion Reinhardt die Hände gebunden. „Mein Eindruck ist, dass wir da mit unseren Beschwerden auch nichts ausrichten können.“ Für sie und ihre Nachbarn sowie für Betroffene aus anderen naheliegenden Wohngebieten war die Nachricht, dass der Flughafen die Rekordmarke von elf Millionen Passagieren bereits Ende November überschritten hat, keine gute. „Im Sommer konnten wir wegen lauter Flugzeuge kaum auf dem Balkon sitzen.“ Noch bitterer erlebt sie die Störung der Nachtruhe. „Fluglärm geht auf Kosten unserer Gesundheit.“
Weil die Fluggesellschaften wieder verstärkt kleinere Maschinen einsetzen, ist bis November 2018 die Zahl der Flugbewegungen bereits um 7,3 Prozent auf 128 343 Starts und Landungen gestiegen. Nach einer Statistik der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) stieg die Zahl der Passagiere in Stuttgart in den vergangenen Jahren um 170 Prozent, die der Flugbewegungen dagegen um 24 Prozent. Das bedeutet mehr Lärmereignisse. Besonders nachts sind Flugzeuge für die Deizisauerin Jutta Rolle eine große Belastung. „Für Schichtarbeiter ist das unzumutbar.“ Das schade nicht nur der Gesundheit, sondern könne auch gefährlich werden. „Wenn ein Bahn- oder Busfahrer nachts immer wieder aus dem Schlaf gerissen wird, wird das zum Sicherheitsrisiko.“
Reinhardt und Rolle halten die Nachtflugbeschränkung am Landesflughafen in Echterdingen nicht für ausreichend. Starts sind dort nur von 6 bis 23 Uhr erlaubt, Landungen von 6 bis 23.30 Uhr - verspätete Landungen sind bei planmäßiger Landezeit vor 23.30 Uhr sogar bis 24 Uhr möglich. 2017 gingen beim Lärmschutzbeauftragten für den Flughafen 145 Beschwerden über Nachtflüge ein. „Militärflüge sind von der Regelung ausgenommen“, sagt Reinhardt.
Das amerikanische Militär ist am Stuttgarter Flughafen stationiert und darf auch nachts fliegen. Sie vermisst Informationen über Ausbaupläne der Amerikaner, fordert mehr Transparenz. Auf militärische Flüge haben weder die Flughafengesellschaft noch der Lärmschutzbeauftragte Einfluss - ebenso wie auf Nachtpostflüge und auf den Verkehr von Rettungs- oder Polizeihubschraubern. In Ausnahmefällen darf die Luftaufsicht Genehmigungen erteilen. 2017 gab es 46 Nachtstarts und 68 Nachtlandungen, die genehmigt wurden.
Reinhardt wünscht sich, dass die Politik verstärkt in die Debatte einsteigt. Dabei hofft sie auf die Deutsche Flugsicherung. „Für mich ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Flugrouten nicht verstärkt über unbebautes Gebiet geleitet werden.“ Auch steilere Starts könnten die Anwohner entlasten, „aber das braucht mehr Kerosin“. Sie fordert, dass die Fachleute Korridore überdenken. Beim Kampf gegen den Fluglärm sieht Reinhardt die Politik in der Pflicht: „Der Diesel wird aus unseren Städten verbannt, der Verbrennungsmotor wird eingestampft, aber die noch viel schädlicheren Flugbewegungen werden gesteigert, ohne dass die Politik hier eingreift.“
Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft betreibt ein Portal, in dem Fluglärm-Daten gesammelt sind: www.fluglärm-portal.de