Weilheim und Umgebung
Das ABC einer schwäbischen Jugend

Heimatgeschichte Wilhelm Braun ist in Hepsisau aufgewachsen. In einem Büchlein beschreibt er, was seine Kindheit ausgemacht hat. Von Bianca Lütz-Holoch

Ganztagsschule, Handy und Mama-Taxi. Das alles sind Dinge, die für Kinder heute zum Alltag gehören. Dass es bei ihren Großeltern mal ganz anders zugegangen ist, können sie sich nur schwer vorstellen. „Vieles ist bei den jüngeren Generationen überhaupt nicht mehr bekannt“, sagt Wilhelm Braun, der sich selbst als „Hepsisauer Urgestein“ bezeichnet. Geboren wurde er 1937 in dem Weilheimer Ortsteil. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er auf dem Dorf. Nun hat der Hobby-Historiker, der seit 17 Jahren auch Stadtführungen durch Weilheim anbietet, Erinnerungen und Anekdoten zusammengestellt und in einem Büchlein unter dem Titel „Es war einmal . . .“ herausgegeben. Entstanden ist ein kleines ABC einer schwäbischen Jugend.

In einem Vorwort dazu schreibt Kreisarchivar Manfred Waßner: „Sie ergeben das Bild einer dörflichen Lebenswelt, wie sie 1950 beinahe überall in Südwestdeutschland - und nicht nur dort - anzutreffen war.“ Die Hoffnung des Kreisarchivars: Dass durch das Büchlein auch andere dazu angeregt werden, ihre Erinnerungen der Nachwelt zu überliefern: „Nur so lässt sich vergangener Alltag als Lebenswelt erfassen.“

Geprägt war Wilhelm Brauns Kindheit und Jugend vom landwirtschaftlichen Alltag. Er berichtet vom Futter holen und Melken, dem Einspannen der Kühe und der Heuernte, dem „Heuet“ - alles Arbeiten, bei denen die Kinder ihren festen Platz hatten. „Wenn der Heuwagen dann letztendlich in der Scheuer stand, kam das verdammte Abladen“, schreibt er. Und das war Aufgabe der Kinder. Oft mussten sie bei sengender Hitze auf dem Heubarn stehen und die Heubüschel ausbreiten. „Voll Staub und Schmutz, schweißnass war man.“ Abkühlung danach versprach der Hepsisauer See. Ebenfalls beliebt bei den Jugendlichen: das „Afzgabergla“. So wird die Sitte bezeichnet, dass ab dem 11. November jedermann die Restfrüchte von den Bäumen pflücken darf.

Schule - das macht Wilhelm Braun klar - war damals eher Nebensache. Er selbst wurde noch in der Volksschule im Hepsisauer Rathaus unterrichtet. Dort gab es zwei Räume und zwei Lehrer für 80 bis 100 Schulkinder der Klassen eins bis acht. Spielzeug hatten die Kinder kaum. Wenn, dann bastelten sie es sich selbst. Wilhelm Braun beschreibt zum Beispiel das „Zwirbla“ mit „Dopfa“, einer Art Holzkreisel, die mit selbst gemachten Peitschen angetrieben wurden.

Auch was die Hygiene angeht, war damals einiges anders. Bis in die Sechzigerjahre hinein, gab es pro Haushalt oft nur einen Wasserhahn im Stall oder einen zweiten in der Küche. Die Abwässer flossen in den Kandel. Daran ließ sich ablesen, was es bei einer Familie zum Mittagessen gegeben hatte. Eine Dusche hatte man nicht. In modernen Haushalten wurde einmal pro Woche eine Wanne in der Küche aufgestellt, in der einer nach dem anderen badete - im gleichen Wasser, versteht sich. „Die gesamte Badesituation wurde in meinem Heimatdorf Hepsisau ganz gewaltig verbessert, nachdem die Gemeinde 1956 ein neues Schulhaus baute“, schreibt Wilhelm Braun. Im Untergeschoss des Gebäudes - der heutigen Gemeindehalle - wurden öffentliche Duschen installiert, die man für 50 Pfennig nutzen konnte.

Es gibt noch mehr Geschichten zum Schmunzeln und Kopfschütteln, die Wilhelm Braun in seinem Büchle erzählt. Von selbstgebauten Seifenkisten und dem Leeren des Aborts und die unkonventionellen Methoden der Hepsisauer Jungs zur Behandlung ihrer Wunden, die sie sich beim Schnitzen oder Sägen zufügten. Und vom „kleinen HSV“, bei dem Wilhelm Braun selbst jahrelang gekickt hat und der Anfang der Sechzigerjahre verschwand, weil keine elf Spieler mehr zusammenkamen.

Abgerundet wird das Buch durch schwäbische Redewendungen und Gedichten, die Wilhelm Braun verfasst hat. Sie erzählen von der Limburg und den Kirschen, trüben Stunden und „Beruhigungswässerle“. Und natürlich von Hepsisau. „Heimat“ hat Wilhelm Braun ein Gedicht überschrieben. Darin heißt es: „Es sind Erinnerungen an die Jugendjahre, sie haften in dir, sind das wahre, echte, unverfälschte Denken und werden immer deine Schritte lenken.“

Das Buch „Es war einmal. . .“ von Wilhelm Braun gibt es bei „Das Buch“ in Weilheim oder auf dem Rathaus in Hepsisau zu kaufen.