Ende der 90er-Jahre hat „Das Dick“ den städtebaulichen Aufbruch in der Esslinger Weststadt eingeläutet. Ein Vierteljahrhundert später ist das Freizeit- und Erlebniscenter eine unverwechselbare Marke geworden. Doch für den Rudersberger Kino- und Immobilienunternehmer Heinz Lochmann, der „Das Dick“ in die Erfolgsspur geführt hat, würde Stillstand Rückschritt bedeuten. Der 63-Jährige hat das Center, das auf mehr als 20 000 Quadratmetern Platz für ein Multiplex-Kino, eine Disco, diverse Gastronomie-Betriebe, Geschäfte, Büros und Dienstleister bietet, kontinuierlich weiterentwickelt. Nun will er erneut mehr als drei Millionen Euro investieren – und die Weichen für die Zukunft stellen: Mit seiner Tochter Lara hat er Verstärkung in der Geschäftsführung bekommen. Die 24-Jährige hat sich viel vorgenommen.
Jetzt ist die richtige Zeit für einen Aufbruch.
Heinz Lochmann betreibt Kinos quer durch die Republik – in Hamburg, Berlin oder Hannover ebenso wie in der Region, wo er unter anderem in Waiblingen, Schorndorf, Leonberg, Nürtingen und demnächst auch in Stuttgart große Filmtheater betreibt. In Esslingen ist er Ende der 90er-Jahre zunächst im Traditionskino Capitol eingestiegen, 2002 hat er das damalige Moviedick-Kino im Dick-Center in einen Traumpalast verwandelt: Jeder Saal hat seinen eigenen Charakter, in vielen wird das Industrie-Ambiente der einstigen Messer- und Feilenfabrik zitiert. 2003 hat Lochmann dann das gesamte Center übernommen, das er seither erfolgreich betreibt. Am Wochenende tummeln sich dort an guten Tagen bis zu 10 000 Gäste.
Der Charme des Fabrikanwesens begeistert den gelernten Bäckermeister bis heute: „Etwas Vergleichbares wie ‚Das Dick’ wird man so rasch nicht finden.“ Das sehen offenbar auch viele Mieter so – die Fluktuation ist minimal. Und wenn doch mal ein größerer Partner wie vor Jahren die Volkshochschule oder das Tauchsportzentrum geht, stehen neue Interessenten schon bereit. Das liegt auch an Lochmanns Philosophie: „Leben und leben lassen. Unsere Mieter machen das Center einzigartig. Nur wenn es ihnen gut geht, geht es auch uns gut.“ Mit dieser Haltung ist auch Lara Lochmann Teil der Geschäftsführung geworden. Die studierte Wirtschaftspsychologin und Partnerin von Rad-Profi Jannik Steimle hat ein besonderes Verhältnis zum „Dick“: Während ihres Studiums hat sie dort eine Zeit lang gewohnt und kennt deshalb jeden Winkel.
Attraktiv für junges Publikum
Damit das Dick-Center seinen Reiz bewahrt, haben die Lochmanns zusammen mit dem Architekten Heinz Springmann den denkmalgeschützten Gebäudekomplex immer mal wieder einem Facelifting unterzogen, ohne den unverwechselbaren Charakter zu verändern. Springmann übernimmt auch die Planung, wenn nun die nächste große Investition ansteht. Die Baugenehmigung liegt vor, im April soll es losgehen. Die Pläne sind ambitioniert: Die Diskothek One wird innerhalb des Untergeschosses umziehen, dafür macht die Coyote Bar Platz. So lassen sich Ein- und Ausgang eleganter regeln.
In den bisherigen Disco-Räumen entsteht ein Bowlingcenter mit zwölf Bahnen. „Das liegt im Trend“, weiß Lara Lochmann. „Mit seinem jungen Publikum ist ‚Das Dick’ für ein solches Projekt ideal. Wenn erst die Hochschule in die Weststadt umgezogen ist, dürfte der Zulauf noch stärker werden. Man spürt, dass die Leute nach Corona wieder richtig Lust haben, rauszugehen und etwas zu unternehmen.“ Das registriert auch ihr Bruder Marius, der in Leonberg ein Bowlingcenter bereits mit viel Erfolg etabliert hat. „Von seinen Erfahrungen können wir sicher profitieren“, ist Lara Lochmann sicher.
Auch im Center selbst wird sich einiges tun. Die mächtigen Rolltreppen vom Erdgeschoss in die erste Etage verschwinden und werden durch luftige Treppen ersetzt. „Und wir wollen die Besonderheiten der historischen Gebäude noch stärker zur Geltung bringen“, verspricht Lara Lochmann. „Dieses Ambiente ist zeitlos schön und hat es verdient, entsprechend gewürdigt zu werden.“ Das gilt auch für das Traumpalast-Kinocenter, das behutsam auf Vordermann gebracht wird, wobei die Kinosäle selbst ihre markante Gestaltung behalten werden. Aktuell gibt es neun Kinosäle – der größte bietet 430 Plätze, der kleinste 60. Für vier weitere Säle haben die Lochmanns bereits die Baugenehmigung in der Tasche. „Wann wir damit beginnen, steht noch nicht fest“, sagt Heinz Lochmann. „Erst muss sich das Kino vollends von den Einbußen der Coronazeit erholen – dann kann es losgehen.“
Geschichte des Dick-Centers im Zeitraffer
Anfänge Die einstige Werkzeugfabrik Friedrich Dick ist die größte Fabrikanlage in der Esslinger Weststadt. Das Unternehmen ging aus einer 1778 gegründeten Feilenhauer-Werkstatt hervor und wurde im späten 19. Jahrhundert zu einem der bedeutendsten Industrieunternehmen der Stadt.
Aufschwung Paul Friedrich Dick kaufte 1889 mehrere Grundstücke in der Weststadt, um eine große Fabrik mit Bahnanschluss bauen zu lassen. In den folgenden Jahrzehnten wurde der Gebäudekomplex mehrfach erweitert. Heute gilt das einstige Firmengelände als herausragendes Beispiel für die Architektur der frühen Moderne in Esslingen.
Umbau Nachdem die Firma Dick 1997 Esslingen den Rücken gekehrt hatte, wurde das einstige Fabrikareal denkmalgerecht saniert und zum Freizeit- und Erlebniscenter umgebaut. Die klassische Architektur aus Richtung Fleischmann-, Martin- und Kollwitzstraße blieb erhalten, neue Baukörper wie das Parkhaus an der nordwestlichen Grundstücksecke kamen hinzu. Details der einstigen Industrienutzung blieben sichtbar, etwa die eiserne Deckenkonstruktion, der frühere Kohlenbunker oder die alten Öfen.
Gegenwart Die Gründer des Dick-Centers mussten 2001 die Segel streichen, ein Jahr später kam das Ende für das Moviedick-Kinocenter. Der Rudersberger Kinounternehmer Heinz Lochmann übernahm 2002 zunächst das Kino, das er zum Traumpalast umgestaltete. Heute wird das gesamte Center von der Lochmann-Grundstücksvermietungsgesellschaft betrieben. am