Kirche
Das Ende einer Ära

Die katholischen Gottesdienste in der Ulrichstube des Wellinger Bürgerhauses sind nach fast vier Jahrzehnten Geschichte. Die Kirchheimer Kirchengemeinde St. Ulrich gibt das Gebäude auf. 

Oskar Gulden in der Ulrichstube, in der am morgigen Samstag nach 38 Jahren Nutzung durch die katholische Teilgemeinde der Abschiedsgottesdienst stattfindet. Der Raum im Wellinger Bürgerhaus soll auch weiterhin vielseitig genutzt werden. Foto: Katja Eisenhardt

Am morgigen Samstag geht mit einem Abschiedsgottesdienst um 16 Uhr in der Ulrichstube im Obergeschoss des Wellinger Bürgerhauses eine Ära zu Ende. 38 Jahre lang – seit 1987 gibt es das Bürgerhaus – fanden dort zunächst wöchentlich, dann 14-tägig samstagabends Gottesdienste der katholischen Teilgemeinde Notzingen-Wellingen statt. Diese gehört zur Gesamtkirchengemeinde St. Ulrich in Kirchheim und zählt aktuell 660 Mitglieder. Der letzte reguläre katholische Gottesdienst fand in der Ulrichstube bereits am 22. März dieses Jahres statt, erfährt man vom Notzinger Ansprechpartner der Teilgemeinde, Oskar Gulden.

Die Ulrichstube war von Anfang an ein lebendiger Ort der Begegnung. Das soll so auch weiterhin so bleiben.

Oskar Gulden

„Als das Wellinger Bürgerhaus in den Jahren 1986/87 gebaut wurde, hat die katholische Teilgemeinde Notzingen-Wellingen einen Begegnungsraum gesucht. Der damalige Bürgermeister Helmut Maier und Pfarrer Hans Nagel sowie der Gemeinderat Notzingen und der Kirchengemeinderat haben damals vereinbart, dass die Gesamtkirchengemeinde St. Ulrich einen 20-jährigen Mietvertrag für das Obergeschoss des Bürgerhauses bekommt“, schildert Oskar Gulden die Anfänge der Ulrichstube. 94.000 D-Mark habe die katholische Kirchengemeinde als Zuschuss für den Bau des Bürgerhauses bezahlt. „Der erste Mietvertrag lief bis 2007, von da an ging es mit Fünf-Jahres-Verträgen weiter“, so Gulden. Eigentlich wäre der aktuelle Mietvertrag erst zum 31. Dezember 2026 ausgelaufen, das wurde seitens der katholischen Kirchengemeinde St. Ulrich nun um ein Jahr vorgezogen.

Gebäudeaufgaben sind Vorgabe der Diözese

„Grund für die Entscheidung ist die gesellschaftliche Situation, die sich allgemein auch auf die Kirchengemeinden landauf, landab auswirkt. Die Diözese gibt vor, dass jede Kirchengemeinde 30 Prozent ihres Gebäudebestands reduzieren muss. Die Aufgabe der Ulrichstube wurde vor diesem Hintergrund bereits vor zwei Jahren auf einer Klausurtagung des Kirchengemeinderats der Gesamtkirchengemeinde St. Ulrich beschlossen“, erläutert Oskar Gulden. Pfarrer Franz Keil habe aber bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand Ende Januar 2025 noch an der Ulrichstube festgehalten und dort seine Gottesdienste für die Teilgemeinde Notzingen-Wellingen abgehalten. Grundsätzlich gehe es bei den Kirchen – ob evangelisch oder katholisch – immer mehr um die Bildung von Seelsorgeeinheiten. Diese Entwicklung mache auch vor der Gesamtkirchengemeinde St. Ulrich nicht Halt.

Dazu kämen personelle Engpässe bei den Hauptamtlichen, die es nicht mehr ermöglichen, in jeder Teilgemeinde einen eigenen Gottesdienst anzubieten. „Bei uns ist Pfarrer Clemens Knorpp für elf Teilgemeinden zuständig. Unterstützung bekommt er bei den Gottesdiensten von Pater Thomas, der zu jeweils 50 Prozent für Kirchheim und Plochingen zuständig ist, und von Anna Bernau bei der Gemeindearbeit.“

Immer weniger Gottesdienstbesucher

Ein weiterer zentraler Punkt sei der höhere Altersdurchschnitt der Gottesdienstbesucher, so Gulden. Waren es zu Hochzeiten 20 bis 25 Personen in der Ulrichstube, kamen zuletzt teils nur noch fünf zu den Gottesdiensten: „Das hat sich schon vor zehn, 15 Jahren abgezeichnet, dass das stark rückläufig ist.“ Seit sich die Familiengottesdienste auf St. Ulrich in Kirchheim konzentrieren, fehle in Wellingen die jüngere Generation.

„Für die älteren Kirchengemeindemitglieder tut uns die Aufgabe der Ulrichstube natürlich weh. Es gibt aber ein neues Kirchen-Taxi-Angebot (siehe Infokas­ten) mit einem Bring- und Abholdienst zu den Gottesdiensten am Sonntag um 9.30 Uhr in St. Ulrich oder um 11 Uhr in Maria Königin in Kirchheim sowie zu den Gottesdiensten in den Teilgemeinden von St. Ulrich“, erklärt Gulden. Auch dienstags um 9 Uhr werde ein Gottesdienst mit anschließendem Frühstück in St. Ulrich angeboten. In Notzingen bleibe jeweils am ers­ten Donnerstag im Monat um 16.30 Uhr der ökumenische Gottesdienst im Seniorenzentrum Asklepia erhalten. Im November sei wieder die katholische Kirchengemeinde an der Reihe.

Die gelebte Ökumene sei überhaupt von Beginn an gemeinsam mit der evangelischen Kirchengemeinde Notzingen und deren Pfarrer über die nun fast vier Jahrzehnte sehr gepflegt worden, betont Oskar Gulden. „Ein Zeichen der ökumenischen Verbundenheit ist auch das Kreuz an der Wand der Ulrichstube. Es findet sich in gestickter Form im Parament der evangelischen Jakobuskirche in Notzingen und wurde für die Ulrichstube 1987 von einem Kirchengemeindemitglied geschmiedet.“ In der kommenden Woche werde das Kreuz dann in die Aussegnungshalle auf dem Notzinger Friedhof gebracht, wo es künftig einen zentralen Platz bekommt.

Ulrichstube steht weiterhin zur Verfügung

Die Räumlichkeit samt Bewirtungsmöglichkeit der Ulrichstube sei von Anfang an ein lebendiger Ort der Begegnung für den ganzen Ort, seine beiden Kirchengemeinden und Gruppen, kleinere Vereine und deren jeweilige Angebote gewesen und das solle auch künftig so bleiben, betont Oskar Gulden. So werden seitens der Kirchengemeinde ­beispielsweise die Sternsinger die Ulrichstube weiterhin zur Vorbereitung nutzen. Auch für Familien­feiern bis zu gut 30 Personen sei der Raum seitens der katholischen Kirchengemeinde seither ab und zu vermietet worden. Das könne seitens der Gemeinde Notzingen weitergeführt werden. „Die Zusammenarbeit mit der Gemeindeverwaltung war immer sehr offen und entgegenkommend“, betont Oskar Gulden. Dort habe er sich nun erkundigt, ob die Ulrichstube ihren Namen auch nach Ablauf des Mietverhältnisses mit der Kirchengemeinde St. Ulrich behalte: „Das ist der Fall“, so ­Gulden.

 

Das Kirchen-Taxi von St. Ulrich

Für die Mitglieder der katholischen Gesamtkirchengemeinde St. Ulrich Kirchheim gibt es das neue „Kirchen-Taxi“-Angebot. Das richten sich besonders an diejenigen, die selbst nicht mehr mobil sind.

Genutzt werden kann ein Taxi, um sonntags in die Kirchheimer Gottesdienste in St. Ulrich (9.30 Uhr) und Maria Königin (11 Uhr) sowie dienstags um 9 Uhr in St. Ulrich mit anschließendem Frühstück zu kommen, ebenso wie zu den jeweiligen Gottesdiensten in den Teilgemeinden von St. Ulrich.

Dafür wird ein Taxi der eigenen Wahl gerufen. Die Fahrt muss zunächst selbst bezahlt werden und die Quittung mit Angabe des Wohn- und Zielortes (Name der Kirche) bei Ulrike Lüssem, Koordinatorin für Soziale Dienste bei St. Ulrich, eingereicht werden. Der Eigenanteil pro Fahrt (Hin- und Rückfahrt gesamt) beträgt fünf Euro. Ulrike Lüssem ist erreichbar unter der Nummer 01 74/7 96 62 56.

Pro Monat werden maximal sechs Fahrten erstattet. Der Service des Kirchen-Taxis kann von den Kirchengemeindemitgliedern auch genutzt werden, um Seniorenkreise, kirchliche Vorträge und Arbeitskreise oder Kirchenfeste der eigenen oder im Bereich der Gesamtkirchengemeinde St. Ulrich zu besuchen. eis