Zwischen Neckar und Alb
„Das geht am Start ab wie eine Rakete“

Pedelec Klaus Reichert aus Kemnat empfiehlt gerade Ungeübten, sich mit den Besonderheiten der elektrisch unterstützten Räder vertraut zu machen. Von Harald Flößer

Am Lastenrad zeigen sich die Vorteile der E-Unterstützung besonders.Fotos: Roberto Bulgrin
Am Lastenrad zeigen sich die Vorteile der E-Unterstützung besonders. Fotos: Roberto Bulgrin

Das Rad häufiger nutzen, um damit zur Arbeit zu gelangen oder Einkäufe zu erledigen? Warum nicht? Doch allein schon die Vorstellung, dass man gehörig ins Schwitzen kommt, hält viele davon ab, aufs Auto zu verzichten. Was für ein Segen ist da die Erfindung elektrounterstützter Fahrräder. Die Verkaufszahlen zeigen: Pedelecs sind beliebt wie nie. Aber die Power aus der Steckdose hat eine gefährliche Seite. Keine Woche vergeht, in der nicht über schlimme Unfälle mit Pedelecs berichtet wird. Ein ums andere Mal enden diese Unglücke tödlich. Dagegen muss dringend etwas unternommen werden, findet Klaus Reichert. Der 76-Jährige versucht, aktiv dagegen anzugehen, indem er ­andere schult, wie man mit den ungewohnten Vehikeln sicherer unter­wegs sein kann.

Als Ortsvorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) Ostfildern hat sich Reichert zum Ziel gesetzt, mehr Menschen dazu zu bewegen, aufs Rad umzusteigen. Sein Vater hatte ihm einst vorgelebt, dass man so gut wie alles mit dem Fahrrad erledigen kann. Und Klaus Reichert hat sich davon infizieren lassen. Beruflich war er als Inhaber eines Ingenieurbüros über vier Jahrzehnte viel unterwegs. Ohne Auto, Bahn und Flugzeug ging das nicht. Aber seitdem er sich zur Ruhe gesetzt hat, lässt er keine Gelegenheit aus, sich aufs Fahrrad zu schwingen. Rund 10 000 Kilometer pro Jahr ist er mit eigener Muskelkraft unterwegs.

Klaus Reichert
Klaus Reichert

Wer mit so einem Mann verheiratet ist, kann nicht anders, als selbst in die Pedale zu treten. ­Waltraud Reichert macht dies längst mit der gleichen Begeisterung wie ihr Mann, weil sie es genießt, an der frischen Luft zu sein und dabei auch etwas für die Gesundheit zu tun. Über viele Jahre hat sich die heute 72-Jährige ohne Akku jeden Berg hochgeschraubt, mittlerweile schätzt sie mehr und mehr ihren E-Motor. Dass Pedelecs erhebliches Gefahrenpoten­zial in sich bergen, weiß sie aus ­eigener Erfahrung. Deshalb kann sie jedem weniger Geübten nur dringend raten, sich vorsichtig an diese Form der Fortbewegung heranzutasten und nach Möglichkeit ­einen Kurs zu besuchen, wie ihn auch ihr Mann anbietet. Im Scharnhauser Park errichtet er dafür ­einen Parcours mit aufgemalten Spuren, Bändern und Kisten als Hindernisse. Vielen bereite es schon Probleme, nur mal kurz einhändig zu fahren, weiß Reichert.

Erst ohne Motor fahren

Als gefährlichen Anfänger­fehler sieht er, gleich mit der ­höchs­ten Unterstützungsstufe starten zu wollen. „So ein Rad geht mit voller Power ab wie eine Rakete“, erklärt er. Die 500 oder 600 Watt starken Akkus verliehen den Pedelecs eine Schubkraft wie die eines Kleinwagens. Für unabding­bar hält es der 76-Jährige, sein Fahrrad erst einmal richtig kennenzulernen. Wie funktionieren die Bremsen, wie die Elektro­unterstützung, und wie macht sich das deutlich höhere Gewicht bemerkbar?

Ein oft gemachter Fehler sei, nur über den E-Motor zu schalten. Die richtige Übersetzung solle man mit der normalen Kettenschaltung wählen, rät der Fachmann. Extrem wichtig sei, gerade für Anfänger, das Zusammenwirken von Motor, Schaltung und Bremsen zu testen. Jeder solle unbedingt auch mal mit ausgeschaltetem Motor fahren. Beim Losfahren sei das sowieso ratsam. „Erst ein paar Pedalumdrehungen so machen, dann erst die Unterstützung zuschalten“, empfiehlt Reichert. „Und dann nicht gleich den maximalen Schub wählen, sondern Stufe für Stufe hochschalten.“ Vor dem Kauf eines Pedelecs solle man sich eingehend informieren und vergleichen, rät der Ingenieur. Um sicherzugehen, keinen Fehlgriff zu tun, solle man unbedingt mehrere Fahrräder ausprobieren. „Die ganze Geo­metrie muss passen. Um das tes­ten zu können, braucht man Zeit und muss man auch verschiedene Strecken fahren.“ Allein schon, um zu gewährleisten, dass Motor und Akku richtig funktionieren, empfiehlt Reichert, sein Pedelec jedes Jahr von einem Fachmann durchchecken zu lassen.

 

Weitere Infos und Tipps zum ­Thema Pedelec-Fahren gibt es auf der Homepage des ADFC unter www.adfc.de