Wer möchte das nicht – Gott sehen können? Und dabei geht es wohl nicht nur ums Sehen mit den Augen, sondern darum, ihn wirklich zu spüren, zu erleben, wie er wirklich ist; erleben, dass er Gutes tut, dass er es wirklich gut meint mit uns Menschen und mit der Welt. Ich bräuchte mir dann keine Sorgen mehr zu machen, keine Angst mehr zu haben, nicht mehr zu zweifeln oder zu verzweifeln. Andere, die nicht mehr an Gott glauben, würden endlich überzeugt, und es wäre wohl endlich vorbei mit dem Streit der Religionen um die Wahrheit, der manchmal nicht nur bedenkliche, sondern auch bedrohliche Formen annimmt.
In der Geschichte aus der Bibel, aus der der Monatsspruch für Juli stammt, hat Mose auch diesen Wunsch: Gott sehen – nicht mehr, nicht weniger. Ich kenn es verstehen, bei seiner Aufgabe. Er soll das Volk Israel aus Ägypten in die Freiheit führen, in eine neue Heimat, einen neuen Anfang. Der Weg ist anstrengend und gefährlich: Hitze, Hunger, Durst und Überfälle in der Wüste. Viele aus dem Volk machen es ihm zusätzlich schwer: Sie schimpfen und begehren gegen ihn auf. Er selber fühlt sich immer wieder nicht nur überfordert, er ist es auch. Ja, er will Gott sehen und erleben, damit er neues Vertrauen bekommt, neue Kraft, damit er weitermachen kann.
Gott kommt ihm entgegen. Ihn selbst kann Mose zwar nicht sehen. Das hält kein Mensch aus, so wenig wie ich ungeschützt in die Sonne schauen kann. Aber Gott will nahe an ihm vorübergehen, will ihn auf einen festen Felsen stellen, seine Hand über ihn halten, damit ihm nichts passiert. Dann darf er Gott nachschauen, ohne das Nachsehen zu haben. Ja, Gottes Nähe spüren ist wie auf einem festen Felsen stehen, festen Boden unter den Füßen zu haben, eine schützende Hand über sich, auch wenn es bedrohlich wird.
Gott will uns auch heute immer wieder begegnen, nicht nur durch das, was er uns mit den Gaben der Natur schenkt, womit er uns versorgt. Wir dürfen sehen und erkennen, was er Gutes tut, wie gut er es mit uns meint, vor allem, wenn wir erkennen, wie Jesus Christus, Gottes Sohn, Menschen Gottes Liebe zeigt, sie etwa nach langer Lähmung auf festen Boden stellt, die Hand über sie hält, wenn andere sie bedrohen, ihnen das Recht auf Leben nehmen wollen. Beim Abendmahl, bei Brot und Wein, dürfen wir schmecken und sehen, wie freundlich Gott ist.
Das soll und kann Kraft und Vertrauen schenken, Kraft und Vertrauen, die wir ganz dringend brauchen auf dem Weg durchs Leben, den wir gemeinsam gehen – als Gemeinde, als Gesellschaft, als Menschheit, ja, Kraft und Vertrauen, bis wir ans Ziel kommen, wo wir alle Gott sehen und erleben werden, wie er ist, ohne dass es uns schadet. Ja, dann werden wir erst recht auf festem Boden stehen und Gottes schützende Hand spüren. Schützend aber nicht mehr vor ihm, sondern im Sinne von Geborgenheit, Trost und Heimat.
Pfarrer Werner Ambacher
Altenheimseelsorge in Kirchheim