Kirchheim. Das ist nicht zu fassen: Da gibt es in der Waldorfschule eine Klasse 8 mit immerhin 34 Schülerinnen und Schülern – und alle sind in
ein Theaterprojekt eingebunden! Sie haben vier Mal gespielt, jeweils zur Hälfte in zwei komplett verschiedenen Besetzungen. Wie soll das gut gehen? Ist da Zwang am Werk? Wird da nicht Unbeholfenes geboten?
Es ist gut gegangen. Davon konnte sich die Öffentlichkeit in einer Vorstellung am Sonntag im proppenvollen Theatersaal der Waldorfschule überzeugen. Klassenlehrerin Susanne Hauke stellte bei der Begrüßung klar, dass die Schülerinnen und Schüler bei der Gestaltung des „medienpädagogischen Projekts“ beteiligt waren, das in Klasse 8 der Waldorfschule vorgesehen ist. Sie haben das Stück ausgewählt und teilweise umgeschrieben. Grundlage ist die Erzählung „Der kleine Hobbit“ des englischen Autors Tolkien, ein Vorläufer des Welterfolges „Der Herr der Ringe“ und somit der Vorläufer der riesigen Welle von Fantasieliteratur. Kein Wunder, dass Kinder von der zauberhaften Fantasiewelt angezogen werden.
Tolkien schmilzt verschiedene Motive aus der keltisch-germanischen Mythenwelt zusammen. Der eigentlich die Gemütlichkeit schätzende Hobbit Bilbo Beutlin wird in eine Abenteuerreise hineingezogen. Er soll helfen, den Schatz der Zwerge von dem Drachen Smaug zurückzuerobern. Er trägt mit mutigen Taten dazu bei, dass Menschen, Elben und Zwerge gemeinsam gegen die bösen Orks bestehen können. Das Gute muss schließlich siegen.
Was bei der Umsetzung der Geschichte auf der Bühne passiert, kann nur erstaunen. So ziemlich alle Mittel, die das Theater zur Verfügung hat, werden eingesetzt. Der Theatersaal der Waldorfschule bietet auch reichliche Möglichkeiten mit seinen Scheinwerferbatterien, Projektoren, Lichtzerhackern und Nebelmaschinen. Bei dem Theaterprojekt haben die Fächer Kunst, Tanz, Musik und Werken in idealer Weise zusammengearbeitet. Schüler, Lehrkräfte und Eltern haben viel Freizeit investiert. Dass Spiel, Kostüme und Kulissen zu einem stimmigen Ganzen mit einem flüssigen Ablauf zusammengefügt wurden, ist sicherlich einer professionellen Kraft von außen, der Theaterpädagogin Stefanie Kuznik, zu verdanken. Man staunt über Bilder und Choreografien wie in den Spinnen- und Drachenszenen und in der Kampfszene am Schluss.
Und natürlich staunt man darüber, wie freigespielt die jungen Spielerinnen und Spieler sind. Die Spielerfahrung zahlt sich aus, haben sie doch vor zwei Jahren „Das kalte Herz“ von W. Hauff mit der gleichen Regisseurin aufgeführt. Sie machen nicht nur dem Publikum Freude, sondern haben sicherlich für ihre eigene Persönlichkeitsentwicklung einen weiteren Schub erfahren. Vor einem großen Publikum zu stehen und sich zu bewähren, das bringt viel. Schnell und gemeinsam die Kulissen offen umzubauen, das bedeutet soziales Lernen.
Gelernt haben dem Vernehmen nach von diesen Schülern die Schüler anderer Schulen im Rahmen einer Aufführung für den „Szenenwechsel“, den Kirchheimer Kinder- und Jugendtheaterwochen. Die Besucher haben gelernt, dass Theater und Neue Medien sich unterscheiden. Theater hat mit Menschen zu tun und erfordert volle Konzentration von Spielern und Publikum. Dass Schüler von Schülern lernen, ist ein ausgesprochen fruchtbarer Prozess. Er wäre erleichtert worden durch mögliche Kürzungen mancher Szenen.
Am Sonntag, vor erfahrenem Theaterpublikum, fiel das nicht ins Gewicht: großer Jubel und verdiente Anerkennung für eine unglaubliche Leistung.