Kirchheim. Was genau seit mehr als zweieinhalb Jahren als transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP) ausgehandelt wird, kennen nur die wenigsten. Die fehlende Transparenz ist ein Hauptkritikpunkt, die der Kirchheimer Grünen-Abgeordnete Andreas Schwarz übte. Zwar gebe es einen Leseraum, wo englischsprachige handelsrechtliche Texte ausgelegt seien, die irgendwie übersetzt werden müssten. Dabei gehe aber auch etwas verloren. Schwarz geht davon aus, dass der Bundesrat abstimmungsberechtigt ist. „Dann müssen zumindest die Abgeordneten das, was verhandelt wurde, überprüfen können.“ Und weiter: „Für uns steht nicht freier Handel, sondern fairer freier Handel im Vordergrund.“ Bei TTIP sei das hohe Niveau, das in der EU etwa bei Verbraucher- und Umweltschutz bestehe, nicht gewährleistet.
Kritisch sieht Schwarz die Einführung privater Schiedsgerichte: „Mit meinem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit steht dies nicht im Einklang“, so Schwarz. Er fordert ein Handelsgericht mit öffentlich bestellten Richtern, entsandt von den jeweiligen Staaten.
Auch der Kirchheimer SPD-Stadtrat Andreas Kenner, der am 13. März bei der Wahl antritt, zeigt sich nicht begeistert von TTIP. Er kenne niemanden, der „in diesem geheimen Raum war und es ihm hätte irgendwie zukommen lassen“. Er unterstellt den Bundestagsabgeordneten aller Parteien, dass sie das „Gerichtsenglisch“ nicht verstehen. Sollte er in den Landtag gewählt werden, steht für den SPDler fest: „Dinge, die ich nicht begreife, denen werde ich auch nicht zustimmen.“ Wie sein grüner Stadtratskollege Andreas Schwarz ist Kenner gegen eine Beschränkung oder eine Außerkraftsetzung kommunaler Selbstständigkeit. Für ihn ist die kommunale Energieversorgung mit Wasser, Gas und Elektrizität die Zukunft. Kenner gab zu bedenken, dass „wir auch vom Handel leben“, aber dieser müsse fair sein.
Der SPD-Mann sieht auch einen Zusammenhang zwischen TTIP und dem Flüchtlingsthema. „So wie wir den Welthandel organisieren, produzieren wir auch Flüchtlingsströme.“ Kenner erklärte: „Dieses Europa, das gerade nicht in der Lage ist, eine existenzielle europäische Krise zu lösen, nämlich die Flüchtlingskrise, diesem Europa spreche ich momentan das Recht ab, für mich und uns alle, solche Verträge auszuhandeln.“ Außerdem forderte er umweltfreundlichere Transporte, intelligente Transportwege und den verstärkten Einsatz alternativer Energien.
Heinrich Brinker, Kandidat der Linken, fragt sich, wo denn die „bösen Buben“ seien, die diesen Vertrag gemacht haben. Nirgends finde er jemand, der sage: „Jawohl, das brauchen wir.“ Der Vertrag stehe im Kontext der Liberalisierung der Handelsverträge. Auf globaler Ebene werde geschaut, wo Hemmnisse abgebaut werden können. Handelshemmnisse aus neoliberaler Sicht sei alles, was den Markt behindere, den Gewinn beeinträchtige und Kosten verursache. Bei TTIP gehe es darum, Verträge erst mal so zu platzieren, dass sie peu à peu um sich greifen. Es reiche nicht, zu sagen: „Das wollen wir nicht“, sondern es gehe um die Ablehnung dieser Tendenz. Brinker regte an: „Lasst uns doch in Baden-Württemberg ein Volksbegehren oder im Bund einen Volksentscheid aufsetzen, dass die Leute wirklich mitsprechen können.“ Er kritisierte wie die anderen Teilnehmer auch, dass TTIP die USA und die EU beim Handel zusammenbringen solle, China und die großen Entwicklungsländer aber außen vor lasse. „Das ist doch kein fairer Welthandel“, findet Brinker.
Ein Vertreter der CDU war der Einladung der Organisatoren zu der Diskussion nicht gefolgt, die die Landesgeschäftsführerin des BUND, Sylvia Pilarsky-Grosch, moderierte.