S orgfältig baut Kevin Gaub in der Wendlinger Johanneskirche die bunten Fenster aus, sie werden im Nachfolgebau weiter verwendet. „Es ist ein Risiko, das herauszunehmen“, sagt er. „Kaputt geht immer was.“ Doch er gibt sich alle Mühe, dass dies so wenig wie möglich geschieht: mit Schraubendreher und Feinsäge, einem scharfen Messer und viel Geduld. Sieben Jahre lang ist Kevin Gaub im Fach tätig, die Ausbildung zum Fenster- und Glasfassadenbauer mitgerechnet. Doch vor der Aufgabe hat er Respekt: „Das ist eine Herausforderung.“ Er weiß es zu schätzen, dass seine Firma, Gräßle Fensterbau in Kirchheim, ihn damit beauftragt hat: „Das ist eine Anerkennung vom Chef.“ Ob seine Firma die Fenster auch wieder im Neubau einbauen wird, weiß er nicht, aber er würde das sehr gerne ebenfalls machen. Unabhängig davon sagt er: „Wenn ich dann in 20 Jahren vorbeifahre, kann ich sagen, das habe ich gemacht.“
Die Scheiben sind dünn und sehr zerbrechlich. „Sie liegen voll im Kitt, aber es gibt immer eine Möglichkeit. Wir machen viele Demontagen, vor allem an öffentlichen Gebäuden. Man lernt mit der Aufgabe.“ Zuerst schraubt Kevin Gaub die breiten Metallleisten weg, welche die Fenster stabilisieren. Dann rückt er mit Feinsäge und Messer dem Kitt zu Leibe. Die kleinen Scheiben nimmt er alleine heraus, die großen zu zweit. Immer mit Handschuhen, nicht nur des Glases wegen: Denn die Fenster sind bleiverglast - und Blei ist giftig. Von wegen Gift: Vor dem Abbruch und der Demontage hat die evangelische Kirchengemeinde die gesamte Johanneskirche auf Schadstoffe untersuchen lassen.
Eine Scheibe hat einen Riss
Die Kirchenfenster werden vor dem Wiedereinbau in der alten Turnhalle in Unterboihingen zwischengelagert. Damit sich das große Puzzle später wieder zusammensetzen lässt, haben die Scheiben Aufkleber mit Nummern bekommen. Ein Problem sind die vielen kleinen Sprünge im Glas. Durch eine einfarbige, milchige Scheibe zieht sich sogar ein ganz langer Riss. Diese Scheibe bricht bei der Demontage nochmals, trotz aller Vorsicht, diesmal in eine andere Richtung. „Wenigstens wird sich dafür leichter Ersatz finden lassen als für eine bunte Scheibe“, sagt Kevin Gaub. Vor dem Künstler, der die bleiverglasten Fenster gestaltet hat, hat der Handwerker alle Achtung. „In der Schule macht man das auch, aber nur an einem kleinen, zehn mal zehn Zentimeter großen Stück. Das ist ein richtiges Fummelgeschäft. Respekt, wer das heute noch macht. Ich glaube aber, dass das ausstirbt“, sagt Gaub.
Der Künstler hieß Michael Münzer, ausgeführt wurden die Fenster von den Derix Glasstudios Rottweil und Taunusstein. Die Zusammenarbeit von Künstler und Glasstudio sei sehr üblich, sagt eine heutige Taunussteiner Mitarbeiterin. Zum einen habe ein einzelner Glaskünstler nicht die nötigen Geräte, zum anderen brauche er zur Handhabung des großformatigen Glases personelle Unterstützung. Die Fertigung sei ein gemeinsamer Prozess, bei dem der Künstler immer wieder beteiligt sei.
Die oben spitz zulaufenden Rahmen der sechs Fenster, so hat Michael Münzer im Juni 1989 geschrieben, nähmen auf die Deckenform über dem Altar Bezug. Jedes Einzelbild sei mit einem Medaillon versehen, sie erzählten von der Dreieinigkeit Gottes und als stilisierte, sich berührende Hände von der großen Gottes- und Menschenliebe des Evangelisten Johannes. Goldgelbe Bänder verknüpfen die Fenster, es bilden sich labyrinthische Wege. Das Bildganze beschrieb Münzer als „Weg, Wahrheit und Leben.“
Die Hände in Fenster eins, zwei und sechs verweisen auch auf die Nächstenliebe und Jesu Liebe zu den Menschen. Das dritte Fenster von links trägt das Kreuzeszeichen, das vierte Fenster ein Auge - ein Zeichen dafür, dass Gott über alle wacht. Das fünfte Fenster zeigt eine Taube, als Zeichen des Heiligen Geistes. So steckt hinter den Fenstern die gesamte Dreieinigkeit. Nicht alles an den sechs Fenstern erschließt sich sofort. Doch gerade das findet Pfarrer Paul-Bernhard Elwert gut: „Man muss interpretieren. Das ist der Reiz eines offenen Kunstwerks.