Lenninger Tal
„Das ist ganz große Kunst“

Ausstellung Das Lenninger Ehepaar Scheufelen hat vor 20 Jahren die Stiftung Christliche Kunst Wittenberg gegründet. Mittlerweile ist der Fundus auf 700 Werke angewachsen. Von Anke Kirsammer

Es sind Lithographien, Holzschnitte und Radierungen von Expressionisten wie Max Beckmann und Karl Schmidt-Rottluff, die Dr. Gisela Meister-Scheufelen und ihren Ehemann Dr. Ulrich Scheufelen begeistern. Ihre Sammlung ging vor 20 Jahren in der Stiftung Christliche Kunst Wittenberg auf. Sie umfasst mittlerweile 700 Originalgrafiken des späten 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart und findet international Beachtung. Noch bis 13. Dezember ist unter dem Titel „Antlitz. Würde. Schmerz.“ im Hospitalhof Stuttgart eine Ausstellung mit Werken der Stiftung zu sehen. Gezeigt werden unter anderem Arbeiten von Joseph Beuys, Paul Gauguin, Günter Grass, Franz Marc, Käthe Kollwitz und Pablo Picasso.

„Uns ist nicht nur die Kunst, sondern auch die christliche Botschaft wichtig“, sagt Gisela Meister-Scheufelen und ruft im Internet den eindrücklichen „Judaskuss“ von Schmidt-Rottluff auf. Die Ausdrucksweise und die „unglaubliche Kraft“, die in den Werken steckt, ist es, was das Ehepaar fasziniert. „Das ist ganz große Kunst“, sagt Gisela Meister-Scheufelen. Dass sie nicht weit verbreitet ist, kann sie nachvollziehen: „Es ist ja nicht erbaulich, sich einen gekreuzigten Christus an die Wand zu hängen.“

Als zarte Pflanze hat die Sammlung in Oberlenningen im Hause Scheufelen angefangen. Begonnen hatte alles mit der Ersteigerung der Druckgrafik „Christus unter den Frauen“ im Berliner Auktionshaus Grisebach. „Ein klein bisschen gesammelt“ hatten Ulrich Scheufelen und seine Frau zunächst ohne größeres Thema. Erst mit der Zeit kristallisierte sich die Liebe zur christlichen Kunst heraus. Erstmals wurden in den 90er Jahren im Julius-von-Jan-Gemeindehaus Werke wie die beeindruckende Dix-Lithographie „Christus mit der Dornenkrone“ präsentiert. Ausstellungen in der Nürtinger Kreuzkirche, in der Evangelischen Akademie Bad Boll, in Toulouse und den USA folgten. Längst steht die Stiftung Wittenberg auf professionellen Beinen. Den Grundstock bildeten vor 20 Jahren gut 300 Werke, darunter allein 100 Bilder der Chagall-Bibel. Zahlreiche Schenkungen, Nachlässe, Ankäufe und Leihgaben ließen den Fundus seitdem anwachsen.

 

Durch die Auslobung von Preisen fördern wir christliche Kunst.
Ulrich Scheufelen

 

Der Kontakt zu Wittenberg, dessen Kunstverein und der dortigen Evangelischen Akademie kam über einen Berliner Freund zustande. Eine maßgebliche Rolle spielte der Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer. Im Schlossensemble Wittenberg hat sich die Dauerausstellung der Stiftung unter dem Titel „Christliche Botschaften von Chagall bis Beuys“ etabliert. Dank eines Kombitickets lässt sich der Besuch neuerdings mit einer Besichtigung der Schlosskirche verbinden. Daneben wurden in dieser Zeit im In- und Ausland 19 Ausstellungen gezeigt, darunter „Christliche Motive in der Kunst der DDR“, „Cranach und die Moderne“ und die Ausstellung „Avantgarde in Wittenberg“, die bis Ende September dieses Jahres lief.

„Die Stadt Wittenberg stellt uns die Museumsräume, wir sind für den Inhalt zuständig“, erklärt Scheufelen. Er ist Kuratoriumsvorsitzender, seine Frau Stellvertreterin. Um langfristig breiter aufgestellt zu sein, wurde im Juli ein „Freundeskreis“ gegründet. Ihm gehören 30 Mitglieder aus dem ganzen Bundesgebiet an. Enorm profitiert die Stiftung von ihrem Vorsitzenden Christhard-Georg Neubert. Als ehemaliger Kunstbeauftragter der Kirche Berlin-Brandenburg hat der Pfarrer enge Kontakte zu Künstlern. Regelmäßig werden Preise unter arrivierten Künstlern und Wettbewerbe unter Studenten ausgelobt. „Wir versuchen dadurch, die christliche Kunst zu fördern“, so der Lenninger Fabrikant. Derzeit läuft in Wittenberg die Zimmerausstellung „Dialoge“ mit sechs Werken des Berliner Plein-Air-Malers Christopher Lehmpfuhl mit neuen Interpretationen von Werken des Mittelalters und der frühen Neuzeit.

Ausstellung im
Stuttgarter Hospitalhof

Die Ausstellung „Antlitz. Würde. Schmerz.“ der Stiftung Christliche Kunst Wittenberg im Hospitalhof Stuttgart in der Büchsenstraße findet in Kooperation mit dem Evangelischen Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart und der Stiftung der Evangelischen Landeskirche statt. Bei der Vernissage hielt der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende, Professor Wolfgang Huber, einen Vortrag mit der Überschrift „Wo bleibt der Mensch? Die Würde des Menschen im digitalen Zeitalter.“

Gezeigt werden 40 Werke. Neben Arbeiten berühmter Künstler wie Joseph Beuys, Paul Gauguin und Edouard Manet ist dort unter dem Titel „Die Sünderin“ eine großformatige Fotografie der russischen Malerin Katerina Belkina zu sehen. 2015 wurde sie dafür von der Stiftung Christliche Kunst mit dem Internationalen Lucas Cranach Preis ausgezeichnet.

Mit einer Portion Selbstironie weist Ulrich Scheufelen auf einen gefälschten Dali hin, den er einst unwissend erstanden hatte. Mit einem dicken Fälschungsstempel und einem Brief des Landeskriminalamts „bereichert“ das Bild die Ausstellung. „In Wittenberg sorgt es immer für großen Zulauf“, so der Kunstliebhaber augenzwinkernd.

Begleitend zur Ausstellung findet am Freitag, 12. November, von 17 bis 18 Uhr ein Rundgang mit Gespräch zur Ausstellung mit Pfarrer Johannes Koch, Kunstbeauftragter der Evangelischen Landeskirche statt. Die Finissage geht am Montag, 13. Dezember um 17 Uhr über die Bühne. Anwesend ist dort Christhard-Georg Neubert, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Christliche Kunst Wittenberg. Für beide Veranstaltungen ist eine Anmeldung über www.hospitalhof.de nötig. ank