Regionale und saisonale Ware direkt vom Erzeuger ist bei vielen Kunden sehr gefragt. Dabei gibt es allerdings ein Problem, nämlich wie die Ware von den meist kleineren landwirtschaftlichen Betrieben in die Supermärkte kommt. Oder in die Gastronomie oder in Kantinen, die auch gerne lokale Lebensmittel verarbeiten. Hier setzt die Geschäftsidee der Macher von Lokora an: Sie haben eine innovative Plattform entwickelt, die die vielen kleinen Erzeuger und den Lebensmittelhandel zusammenbringt. Die Geschäftsidee überzeugte auch die Juroren des Innovationspreises des Landkreises Esslingen. Dort landete das Start-up im vergangenen November immerhin im Finale der besten Zehn.
Finn Seidel ist einer der vier Unternehmensgründer. Zum Gespräch treffen wir ihn im Gründer-Space an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen. Dort hat das 2022 gegründete Unternehmen Lokora seinen Sitz. Auch die Idee ist an der Hochschule entstanden: Seidel studierte an der HfWU Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Marketing und machte seinen Master in Organisationsdesign. In seiner Masterarbeit setzte er sich mit dem Thema Regionalvermarktung auseinander. Dabei sei ihm ein Missstand aufgefallen, erzählt er: „Viele kleinere Betriebe wollen gerne beliefern, aber es scheitert häufig an der Logistik.“
Denn während einerseits die Erzeuger den Transport ihrer Ware meist selbst übernehmen müssten, sei es andererseits für die Supermärkte oder Küchen ein großer Aufwand, mit vielen kleineren Landwirten zu kommunizieren, um alle benötigten Produkte in ausreichender Menge zu bekommen. Daraus entstand die Idee für das Geschäftsmodell: eine digitale Plattform zu schaffen, die beide Partner zusammenbringt. „Der Abnehmer muss nicht 20 Höfe anfragen, und andersherum der Landwirt auch nicht zu 20 Betrieben gehen“, so Seidel. Bestellungen können digital über eine Web-App einfach abgewickelt werden. Lokora holt die Waren ab und bringt sie zu den Kunden.
Zusammen mit Marvin Zorn, Arthur Riske und Laurin Held machte sich Finn Seidel daran, die Plattform zu entwickeln. Im Großraum Stuttgart ist das Unternehmen bereits aktiv. Man habe einige Höfe auf den Fildern als Lieferanten gewinnen können, berichtet Seidel. Einzelne Supermärkte, meist selbstständige Edeka-Händler, aber auch ein Biomarkt, nutzen die Dienste des Start-ups bereits. Auch eine Kantine in Schwäbisch Gmünd wird beliefert. Dieses Netzwerk soll nun möglichst rasch erweitert werden, sagt Seidel: „Wir sind dran, weitere Kunden zu generieren und Höfe zu gewinnen.“ Das Konzept könne zügig auch auf andere Regionen ausgeweitet werden.
So ist man bei Lokora derzeit dabei, den Vertrieb auszubauen und dafür Mitarbeiter einzustellen. Acht Leute gehören momentan zum Lokora-Team. Die Verteilung der Waren erfolgt mit einem firmeneigenen E-Sprinter.
Denn auch das ist eine der Besonderheiten des Unternehmenskonzepts: Die Direktvermarktung soll ohne Lager abgewickelt werden. Der Verzicht auf Lagerhaltung hilft, Kosten zu reduzieren, und die Ware kommt ganz frisch in die Regale. Nicht mehr als 50 Kilometer sollen zwischen lokalem Erzeuger und Abnehmer liegen. Damit die Verteilung termingerecht funktioniert, optimiert eine KI in der Plattform die Routen.
Das bisherige Feedback der Kunden macht den Gründern Mut. Damit der Endkunde im Supermarkt erkennen kann, woher die Ware kommt, hat Lokora zum Beispiel ein eigenes Display mit seiner Dachmarke geschaffen, das der Handel nutzen kann. Die Herkunftshöfe werden mit dargestellt.
Prognosedaten sollen Effizienz erhöhen
Die Gründer, sie sind allesamt um die 30 Jahre alt, haben auch schon weitere Ideen, wie sie die Effizienz für ihre Kunden noch weiter verbessern möchten. So ist daran gedacht, auch Prognosedaten einfließen zu lassen, zum Beispiel Absatzdaten aus der Vergangenheit, um zu wissen, welche Produkte wann besonders stark nachgefragt sind. Oder Wetterprognosen: Wenn Grillwetter angesagt ist, steigt womöglich die Nachfrage nach Salat, so Finn Seidel.
Durch solche innovativen Komponenten ist es Lokora – der Name ist eine Wortschöpfung aus lokal und Agora, dem griechischen Begriff für Marktplatz – gelungen, Fördermittel von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt zu bekommen. Auch von der Hochschule wurde das Start-up bei der Gründung unterstützt, berichtet Seidel: „An der Nürtinger Hochschule waren wir mit unserem Thema sehr gut aufgehoben, weil es hier eine betriebswirtschaftliche und eine agrarwissenschaftliche Fakultät gibt. Das ist ein Standortvorteil.“
Kleinstrukturierte Landwirtschaft erhalten
„Wirtschaften anders denken ist ein wesentlicher Teil unserer Organisation“, sagt Finn Seidel. Der Gründer, der in Tübingen wohnt und in Dettenhausen aufgewachsen ist, bezeichnet sich selbst als Überzeugungstäter. Schon länger hat er sich für Ernährung und Lebensmittel interessiert, erzählt der 29-Jährige. Dass er einmal selbstständig sein möchte, sei ihm schon während des Bachelor-Studiums klar gewesen. „Da lag es nahe, in dem Bereich etwas zu machen.“ Mit Lokora wollen er und seine Kompagnons dazu beitragen, die Landwirtschaft in ihrer kleinstrukturierten Form, wie sie vor allem in Baden-Württemberg vorhanden sei, zu erhalten: „Aus unserer Sicht leistet sie einen großen Beitrag, dass unsere Welt nachhaltig bleibt.“