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Das neue Jahr ist „angebadet“

Schwimmen Bei frühlingshaften Außentemperaturen genossen zwei Dutzend Badegäste am Neujahrstag das erste Bad des Jahres 2023 im zehn Grad kalten Wasser des Bissinger Sees. Von Andreas Volz

Wäre Friedrich Schiller jemals in Bissingen gewesen – er hätte sich am Fuß der Teck zu seinen Versen inspirieren lassen können: „Es lächelt der Sai, er ladet zum Bade.“ Ob er dabei unbedingt einen Neujahrstag im Sinn gehabt hätte, ist indessen fraglich. Und doch ist es das „Anbaden“ des neuen Jahrs im Bissinger Sai, das immer mehr Menschen anlockt.

2021 war Premiere, mit einer Handvoll Mutiger, die sich in die kalten Fluten stürzten. Seither ist nicht nur die Zahl der Badenden kontinuierlich gestiegen, sondern auch die Temperatur hat kräftig zugelegt – von Jahr zu Jahr: Zum Neujahrstag 2023 lag die Außentemperatur bei frühlingshaften 17 Grad Celsius. Und auch der Sonnenschein ließ den Gedanken an Winterjacken in den Hintergrund rücken. Ein Picknick auf der Liegewiese des Bissinger Naturfreibads war also durchaus angemessen. Aber Baden?

Größtes Lob für „die Mädels“

Etwa zwei Dutzend Unerschrockene waren es, die sich – angeleitet durch den SPD-Landtagsabgeordneten Andreas Kenner – bis zum Hals in den See hineinwagten. Manche schwammen richtiggehend, und insbesondere etliche jüngere Frauen wollten das Wasser gar nicht mehr verlassen. Sie ernteten dafür auch – völlig zurecht – die ungeteilte Bewunderung der Umstehenden. Selbst wer sich gerade mit dem Handtuch trockenrubbelte und anschließend wieder in seine Wollsocken schlüpfte, lobte „die Mädels“.

Auch Teckboten-Fotograf Carsten Riedl ließ es sich nicht nehmen, das neue Jahr in der Badehose und im Wasser zu begrüßen – alles eine Frage der Professionalität: „Wenn ich brauchbare Bilder machen will, geht das nur im See. Am Ufer habe ich ja Gegenlicht.“ Das klingt nachvollziehbar, mehr noch als seine Aussage: „Ich habe mich auf die Arbeit konzentriert. Da merkt man es gar nicht so, dass das Wasser keine zehn Grad hat.“

Andreas Kenner, der zu den Initiatoren des „Anbadens“ gehört, stellte fest: „So warm war‘s no nie.“ Das hinderte ihn aber nicht daran, vorsorglich warmen Tee mitzubringen – roten Tee. Als er ihn den vielen Zuschauern anbot, scherzte er: „Da sind Drogen drin. Die das trinken, wählen nachher alle SPD.“ Immerhin muss er sich für diesen Spruch keine „Rote-Socken-Kampagne“ vorwerfen lassen, denn hartnäckig stand er noch lange nach dem Baden barfuß am Ufer.

Er schien sich an seinen Gedankenflügen zu erwärmen: „Es ist unbegreiflich, dass es hier keine Tafel gibt, die an Trudy Ederle erinnert – ob sie nun hier im Sai das Schwimmen gelernt hat oder nicht.“ Sie war nicht nur die erste Frau, die den Ärmelkanal durchschwommen hat. Sie holte auch Staffelgold bei den Olympischen Spielen 1924 in Paris. Zu ihren familiären Wurzeln in der „Sai-Gemeinde“ meinte Andreas Kenner: „Man kann ja auch nicht für alle Bissinger eine Tafel aufstellen, die einmal bei Olympia mitgemacht haben.“ Notfalls wolle er selbst eine Tafel für Trudy stiften. 2024 könnte es sich anbieten – wenn wieder Olympische Spiele in Paris anstehen.

Auch andere „Anbader“ machten sich bereits Gedanken über 2024: Sie träumten für nächs­tes Mal von einem Stand mit Roten Würsten und Glühwein, aber auch von einer aufblasbaren Badeinsel. Sollte aber das Wetter so mitmachen wie am Neujahrstag 2023, sei vor allem eines unerlässlich: „Ohne Sonnencreme geht dann gar nichts mehr beim Baden zum Jahresbeginn.“