Oswald Metzger spricht bei der MIT in Kirchheim über Chancen des Freihandels
Das Schreckgespenst TTIP

In Europa geht die Angst vor dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA um. „TTIP ist ein Versagerthema“, sagt auch Oswald Metzger. Der CDU-Wirtschaftsexperte kann das nur bedauern. Für ihn steckt TTIP voller Chancen für die Deutschen.

NICOLE MOHN

Kirchheim. Chlorhähnchen, Millionenklagen, Minderung deutscher und europäischer Standards und nicht zuletzt der Einschnitt in staatliche Souveränität – das sind die Hauptkritikpunkte der TTIP-Gegner. Doch inzwischen formieren sich die Befürworter des Freihandelsabkommens und werden laut. Zu ihnen zählt der Publizist und stellvertretende Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung Oswald Metzger. Am Freitagabend machte er beim Kreisverband der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU (MIT) im Kirchheimer Autohaus Ramsperger Werbung für das Freihandelsabkommen.

Normalerweise dürfe TTIP für ein Exportland wie Deutschland kein Thema sein. „Je liberaler ein Staat, umso mehr haben seine Einwohner im Portemonnaie“, sieht er einen essentiellen Zusammenhang zwischen Freihandel und Wohlstand. Denn das Handelsabkommen soll vor allem zur Harmonisierung von Standards sorgen. Und die seien nicht in der Europäischen Union durchgehend höher, räumt Metzger mit einem Vorurteil auf.

Beispiel Abgaswerte: „Die kalifornischen Grenzwerte sind mit Dieselmotoren nicht einzuhalten“, sagt er. Ganz gezielt würden in den Vereinigten Staaten solche Grenzwerte eingesetzt, um den heimischen Markt abzuschotten. Werden Zulassungsverfahren auf ein einheitliches Maß gebracht, spare das der Industrie Millionen – die wiederum in neue Entwicklungen fließen können und eine wettbewerbsfähige Preisgestaltung ermöglichen. Und nicht nur die Automobilindustrie sei davon betroffen: Ähnliches gelte zum Beispiel auch für die Pharmahersteller, wie der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich berichtete. Auch das Schiedsgericht für Firmeninvestitionen sei keine Einbahnstraße nur für amerikanische Unternehmen. Investiere Walla in den USA und erhalte nach zwei Jahren keine Zulassung mehr für seine Produkte, greife das Schiedsverfahren ebenso für das deutsche Unternehmen, gibt Hennrich dazu ein Beispiel.

Befürchtungen, in deutschen Supermärkten hielten künftig Chlorhühner und genmanipulierte Lebensmittel Einzug, winkt Metzger lässig durch. Hier bestehe klar eine Kennzeichnungspflicht, wie jetzt schon bei Soja auch: „Der Verbraucher entscheidet selbst, ob er das Produkt kauft oder nicht“, appelliert er an die Eigenverantwortung.

Doch die ist dem Wirtschaftsexperten in Deutschland ebenso zu weit abhandengekommen wie der unternehmerische Geist. Symptomatisch für die Entwicklung ist für ihn eine Umfrage unter Studienabgängern. Die zieht es in der Mehrzahl nicht mehr zu den Unternehmen, sondern in den Staatsdienst. „Ohne Unternehmen keine Arbeitsplätze, ohne Unternehmergeist keine Hidden Champions“, warnt Metzger.

Den Finger in die Wunde legt er ebenso bei der großen Koalition. Teure Wahlgeschenke, keine Reformen, enorme Reglementierungswut – all das schmeckt dem Politiker nicht. „Alle Wohltaten muss man sich erst einmal verdienen“, sagt er. Doch eben säge man an der Wurzel und gehe sehenden Auges in die Folgen des demografischen Wandels in Deutschland. Dazu kommen Kosten für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge von allein 50 Milliarden Euro für 2016 und 2017. „Davor habe ich eine Riesenangst“, so der CDUler.

Generell vermisst Metzger in der Politik sperrige Köpfe, die Probleme offen ansprechen und marktwirtschaftliche Themen setzen. „Die Politik ist zu stark geprägt von der Haltung des öffentlichen Dienstes“, so seine Kritik. Ungeschoren kommt auch die CDU, deren Mitglied Metzger seit 2008 ist, nicht davon: Sie habe es nach dem Aus der FDP im Bundestag versäumt, wirtschaftspolitische Themen zu besetzen. „Die Mittelständler müssen den Mund aufmachen“, ruft Metzger dazu auf, einen Kontrapunkt zum „linken Zeitgeist“ zu setzen. „Wir müssen die Leute mitnehmen und die Dinge immer wieder aufbrechen“, setzt er auf Aufklärung.

Eben an mangelnder Transparenz und Aufklärung droht aus Metzgers Sicht das TTIP-Abkommen nun zu scheitern. Dann, befürchtet Metzger, setzen die asiatischen Staaten die Standards. „Und wir lassen uns die Benchmarks diktieren.“