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Das Sensen erlebt eine Renaissance

Natur Denise Emer aus Neidlingen und Heinz Wiedmann aus Wiesensteig sind ausgebildete Sensenlehrer und geben Kurse. Sie schwärmen von der ökologischen Alternative zu lärmenden Motorgeräten. Von Heike Siegemund

Sie eint die Liebe zur Natur und der Spaß am Mähen mit der Sense: Die ausgebildeten Sensenlehrer Denise Emer aus Neidlingen und Heinz Wiedmann aus Wiesensteig geben Interessierten auch Kurse. Dabei haben die beiden festgestellt, dass das Interesse am Mähen mit der Sense immer mehr zunimmt. So erlebt das Sensen offenbar eine Renaissance auch in der Region rund um die Teck und auf der Alb. Das Erlernen des alten Handwerks haben wohl einige für sich entdeckt. „Vielen ist der ökologische Aspekt wichtig oder sie machen es aus Tradition und erinnern sich an ihre Großeltern, die auch schon mit der Sense gemäht haben“, sagt Denise Emer. Es gebe außerdem viele Kursteilnehmer, die den Rasenmäher-Lärm verabscheuen und die auch mit dessen Gewicht nicht gut zurechtkommen. Manchen sei es außerdem ein Anliegen, sonntags mähen zu können – was mit der Sense kein Problem darstellt, schließlich erzeugt das Arbeiten mit dem traditionellen Mähwerkzeug keinen Lärm.

Die 44-jährige Denise Emer gibt durchschnittlich acht Kurse im Jahr, unter anderem in Weilheim und Umgebung, in Schlierbach und im Freilichtmuseum in Beuren. Bei Heinz Wiedmann sind es etwa zehn Kurse jährlich, bei denen das alte Handwerk erlernt werden kann, beispielsweise in Laichingen und Blaubeuren, aber auch im Taubertal und beim Schloss ob Ellwangen; hinzu kommen Vorträge für den Bund für Umwelt und Naturschutz sowie die Volkshochschule. Sowohl Denise Emer als auch Heinz Wiedmann betonen, dass an ihren Kursen bei Weitem nicht nur Männer teilnehmen. So seien mindestens die Hälfte der Kursteilnehmer Frauen. „Ich glaube, sie identifizieren sich nicht so mit dem Motorenzeug. Das ist eher eine Männerdomäne“, sagt Denise Emer mit Blick auf die krachmachenden Rasenmäher.

Das Interesse am Mähen mit der Sense nimmt immer mehr zu, haben Denise Emer und Heinz Wiedmann festgestellt. Fotos: Heike Siegemund

Bei der Sense handle es sich um ein „wunderbares, elegantes Gerät“, schwärmen die beiden Sensenlehrer unisono. Es sei einfach zu bedienen. Man benötige nicht allzu viel Kraft, vorausgesetzt die Sense ist „richtig und scharf gedengelt“, verdeutlicht Wiedmann. Generell habe man bei der Sense „kaum Material“ und brauche für den Transport keinen Anhänger, nennt Denise Emer einen weiteren Vorteil. Im Gegensatz dazu kosten Rasenmäher Geld, sie brauchen viel Platz, sind laut, produzieren Abgase und stinken, fügt die 44-Jährige hinzu.

Für die Biologin steht aber der ökologische Aspekt an erster Stelle: Man mähe mit der Sense in der Regel „nicht alles auf einmal“. Dies sei ein Vorteil für Insekten, die im Gras dann weiterwandern könnten. Auch der 64-jährige Heinz Wiedmann betont: „Im Naturschutz wird eine Teilmahd stark befürwortet.“ Überhaupt lerne man eine Wiese und die unterschiedliche Vegetation beim Sensen ganz anders kennen, verdeutlichen die beiden. Wenn man zum Beispiel Glockenblumen sieht oder ein Vogelnest entdeckt, könne man mit der Sense auch ganz einfach drum herum mähen. „Man macht nicht einfach alles stur platt“, erklärt die Neidlingerin.

 

Da wird alles klein gehäckselt.
Heinz Wiedmann über Mulchgeräte, bei denen auch Kleintiere und Insekten keine Chance haben.

 

Sie und Heinz Wiedmann verweisen in diesem Zusammenhang auf Mulchgeräte, die auch in der Landwirtschaft viel eingesetzt werden. „Da wird alles klein gehäckselt“, gibt Wiedmann zu bedenken, der genauso wie Denise Emser dem Arbeitskreis Wiesenökologie des Sensenvereins Deutschland angehört. Mähe man mit der Sense, könne beispielsweise eine Heuschrecke, die oben auf dem Grashalm sitzt, einfach weiterhüpfen – denn die Sense gleitet unten durch das Gras. Beim Sensen handle es sich um die kleintierschonendste Art des Mähens, verdeutlicht Wiedmann. Das Sensen leiste einen wertvollen Beitrag zur Steigerung und zum Erhalt der Artenvielfalt einer Wiese.

Darüber hinaus mache die Sense einen „schönen Schrägschnitt“, wodurch sich „die Wunde schnell verschließt“. Bei Mulchgeräten und Freischneidern „erhält man keinen klaren Schnitt, sondern einen Fransenschnitt“, ergänzt Denise Emer. Die Folge: „Die Gräser bluten richtig aus. Im Sommer kann man dadurch viele graue Wiesen sehen.“

Ein weiterer Vorteil des Sensens: Es wirke meditativ, sagen die beiden Sensenlehrer. Richtiges Mähen bewege den ganzen Körper und könne sogar Verspannungen lösen, betont Wiedmann. Voraussetzung ist, dass das Gerät genau an die Körpergröße und die individuelle Arm-Bein-Länge angepasst werde. Die direkte Naturverbundenheit, der Geruch des Grases, das Geräusch der Schneide, die sanfte rhythmische Bewegung und der Duft der Blumen – all das sei überaus entspannend.

Altes Wissen rund um die Sense bewahren

In ihren Sensen-Kursen zeigen Denise Emer und Heinz Wiedmann den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die richtige und sichere Mähtechnik mit der Sense in Theorie und Praxis, das Wetzen, das Dengeln der Schneide und das richtige Einstellen der Sense. Der Sensenverein Deutschland hat es sich zur Aufgabe gesetzt, das alte Wissen rund um die Sense zu sammeln, zu bewahren und durch ausgebildete und geprüfte Sensenlehrer in Kursen weiterzugeben. 

Eine Weiterbildung des Deutschen Sensenvereins für Sensenlehrer fand kürzlich im Hotel-Gasthof Rössle in Westerheim statt. Mit dabei waren Sensenlehrer aus ganz Deutschland, auch Denise Emer und Heinz Wiedmann, sowie sogar ein Sensenlehrer aus den Niederlanden. Für die praktischen Übungen waren sechs Sensen-Richtplätze aufgebaut: Es gab einen Richtblock aus Holz und einen Richtblock mit einem speziellen Richtamboss. So wurde in einer Garage unter einem früheren Heuboden intensiv gehämmert. Die Teilnehmenden seien fasziniert gewesen, „wie total verdengelten, verbogenen und hoffnungslos welligen Sensenblättern mit gezielten Hammerschlägen wieder ihre ursprüngliche Spannung und Form zurückgegeben werden kann“, sagt Wiedmann. Was sie bei dieser Weiterbildung lernten, sei auch im Sinne der Nachhaltigkeit, ergänzt Denise Emer. Mit diesem Wissen könne man nun auch Sensen wieder in Schwung bringen, die ansonsten weggeworfen würden. hei