Weilheim und Umgebung
Das Soziale Netz in Weilheim trägt auch in Krisenzeiten

Senioren Die Ehrenamtlichen des Sozialen Netzes Raum Weilheim haben Besuche und Begegnungen auch in ­Pandemiezeiten ermöglicht. Sie sind für den Ehrenamtspreis „Starke Helfer“ nominiert. Von Bianca Lütz-Holoch

Kaffee im Garten, Gymnas­tik auf dem Marktplatz und Terrassenkonzerte in der Seniorenwohnanlage – mit Kreativität, Flexibilität und Engagement haben die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialen Netzes Raum Weilheim ältere und hilfsbedürftige Menschen durch die Pandemiezeit begleitet. Mehr noch: Aus der Not heraus sind neue Ideen entstanden, die das Angebot auch in Zukunft bereichern.

 

Man war gezwungen, aus der Routine auszubrechen.
Rosemarie Bühler
über die Tatsache, dass die Pandemie auch Positives hervorgebracht hat
 

Sechs Wochen lagen die Aktivitäten des Sozialen Netzes fast ganz auf Eis: Während des ersten Lockdowns waren Besuche und Treffen nicht möglich. Zwei Mitarbeiterinnen nähten in der Zeit Masken, andere organisierten Handdesinfektionsmittel und wieder andere übernahmen Einkaufsdienste. „Der Kontakt wurde vorrangig telefonisch aufrechterhalten“, berichtet Rosemarie Bühler, hauptamtliche Leiterin der Koordinationsstelle des Vereins.

Schnell war aber klar: Kein Telefonat kann die persönliche Begegnung ersetzen. Vor allem „jüngere“ Ehrenamtliche nahmen deshalb so bald wie möglich ihre Besuche wieder auf – selbstverständlich unter Einhaltung der Hygienevorgaben. „Wir sind sehr bald wieder zur Normalität zurückgekehrt, soweit das eben möglich war“, sagt Rosemarie Bühler und betont: „Dazu haben die Ehrenamtlichen entscheidend beigetragen.“

Tanzen auf dem Breitenstein

Zu ihnen gehört Michaela Zanker. Sie ist geschulte Begleiterin für das Übungsprogramm „Fünf Esslinger“ und arbeitet bei Hausbesuchen viel mit Bewegung. „Das Problem war die Maskenpflicht in Innenräumen“, erzählt sie. Unter dem Mund-Nasen-Schutz gerieten die Senioren allzu sehr außer Puste. „Ich bin deshalb mit ihnen raus auf die Wiese gegangen und später auch zur Grabkapelle nach Stuttgart, auf den Esslinger Marktplatz oder auf den Breitenstein gefahren“, berichtet sie. Überall wurde geübt, getanzt und trainiert: „Die Leute haben mitgemacht und richtig Freude daran gehabt.“

Die Folge: Seit Juni bietet Michaela Zanker gemeinsam mit zwei weiteren Ehrenamtlichen im Rahmen des Präventivprogramms B.U.S jeden Montag Bewegung, Unterhaltung und Spaß für Senioren und Menschen mit körperlichen Einschränkungen an. Start ist um 9.30 Uhr auf den Weilheimer Marktplatz. „Da stehen dann schon mal 15 Klienten und schwingen Tücher zu Musik – alle mit einem Lächeln auf den Lippen“, freut sich Michaela Zanker. Auch Balancetraining in den Hofgärten oder Kirschkernkissenwerfen gehören zum Repertoire. Angedacht gewesen war solch ein offenes Angebot schon länger, zustande gekommen ist es aber erst angesichts des großen Interesses in Corona-Zeiten: „Die Pandemie hat die Einführung enorm beschleunigt“, sagt die Ehrenamtliche.

In dem Punkt sind sich alle einig: So schlimm Corona war und ist – der Ausnahmezustand hat dazu geführt, die Dinge anders anzupacken. „Man war gezwungen, aus der Routine auszubrechen“, sagt Rosemarie Bühler. „Das hat uns auch viele gute Erfahrungen beschert.“ 

Schwierige Zeiten für Menschen mit Demenz

Das gilt auch fürs Café Lebenslust, einem Treff für Menschen mit demenziellen Veränderungen. „Für uns war es eine große Herausforderung, weiterzumachen“, berichtet die ehrenamtliche Leiterin Christina Ott. Die Café-Gäste mussten auf lieb gewonnene Gewohnheiten wie das Zusammensitzen an der Kaffeetafel und das gemeinsame Singen verzichten. „Rein theoretisch hätten wir auch keine Hände schütteln dürfen“, sagt Christina Ott. „Aber wie bringt man das jemandem bei, der nicht versteht, warum er darauf verzichten soll?“ Zumal Berührungen gerade für Menschen mit Demenz essenziell sind. Die Lösung: sehr viel Desinfektionsmittel. „Wir haben also Hände geschüttelt – und vorher und nachher desinfiziert.“ Ähnlich ging das achtköpfige Team bei Gegenständen vor, die herumgereicht wurden. Weil Singen tabu war, hörte die Gruppe Musik beim Basteln. Statt Scheren, Kleber und Farben zu teilen, erhielt jeder eine eigene Bastelbox und durfte sie mit einem Namensschild versehen – eine Bereicherung, die bleiben wird.

Marianne Link, ehrenamtliche Mitarbeiterin des Besuchsdienstes, erinnert sich daran, wie groß die Angst vor Ansteckung anfangs war – vor allem bei den Angehörigen. Zur Beruhigung trug das differenzierte Hygienekonzept des Sozialen Netzes bei, bei dem auf Sicherheit ebenso Wert gelegt wurde wie auf Praktikabilität. „Als die größte Angst weg war, hat alles wirklich gut funktioniert“, sagt Marianne Link. Sie war nach dem Lockdown schnell wieder eingestiegen und hatte mit ihren Besuchen unter anderem Phasen überbrückt, in denen die Pflegerin einer Klientin frei hatte.

Und noch mehr hat sich das Soziale Netz einfallen lassen, um fehlende persönliche Kontakte und Treffen in Corona-Zeiten aufzufangen: Als keine Gruppentreffen stattfinden konnten, erhielten die Gäste regelmäßig Briefe mit Geschichten, Gedichten und Rätseln nach Hause geliefert. An Weihnachten, Fasching, Ostern und Geburtstagen wurden kleine Geschenke persönlich überbracht. Im Haus Albblick fanden außerdem Terrassenkonzerte statt, bei denen Ehrenamtliche an Gitarre und Akkordeon musizierten und die Bewohner von der Terrasse, vom Balkon oder aus dem Fenster heraus zuhören konnten.

 

1900 Stunden haben die Ehrenamtlichen im Besuchs- und Begleitdienst des Sozialen Netzes im Jahr 2020 trotz Corona erbracht. Im Jahr 2021 waren es sogar schon wieder 2700 Stunden – nur 300 weniger als 2019. 

Begleitung in den eigenen vier Wänden

Das Soziale Netz Raum Weilheim unterstützt mit seinen Angeboten hilfe- und pflegebedürftige Menschen sowie deren Angehörige. Neben Beratung ermöglicht der Verein auch „Betreutes Wohnen zu Hause“. Ehrenamtliche Mitarbeiter tragen durch Besuche und Begleitung zu einer guten Versorgung bei. Darüber hinaus gibt es Gruppenangebote wie das „Café Lebenslust“ für Menschen mit Demenz.