Das Leben gewinnt an Qualität, wenn auch über den Tod nachgedacht und gesprochen wird. Das ist die Überzeugung des Lenninger Netzwerks „Schnitt.Leben“. In die Zeit der Gründung vergangenes Jahr fielen mehrere Sterbefälle in der Gemeinde, die große Betroffenheit und Verunsicherung in Familien, bei Freunden, in Kindergärten und Schulen über den Umgang mit dem Thema auslösten. Gefunden hat sich ein konfessionell bunt gemischtes Netzwerk aus Frauen und Männern unterschiedlichen Alters mit verschiedenen Sichtweisen. „Wir sind keine Trauerklöße, sondern eine lebendige Gruppe, in der auch der Humor seinen Platz hat“, betont Claudia Baumann, die den Zusammenschluss mit Tanja Baumann initiiert hat.
„Der Tod ist genauso Teil des Lebens wie die Geburt“, sagt Gabriele Steiner. Die ehemalige Pflegedienstleiterin der Diakoniestation Teck ist in der Geschäftsstelle von „Unser Netz“ beschäftigt und bei „Schnitt.Leben“ dabei. Aus ihrer Erfahrung auch beim Aufbau der ambulanten Palliativversorgung im Landkreis Esslingen weiß sie, dass Sterben oft tabuisiert wird und große Krisen in den Familien auslöst. Betroffene stünden dann vor einem riesigen Berg und wüssten nicht, wie sie mit dem Schmerz umgehen können. Die Mitglieder des Netzwerks sind überzeugt davon, dass es Menschen leichter fällt, mit der Situation zurechtzukommen, wenn sie sich mit dem Tod beschäftigen, bevor sie durch eigene Krankheit oder das Sterben eines nahen Angehörigen unmittelbar betroffen sind. Das gilt für die Trauerarbeit, genauso aber für die Wahl der Bestattungsform oder die Gestaltung der Beerdigung. Vom Ende her zu denken, wirke sich auch auf Beziehungen aus: „Wenn ich weiß, dass das Leben endlich ist, begegne ich meinen Eltern anders“, überlegt Claudia Baumann.
Die Gruppe setzt sich nicht nur mit dem eigenen Sterben und dem Verlust naher Menschen auseinander, sondern sie möchte auch dafür sensibilisieren, wie Trauernde unterstützt werden können. „Wir verstehen uns als Netzwerker“, erklärt Carmen Karsunke. So hatte sie vergangenes Jahr angeregt, in der Lenninger Gemeindebücherei einen Büchertisch zum Thema Trauerarbeit einzurichten und entsprechende Literatur zu besorgen. Inzwischen sei die Bibliothek im Schlössle diesbezüglich gut bestückt.
Ein Projekt, das das rund zehnköpfige Team anpacken möchte, ist, auch junge Erwachsene dazu zu bewegen, sich mit Papieren wie der Patientenverfügung und der Generalvollmacht zu befassen. Vielen sei nicht klar, dass sonst Eltern beispielsweise bei einem Schädel-Hirn-Trauma ihres volljährigen Kindes lebensverlängernde Maßnahmen nicht verhindern können. Auch das Organisieren von Veranstaltungen wie die Konzertlesung am Sonntag (siehe Infokasten) im evangelischen Gemeindehaus in Unterlenningen oder ein Vortrag mit Wilfried Veeser am 4. April 2019 zur Trauer bei Kindern und Jugendlichen sehen die Mitglieder von „Schnitt.Leben“ als ihre Aufgabe an.
Noch steht bei den unregelmäßigen Treffen der recht jungen Gruppe das gegenseitige Kennenlernen im Vordergrund. Offen wird über eigene Berührungspunkte mit Tod und Verlust gesprochen. Erfahrungen mit dem Thema Sterben können für andere als Hilfestellung dienen. „Wir wollen Impulse geben und die Leute da abholen, wo sie stehen“, so fasst Claudia Baumann das Anliegen des Netzwerks zusammen, das sich auch an Menschen ohne kirchlichen Hintergrund richtet. Als Selbsthilfegruppe für Trauernde versteht sich das Team ausdrücklich nicht. Trauergespräche finden deshalb nicht statt. Dafür gebe es den Hospizdienst.
Die Gruppe ist grundsätzlich offen für jeden, der sich einbringen möchte. Wer mit ihr Kontakt aufnehmen will, kann eine E-Mail schicken an info@unser-netz.info