Nein, sie haben keine blauen Haare und ihre Gesichter sind auch nicht gelb. Trotzdem heißen sie Marge und Homer - wie das Ehepaar Simpson in der gleichnamigen Zeichentrickserie. Die Großkaninchen sind zwei der insgesamt gut 150 Bewohner des Tierheims Esslingen. Ihr Tagesablauf hat sich gänzlich verändert, genau wie der Arbeitsalltag der 21 Festangestellten und vielen Ehrenamtlichen in der Einrichtung auf der Neckarinsel. Denn das Tierheim befindet sich im Corona-Modus.
Bogancs kam aus einem Tierheim in Ungarn zu einer Familie im Kreis Esslingen. Der Puli-Rüde sieht niedlich aus, hat aber seine Marotten. Er hat Angst vor Treppen und Türen, lässt sich nicht auf den Arm nehmen, verteidigt Futter und Spielzeug und schnappt zu. Seine Halterfamilie war überfordert, deshalb landete der Hund im Tierheim Esslingen. Ein tierisches Corona-Schicksal.
Durch die Coronapandemie ist aber auch die Nachfrage nach Haustieren gestiegen. Homeoffice, mehr freie Zeit durch Kurzarbeit, Einsamkeit, fehlende Sozialkontakte oder der Wegfall von Alternativangeboten sorgen für die Sehnsucht nach einem tierischen Begleiter, erklärt Tierheim-Leiter Horst Theilinger. Der Bedarf wird auch durch Hunde aus dem Ausland abgedeckt. Doch die oft unter schlechten Bedingungen gehaltenen Tiere können Probleme mit sich bringen: Oft fehlen Impfungen, Krankheiten sorgen für Einschränkungen und können sogar auf den Menschen übertragen werden. Viele dieser Tiere landen dann im Tierheim. Die großen Verlierer sind dabei Tiere wie Bogancs, die schwierig in der Haltung oder schon älter sind und nur an erfahrene Tierfreunde abgegeben werden können.
Allerdings hat sich auch der Beratungsbedarf bei Vermittlungen verringert. Das Tierheim ist coronabedingt für den Publikumsverkehr geschlossen, die Abgabe der Tiere erfolgt nur nach vorheriger Terminabsprache. Alle Tiere sind auf der Homepage der Einrichtung aufgeführt, dort können sich Interessenten vorab informieren. Der Tierheimleiter hofft, dass die Begeisterung für die vermittelten Tiere auch in Nach-Coronazeiten mit einem Ende von Homeoffice, Kurzarbeit und Lockdown anhält.
Schwierige Finanzierung
Das Virus hat den Terminkalender des Tierheims durcheinander gebracht: Veranstaltungen, Tage der offenen Tür, Info-Stände, die Teilnahme an Festen und auch Besuche fallen weg. Dadurch kommen vor Ort weniger Spenden zusammen. Doch die Online-Überweisungen haben sogar leicht zugenommen, ergänzt David Koch vom Tierschutzverein Esslingen und Umgebung als Träger des Tierheims.
Das Tierheim finanziere sich über die Beiträge der gut 1600 Mitglieder, Gelder aus Fundtierverträgen durch die Kommunen, Patenschaften, Spenden und Erbschaften. Etwa 1,2 Millionen Euro koste der Betrieb im Jahr, nur etwa 40 Prozent der Ausgaben seien durch feste, kalkulierbare Größen abgedeckt. Hinter dem Eingang und der Höhe von Spenden oder Erbschaften stehe ein großes Fragezeichen. Daher bedauert der erste Vorsitzende des Tierschutzvereins, dass von der Stadt Esslingen nur der für gemeinnützige Vereine übliche Zuschuss in Abhängigkeit zur Anzahl der Mitglieder gezahlt werde: „Dabei leisten wir zu 100 Prozent einen Beitrag für die Allgemeinheit, indem wir uns zum Beispiel um Wildtiere kümmern.“
Den Ausfall der Einnahmen aus Veranstaltungen und Präsenzbesuchen versucht der Verein, durch alternative Ideen und neue Konzepte aufzufangen. So wurden Videos auf der Homepage eingestellt, und auch Spendenaufrufe für bestimmte Projekte über die Plattform „Betterplace“ hätten sich als sinnvoll erwiesen: „Die Menschen geben lieber, wenn sie genau wissen, wofür die Gelder verwendet werden.“ So sei zum Beispiel um Unterstützung für die Neugestaltung der Hundeausläufe im Tierheim gebeten worden. Der Untergrund war matschig und rutschig gewesen, das Wasser schlecht abgelaufen, darum mussten Verbesserungsarbeiten wie das Abtragen des Bodens um 30 Zentimeter und der Einbau eines festeren Untergrunds unternommen werden. Die Kosten: etwa 30 000 Euro.
Der Bedarf an Spenden sei weiterhin vorhanden, sagt David Koch. Unvorhergesehen müsste nun auch noch das Abwasserpumpsystem aus dem Jahr 1964 ersetzt werden und die bisherige Heizung reiche für den neuen Anbau nicht aus, sodass eine komplett neue Anlage für rund 55 000 Euro notwendig wäre. Dafür müsste auf die Rücklagen zurückgegriffen werden. Alle Mitarbeitenden hoffen auf eine Normalisierung in Nach-Coronazeiten. Den „Tag der Begegnung“ im September würde Horst Theilinger gerne organisieren und die zwei Mal verschobene Mitgliederversammlung nachholen. Marge und Homer ist das egal. Die Kaninchen genießen die von Tierpflegerin Tamara Köppler gereichten Kleeblätter und machen sich anders als ihre Serien-Vorbilder nicht selbst das Leben schwer.
Weitere Infos gibt es im Internet.