Dieses Urteil hat große Auswirkungen auf unsere Musikschule“, sagt Monika Geisinger, Erste Vorsitzende des Trägervereins der Musikschule Lenningen, „eine Festanstellung unserer Lehrkräfte bedeutet zirka 20 bis 30 Prozent Mehrkosten für uns.“ Die Erhöhung der Unterrichtsgebühren sei daher unumgänglich, geplant seien zehn Prozent im neuen Musikschuljahr. Eine Erhöhung der Gebühren bis zur Kostendeckung würde dagegen viele Schüler beziehungsweise deren Eltern abschrecken: „Unser Anliegen ist es auch, Kindern aus sozial schwachen Familien das Erlernen eines Instrumentes zu ermöglichen“, betont Geisinger. Über mehr Gruppenunterricht versuche man, die Kosten zu minimieren.
Nur einen fest angestellten Lehrer gibt es aktuell an der Lenninger Musikschule, alle anderen sind Honorarkräfte. Eine Lehrkraft mit zehn Unterrichtseinheiten könne nicht ins Angestelltenverhältnis wechseln, für eine andere suche man noch eine Lösung, so Geisinger. Die übrigen Lehrkräfte müssen in Mikro- oder Minijobs wechseln. Das sei für manche uninteressant. Unterricht, der über der Minijobgrenze liege, müsse entfallen, schildert die Vereinsvorsitzende die schwierige Lage. „Die Sozialbeiträge-Last bei Minijobs trägt allein der Arbeitgeber, also die Musikschule. Wie wir das schultern sollen, ist noch offen.“ Anstellungen bedeuten zudem Lohnabrechnungen und damit weitere Kosten.
„Uns ist es wichtig, Unterricht für viele verschiedene Instrumente anzubieten. Unsere Lehrkräfte haben ein Deputat zwischen einer und zehn Unterrichtseinheiten pro Woche, fast alle sind noch an anderen Musikschulen tätig“, so Geisinger. „Das hat bei bei uns dann eine Festanstellung in Steuerklasse 6 (sozialversicherungspflichtige Nebenbeschäftigungen) zur Folge, was oft finanziell ziemlich uninteressant ist.“ Man sei mit verschiedenen Fachleuten im Gespräch und auf der Suche nach Lösungen, „die für uns auf Dauer tragbar und für die Lehrkräfte finanziell akzeptabel sind. Ohne wesentliche Erhöhung der Landes-Zuschüsse sehen wir die Zukunft unserer Musikschule und/oder die Instrumentenvielfalt gefährdet.“ Nebenbei werde für ländliche Musikschulen wie Lenningen das allgemeine Problem, gute Lehrkräfte zu finden, verschärft.
„Ich persönlich finde, dass das Urteil an der Praxis vorbei geht und unsere Arbeit sehr erschwert. Wir können nicht einfach so genügend Schüler für eine Vollzeitstelle aquirieren, meist nicht einmal für eine Teilzeitstelle. Das Herrenberg-Urteil als Einzelfall-Entscheidung, nun als Präzedenzfall gehandelt, zerstört meiner Meinung nach die kulturelle Vielfalt, nicht nur die Musikschulen betreffend", betont Geisinger.
Urteil betrifft mehrere Bereiche
In vielen Bereichen sei die Honorartätigkeit Usus. Auch in sozialen, wie der Nachbarschaftshilfe oder ambulanten Pflege, sei das Herrenberg-Urteil das Aus für viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, „und das, obwohl dort sowieso ein unglaublicher Arbeitskräfte-Mangel herrscht.“
An der Kirchheimer Musikschule läuft die gemeinsame Lösungssuche mit der Stadt. Im Gegensatz zu Lenningen überwiegen hier laut Musikschulleiterin Daniela Rathay schon jetzt die fest angestellten Lehrkräfte. Die pauschalisierte Vorgabe, keine Honorarkräfte mehr beschäftigen zu dürfen, hält sie für falsch, allein schon angesichts der unterschiedlichen Träger-Verhältnisse der Musikschulen. „Dazu wollen nicht alle Lehrenden eine Festanstellung, sondern flexibel in ihrer Entscheidung sein“, weiß Rathay, „wir schreiben sozialversicherungspflichtige Stellen aus, der Zulauf ist hier eher gering.“ An der Kirchheimer Musikschule seien auch ehemalige Lehrkräfte, die bereits in Rente sind, noch für ein paar Stunden im Einsatz. Für sie sei eine Festanstellung keine Option, weshalb sie dann wohl wegbrechen würden. Klar sei, dass es bei Honorarverträgen nicht nur darum gehen dürfe, Geld sparen zu wollen, betont Rathay, „aber den freien Willen, welche Art von Anstellung für sie am besten passt, muss man den Lehrkräften lassen.“ Eine weitere Konsequenz des Urteils sei die notwendige Erhöhung der Kurskosten, um die Mehrausgaben stemmen zu können, bestätigt Daniela Rathay. Das könne zu sinkenden Schülerzahlen führen. Aktuell sei die Kirchheimer Musikschule sehr gut besucht.
Die Lage in anderen Kirchheimer Bildungseinrichtungen
Volkshochschulen dürfen laut der Kirchheimer Vhs-Leiterin Iris-Patricia Laudacher weiter mit freiberuflichen Lehrkräften arbeiten. „Dieser Grundsatz wurde durch das Herrenberger Urteil nicht aufgehoben. Die Kriterien, die eine freiberufliche Tätigkeit definieren, sind bei uns gegeben“, erklärt Laudacher.
Auch in der Familienbildungsstätte (FBS) Kirchheim sei man nicht betroffen, sagt deren Leiterin Michaela Göhler-Bald: „Beim Herrenberg-Urteil handelte es sich um eine Honorarkraft einer Musikschule. An den Musikhochschulen müssen die Lehrbeauftragten Prüfungsleistungen für einen Abschluss abnehmen und curriculare Inhalte vermitteln. In der Musikschule fügen sie sich in ein durch diese vorgegebenes Lehrsystem ein. Die zu vermittelnden Inhalte sind an einen Rahmenlehrplan gebunden. Die Honorarkräfte sind somit in ihrer unternehmerischen Tätigkeit nicht frei.“ Das sei bei der FBS dagegen nicht der Fall.“ eis