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Das Wetter verhagelt die Kirschenernte

Obstanbau Frostschäden im März und April sowie die Trockenheit und Hitze der vergangenen Wochen hinterlassen ihre Spuren. Die Früchte sind insgesamt kleiner als sonst. Von Heike Siegemund

Von einer unterdurchschnittlichen Kirschenernte in diesem Jahr spricht Rainer Däschler aus Owen. Insbesondere die frühen Sorten hätten durch das schlechte Wetter im Frühjahr und den Nachtfrost im März und April gelitten und „tragen deshalb weniger“. Hinzu komme Pilzbefall durch das nasse Frühjahr. „Vor allem der Pilz Monilia macht uns zu schaffen“, sagt Däschler.

 

90 Prozent der Brennkirschen sind verfroren.
Ursula Kerner
macht die kalten Nächte Anfang April für den Ausfall verantwortlich. 


Darüber hinaus habe es in Owen am 22. Mai ein lokales Unwetter mit Hagel gegeben – was freilich ebenso wenig förderlich gewesen sei wie die Trockenheit der vergangenen Wochen. „In Richtung Reifezeit braucht die Kirsche Wasser“, betont Däschler. Er rechnet deshalb damit, dass die Früchte „dieses Jahr insgesamt kleiner bleiben“.
Wichtig sei beim Kirschenanbau auch das Thema Pflanzenschutz: „Die Betriebe, die beim Pflanzenschutz gar nichts gemacht haben, haben fast keine Kirschen“, verdeutlicht Däschler. „Wir behandeln gegen Monilia, aber auch gegen die Schrotschusskrankheit.“ Bei Letzterer handelt es sich um eine von einem Pilz verursachte Pflanzenkrankheit, die vor allem an Steinobst wie Kirschen auftritt. Auch gegen Wurmbefall müsse man vorgehen, fügt Däschler hinzu und nennt die beiden großen Schädlinge Kirschfruchtfliege und Kirschessigfliege.
„Ohne Pflanzenschutz kann man keine Tafelkirschen produzieren“, sagt auch Kurt Hepperle aus Neidlingen. Generell verwende man so wenig Spritzmittel wie möglich. Doch das Problem sei, dass sich die Schädlinge „großflächig vermehren“. Dies hänge auch damit zusammen, dass es auf den Streuobstwiesen viele alte Bäume gebe, bei denen die Besitzer auf Pflanzenschutz verzichten.
Auch Hepperle verweist auf die Frostschäden im Frühjahr und die geschwächten Bäume durch die Trockenheit der vergangenen Wochen. Der Ertrag sei daher „mittelprächtig“ – „trotzdem können wir zufrieden sein, ich will nicht klagen“, betont er. Durch die Trockenheit bleiben die Früchte heuer etwas kleiner, bestätigt der Neidlinger. Frostschäden habe man im Übrigen fast jedes Jahr zu verzeichnen: „Das muss man einkalkulieren.“
Auch Tobias Schmid aus Owen hat durch die Frostnächte und das schlechte Wetter im Frühjahr Ausfälle zu verzeichnen. Und auch seine Früchte sind durch die Trockenheit und Hitze etwas kleiner als sonst. Trotzdem betont er: „Geschmack und Qualität sind gut.“
Mit Blick auf die diesjährige Kirschenernte schwanke er noch zwischen „ich bin nicht zufrieden“ und „ist okay“, wie er sagt. Eine Rekordernte werde es bei Weitem nicht geben, und bei manchen frühen Sorten habe man sogar einen Komplettausfall zu verzeichnen. Dafür sei der Hagelstrich am 22. Mai verantwortlich.
Alles andere als begeistert ist Ursula Kerner aus Dettingen. „90 Prozent der Brennkirschen sind verfroren“, bedauert sie. Bei den Tafelkirschen seien es „bestimmt 60 Prozent“. Schuld daran seien die „saumäßig kalten Nächte Anfang April – für Kirschen ist das fatal“, gibt sie zu bedenken. „Und jetzt fehlt das Wasser. Ich denke, ohne Bewässerung wird man in Zukunft nicht mehr zurechtkommen.“ Der Niederschlag, der in letzter Zeit gefallen sei, sei einfach zu wenig gewesen. Dies wirke sich auf die Größe der Früchte aus.
Ursula Kerner, Rainer Däschler und Tobias Schmid betonen, dass die meisten Kunden inzwischen nur noch haushaltsübliche Mengen zum Sofortverzehr kaufen. Früher hätten die Menschen sehr viele Kirschen abgenommen, um Marmelade zu kochen oder die Früchte einzufrieren. „Zum Teil sind sogar aus dem Schwarzwald Familien gekommen und haben 20, 30 Kilo gekauft“, erinnert sich Däschler. Dies habe sich gewandelt. Auch Kurt Hepperle bestätigt diesen Trend; allerdings habe er trotzdem noch Kunden, die auch große Mengen nachfragen. „Diese melden sich dann aber vorher an.“

 

Keine Ernte ohne Pflanzenschutz

Mithilfe von sogenannten Gelbtafeln zur Schädlingsbekämpfung und Flugüberwachung wird überprüft, wie viele Schädlinge wie Kirschfruchtfliege und Kirschessigfliege unterwegs sind. Die Schädlinge steuern die mit einem Kleber bestrichenen Tafeln an und bleiben daran haften. Ist ein Flughöhepunkt erreicht, wird der Pflanzenschutz vorgenommen – auch unter Berücksichtigung, wann geerntet wird. Trotzdem kann es vorkommen, dass wenige Tage später erneut viele Schädlinge unterwegs sind. Für Kirschenanbauer ist dies besonders ärgerlich, weil sie das Spritzmittel nur begrenzt einsetzen dürfen und dies auch kontrolliert wird.
„Der Obstanbau in Baden-Württemberg ist ein Spagat – nicht nur bei uns am Albtrauf“, sagt Ursula Kerner aus Dettingen. Ein großes Problem sei, die Population der Kirschessigfliege in den Griff zu bekommen. Dieser Schädling sei ein Horror für jeden Kirschenanbauer. Es bleibe nichts anderes übrig als zu spritzen. Denn: „Niemand will verwurmte Kirschen.“ Doch die Spritzmittelsituation sei „fatal“. Es gebe nur ein zugelassenes Produkt. Ursula Kerner fordert: Die Entscheidung, wann und wie viel gespritzt wird, solle nicht am Schreibtisch getroffen werden – sondern man solle diese den Fach­leuten vor Ort über­lassen. hei