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Das Zeltspektakel Wendlingen kommt ins Schwabenalter

Event Ein bunter Haufen Ehrenamtlicher stemmt das Wendlinger Festival seit 1983 jedes Jahr. Dadurch hat sich der Verein weit über die Region hinaus einen hohen Bekanntheitsgrad erworben. Von Gaby Kiedaisch

In den vier Jahrzehnten, seit es das Zeltspektakel gibt, gab es kein Jahr, in dem das Festival nicht hatte stattfinden können. Mit einer einzigen Ausnahme: im Corona-Jahr 2020 war an eine „Zelt“-Veranstaltung auch in Wendlingen nicht zu denken. „Da hat uns etwas gefehlt“, sagt Ulrike Fritz, Ausschussmitglied im Zeltspektakelverein Wendlingen-Köngen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Das 40. Zeltspektakel steigt vom 5. bis 8. Oktober wieder wie im vergangenen Jahr am gewohnten Platz beim Freibad.

Seit 1983 feilt der Zeltspektakelausschuss jedes Jahr an einem neuen Programm unterschiedlicher Genres. Ein bunter Haufen von aktuell etwa 20 Mitgliedern überlässt an den vier Festival-Tagen nichts dem Zufall und macht die Location in einem echten Zirkuszelt zu einem Erlebnis für das Publikum. Bei jedem Zeltspektakel muss die komplette Infrastruktur für Wasser, Strom, Toiletten aufgebaut, verlegt und angeschlossen werden. Auch den Zeltaufbau mit Bühne und Bestuhlung nehmen die Mitglieder selbst in die Hand.

Es gibt kaum jemanden im Vereins-Ausschuss, der nicht seit mindestens drei Jahrzehnten mit von der Partie ist. Am längsten dabei sind seit 40 Jahren die Zeltspektakel-Mitbegründer Hansjörg Fritz und Michael Pukrop, besser bekannt als „Puki“.

Dass sich die „Spektakler“ wie in einer großen Familie fühlen, liegt auf der Hand. „Auch außerhalb des Vereins in der Freizeit haben sich Freundschaften gebildet. „Jeder hat seine Arbeit und jeder vertraut dem anderen, sagt Hansjörg Fritz. „Wir wollen beweisen, dass wir es können und investieren dafür viel Zeit. Vieles ist heute entspannter als früher. Wir haben auch dazu gelernt.“ Womöglich ist also wirklich was dran an dem Spruch, dass der Schwabe erst mit 40 g’scheit wird. Also auch erwachsen, zwinkert Fritz und schmunzelt.

Bei Guildo Horn ging das Bier aus

Trotz beschränkter finanzieller Mittel schafften es die Zeltspektakler immer, dass bekannte Bands und Künstlergrößen auftraten wie die Puhdys, Wolfgang Niedecken oder Roger Chapman and the Shortlist. Sie hatten aber auch immer einen guten Riecher für Künstler, die erst nach ihrem Auftritt beim „Zelt“ einem Millionenpublikum bekannt wurden, wie Guildo Horn mit den Orthopädischen Strümpfen. Die waren im Herbst 1997 beim Zeltspektakel und ein paar Monate später beim Grand Prix d‘Eurovision. Der Auftritt von Guildo Horn ist bis heute legendär. Damals schauten Hunderte von Zuschauern auf dem St-Leu-la-Foret-Platz in Wendlingen dem Spektakel zu. „Vor drei Fernsehgeräten vom Häfner“, sagt Hansjörg Fritz kopfschüttelnd, wenn er an die einfache Ausrüstung von damals denkt. Keiner wusste so recht, wieviele Zuschauer bei dem Eurovisions-Event mit den Spektaklern mitfiebern wollten. „Mit etwa 100 haben wir gerechnet“, erinnert sich „Puki“. Die Resonanz sei überwältigend gewesen. 600 seien gekommen. Das Bier sei ausverkauft gewesen, obwohl mehrfach bei der Getränkehandlung von Klaus Köster für Nachschub gesorgt worden war. Am Ende war auch dessen Lager leer getrunken.

In bester Erinnerung sind auch die Film-Spektakel-Events mit Hunderten von Menschen wie „Die Feuerzangenbowle“, stilecht natürlich nur mit einer Feuerzangenbowle. „Wir haben immer wieder besondere Orte ausgesucht mit Atmosphäre“, sagt Hansjörg Fritz. 2021 war die Neckarspinnerei Ort des Zeltspektakels. Eine einmalige Kulisse zwischen den historischen Fabrikhallen, die auch vor wenigen Tagen für das Spinnerei Spektakel wieder genutzt werden durfte.

 

Da wurden wir buchstäblich von den Besuchern überrannt.
Hansjörg Fritz
Der Zeltspektakel-Mitbegründer erinnert an den 25. Geburtstag des Spektakels am Schäferhauser See.

 

Einen nachhaltigen Eindruck hat auch das See-Spektakel hinterlassen, nicht nur wegen der Künstler. Anlässlich 25 Jahre Zeltspektakel feierte man am Schäferhauser See. „Da wurden wir buchstäblich von den Besuchern überrannt“, sagt Fritz. Bereits während des Aufbaus kamen die ersten Gäste. Ihnen wurde auch fürs Auge etwas geboten: Mithilfe von Dieter Gall und weiteren Feuerwehrkollegen hatten sie eine Vorrichtung für eine Fontäne im See aufgebaut. Eine gigantische Wasserfontäne, die farblich beleuchtet wurde, ergoss sich zur Freude der Besucher in den See.

Die Neckarspinnerei in Unterboihingen hat sich als tolle Festival-Location entpuppt. Auf dem Foto ist ein Teil des Zeltspektakel-Ausschusses zwischen den Fabrikhallen zu sehen. Foto: Gaby Kiedaisch

Unter den Hunderten von Künstlern, die das Zeltspektakel geprägt haben, waren Liedermacher wie Georg Danzer, Ambros oder Konstantin Wecker, der nur wenige Tage nach seinem Auftritt in den Knast musste. Viele Erinnerungen werden wach bei Kabarettisten wie Werner Schneyder, Ottfried Fischer, Lisa Fitz, Uli Keuler, Christoph Sonntag, Django Asül, Matthias Richling, die kleine Tierschau, die Leipziger Pfeffermühle oder die Lach- und Schießgesellschaft aus München. Weil beim Zeltspektakel immer auch internationale Künstler und Bands auftreten, gibt es einige schöne Anekdoten, die unter der Rubrik „andere Länder, andere Sitten“ von den Spektaklern kolportiert werden, wie die von „Four men and a dog“. Die Künstler aus Großbritannien wünschten sich deutsches Bier, damals gab es noch die Plochinger Brauerei Waldhorn. Beim Anblick des Etiketts soll der Sänger einen Stoßseufzer gen Himmel gerichtet haben: „Jesus!“. Was stand drauf? „Plochinger hell“. Für den Sänger, des Deutschen nicht mächtig: die Plochinger Hölle. Das Teufelszeug soll aber trotzdem geschmeckt haben.