Lenninger Tal
Dem Most ein modernes Image verpasst

Innovation Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah, dachten sich die gebürtigen Lenninger Marc Allgaier und Ricky Renz. Sie verkaufen Most, und zwar ihren „Pöbelmost“. Von Marion Brucker

Marc Allgaier und Ricky Renz sitzen in der Küche von Allgaiers verstorbener Großmutter und stoßen mit einem Gläschen Most an. Ungewöhnlich rot schimmert er, fast sieht es aus, als ob sich die beiden jungen Männer mit Rotwein zuprosten. Es ist ihre Lieblingssorte: Apfel-Birnenmost mit Kirschen, auch wenn es beiden schwerfällt, sich für eine der vier Geschmacksrichtung ihrer selbstgemachten Moste zu entscheiden. Rund 1600 Liter haben sie in der vergangenen Saison erstmals produziert, von rund 200 Apfel- und Birnbäumen im Lenninger Tal, und dabei gut zwei Tonnen Obst verarbeitet. Ihr Ziel: dem Most ein modernes Image zu verpassen und damit zum Erhalt der Streuobstwiesen in ihrer Heimat beizutragen.

„Wir verstehen uns nicht als kommerzieller Betrieb, sondern wollen die Tradition am Leben erhalten“, erklärt Allgaier, der mittlerweile in Stuttgart lebt. Der 28-jährige Kommunikationsgestalter hat sich dazu mit dem 23-jährigen Ricky Renz zusammengetan, der derzeit eine Ausbildung als Fachinformatiker macht. Gemeinsam produzieren und vermarkten sie nebenberuflich unter dem Namen „Pöbelmost“ ihre neuen Sorten. Und sie treten damit in die Fußstapfen ihrer Vorfahren: „Unsere Eltern und Großeltern hatten schon immer mit Obstbau zu tun“, erklären die beiden gebürtigen Lenninger. Allgaiers 85-jähriger Großvater Alfred Allgaier hat sogar schon einige Mostprämierungen gewonnen. Er hat dem Enkel Tipps gegeben, wie ein edler Tropfen in den Fässern gärt. Nur mit natürlicher Hefe, ohne Enzyme produzieren sie den Most. „Er soll schmecken, nach dem Wetter, dem Boden und der Sonne, unter der er herkommt“, sagt Allgaier.

 

„Wir verstehen uns nicht als kommerzieller Betrieb.
Marc Allgaier
Der Jungunternehmer über die Intention, mit dem Most eine Tradition zu erhalten

 

Und weil die beiden, die ihren „Pöbelmost“ als Projekt sehen, sich vorgenommen haben, dass ihr Most dem Bier Konkurrenz macht, experimentieren sie mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. Neben dem Klassiker Apfel-Birnenmost gibt es außer dem mit Kirsche noch einen mit Wacholderbeeren und Ingwer. Letzterer sei erfrischend und besonders als Sommergetränk geeignet. „Der ist eher für die Frauen und lässt sich mit einem Radler vergleichen“, meint Allgaier, während der Wacholder eine Gin-Note habe. Zwei Drittel der Abnehmer seien bislang Männer, ein Drittel Frauen zwischen 20 und 40 Jahren. Vor allem im Freundeskreis vertreiben sie den Most und über Mundpropaganda. Erste Interessenten aus der Gastronomie in Stuttgart und Gomadingen haben sie dadurch schon gefunden. Außerdem haben sie 27 Unterstützer bei ihrer Crowdfunding-Aktion gewonnen und 1300 Euro eingesammelt, 300 Euro mehr als anvisiert waren. Mit dem Geld wollen sie sich besser ausrüsten, das Lager ausbauen und eine Etikettiermaschine kaufen. Noch kleben sie jedes Etikett von Hand auf die Flasche. Je nach Wunsch kann sich der Kunde den „Pöbelmost“ mit unterschiedlichen Motiven wie Bube, Dame, König, Gaukler, Pirat, Newton oder Wahrsagerin bestellen. Ein Künstler hat die Etiketten gestaltet. Alle Motive haben mit dem Apfel zu tun. Allgaier erklärt: „Der König hält den Reichsapfel in der Hand, die Wahrsagerin schaut in die Apfelglaskugel und Newtons Apfel wird von der Schwerkraft angezogen.“

Derzeit ist der Most in der 0,75-Liter-Flasche oder in der 0,33-Liter-Flasche nur per E-Mail zu bestellen, doch irgendwann soll es auch einen Onlineshop geben. Schließlich sollen viele Menschen ihren Most trinken, statt Getränke aus fernen Gefilden. „Wir wollen die Menschen einfach davon überzeugen, dass es regional gute Produkte gibt“, sagt Renz. So werde das Klima geschont und mit den Streuobstwiesen Biodiversität erhalten. Das bedeute Lebensqualität. Auf diese können die beiden mit ihrem Most anstoßen.

 

Info: Alles über den „Pöbelmost“ gibt es auf der noch im Aufbau befindlichen Homepage unter http://poebelmost.com