Für mehr gegenseitigen Respekt und Solidarität in schwierigen Zeiten sind am Freitagabend in Esslingen und Ostfildern viele Bürgerinnen und Bürger auf die Straße gegangen. Seine Stadt zeige klare Kante gegen jeglichen Versuch, die Demokratie zu zerstören, sagte Ostfilderns Oberbürgermeister Christof Bolay bei einer von einem überparteilichen Aktionsbündnis getragenen Kundgebung. Rund 200 Menschen hatten sich dazu auf dem Stadtplatz im Scharnhauser Park versammelt – trotz Kälte und Schneetreiben.
Beleidigungen, Hetze und Hass werde man nicht zulassen, sagte der Rathauschef an die Adresse von Corona-Leugnern, Querdenkern und Verschwörungstheoretikern. Man dürfe in diesem Land gegen alles demonstrieren. Nur müsse man sich an die Regeln halten. Denn Freiheit bedinge auch immer, die Freiheit des anderen zu respektieren. „Es tut sehr gut, diesen Anblick zu haben“, so Bolay. Er wertete dies auch als Solidarität mit ihm selbst. Denn er hatte in jüngster Vergangenheit viele Beleidigungen, Hass-Mails und sogar Morddrohungen hinnehmen müssen, nachdem er „Spaziergänge“ per Allgemeinverfügung untersagt hatte. Die Kritik entzündete sich vor allem daran, dass bei Zuwiderhandlungen auch Waffengebrauch angedroht ist.
Auch er sei mit vielen Entscheidungen in der Corona-Krise nicht einverstanden, räumte CDU-Stadtverbandschef Michael Brucker ein. Doch gehöre er wie die überwiegende Mehrheit zu den Menschen, die die Regeln kritisch einhielten. Als „klares Zeichen für Demokratie und solidarisches Miteinander“ wertete Marc Dreher von den Linken die Kundgebung. Man müsse zurückkehren zu einem demokratischen Diskurs, mahnte er. Wir alle hätten die Werkzeuge zur Bewältigung der Krise selbst in der Hand, sagte Anja Raatzsch. „Lasst uns zusammenstehen“, so die Grünen-Politikerin.
Bei der Veranstaltung auf dem Esslinger Rathausplatz war der Zulauf noch größer. Trotz des regnerischen Wetters nahmen knapp 700 Leute an der Kundgebung teil. Ein großer Erfolg sei das, erklärt Peter Schadt vom Deutschen Gewerkschaftsbund, der Verband ist Initiator der Aktion. Alt und Jung, alle mit Abstand und Maske, hörten den Reden von Oberbürgermeister Matthias Klopfer, der Geschäftsführerin des SGB, Julia Friedrich, und des leitenden Pfarrers der katholischen Gesamtkirchengemeinde, Stefan Möhler, zu. Es sei für ihn eine Selbstverständlichkeit hier zu reden, sagte Klopfer. Hinzu käme die persönliche Verbundenheit mit seinem Kollegen Bolay in Ostfildern. „Es hat erschreckende Ausmaße angenommen“, kritisierte er. Die Pandemie sei für jeden Menschen belastend. Doch er erinnerte daran, dass man sich weiterhin an die Regeln halten müsse. Betroffen habe ihn vor Kurzem der Anruf einer Mitarbeiterin gemacht, ihre Eltern seien beide innerhalb von zwei Wochen wegen Corona gestorben. „Das ist noch Teil der Situation“, mahnte er.
Friedrich freute sich sehr darüber, dass mehr als 30 Organisationen und so viele Teilnehmer dem Aufruf gefolgt sind. „Wir sind hier, weil wir befürchten, dass eine kleine und radikalisierende Gruppe mit ihren Spaziergängen so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, dass der Eindruck zu entstehen droht, sie seien die Mehrheit.“ Bei diesen Worten ertönten Pfiffe aus den hinteren Reihen.
Einzelne Störer standen am Rande der Kundgebung und hielten Transparente wie „Solidarität = Gleichbehandlung von Ungeimpften“ in die Höhe. Sogleich standen Polizisten bereit, um im Falle einer Eskalation einzugreifen. Doch es blieb ruhig in der Esslinger Innenstadt.