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Denkmal- und Klimaschutz Hand in Hand

Umwelt Um die Klimaziele zu erreichen, muss Esslingen auf Photovoltaik setzen. In der Altstadt ist das umstritten. Ein Modellprojekt soll zeigen, wie eine denkmalverträgliche Energiewende aussehen kann. Von Alexander Maier

Experten sind sich einig: Wenn die Energiewende gelingen soll, muss die Bedeutung der Sonnenenergie deutlich zunehmen. Vielerorts ist es kein Problem, Photovoltaikanlagen auf Dächern zu installieren. Doch in einer historischen Altstadt wie der in Esslingen spielt neben energetischen und baulichen Erwägungen auch der Denkmalschutz eine wesentliche Rolle. Deshalb wird schon länger intensiv darüber diskutiert, ob und wie sich die Stadt bewegen muss. Ein Modellprojekt für eine denkmalverträgliche Energiewende in der Innenstadt soll 2023 starten. Im Ausschuss für Technik und Umwelt (ATU) des Gemeinderats hat die Stadtverwaltung ihre Überlegungen nun vorgestellt.

Charakter soll erhalten bleiben

Mit einer sogenannten Gesamtanlagensatzung will die Stadt den Charakter der mittelalterlichen Reichsstadt und deren Erweiterungsgebiete im Westen und Osten der Innenstadt erhalten. Dieser Bereich der Stadt besitzt nach Einschätzung von Denkmalpfleger Andreas Panter „herausragende Bedeutung“. Deshalb soll das äußere Bild, das sich von den umgebenden Hängen aus bietet, ebenso bewahrt werden wie das innere Bild, das durch die historische Bebauung an den Straßen und Plätzen sowie durch die Grün-, Frei- und Wasserflächen geprägt ist. Dennoch ist Panter überzeugt, dass sich viele Möglichkeiten ergeben, die Interessen von Klima- und Denkmalschutz zu verbinden: „Wir verschließen uns diesem Thema nicht. Eine denkmalgerechte Energiewende braucht viele Bausteine.“ Neben der möglichen Nutzung von Solaranlagen in der denkmalgeschützten Gesamtanlage will die Stadt weitere regenerative Energiequellen prüfen, die sich denkmalgerecht mit den Schutzzielen vereinen lassen (siehe Anhang).

Im Rahmen des Modellprojekts entwickelt die Stadt Esslingen ämter- und abteilungsübergreifend gemeinsam mit externen Partnern verschiedene Projektbausteine zur Nutzung regenerativer Energien in der Gesamtanlage. Dabei soll auch die Öffentlichkeit einbezogen werden. Am Ende soll eine Gestaltungssatzung stehen, die ein Solarkataster und einen Kriterienkatalog zur denkmalverträglichen Errichtung von Solaranlagen in der Gesamtanlage liefert. Parallel dazu soll es Musterprojekte geben, die zur Reduktion des Energieverbrauchs und der denkmalverträglichen regenerativen Energiegewinnung beitragen. So will das Modellprojekt „dazu beitragen, dass möglichst alle privaten Haushalte erneuerbare Energien nutzen können und das Bild der Gesamtanlage gleichzeitig bewahrt bleibt“.

Im ATU waren die Meinungen geteilt. Andreas Fritz (Grüne) hätte sich mehr gewünscht: „Wegen des fortschreitenden Klimawandels brauchen wir größere Ambitionen. Für uns stellt dieses Konzept eher das Minimum dar.“ Allein mit Photovoltaik in der Altstadt lasse sich die Energiewende nicht erreichen. Wichtig ist für Fritz, dass dort das pauschale Verbot von Photovoltaik vom Tisch kommt und dass die Menschen dort Möglichkeiten erhalten, etwas für das Klima zu tun und güns­tigere Ener­gie zu nutzen. Heidi Bär (SPD) begrüßt es, dass sich die Stadt nun auf den Weg macht, Potenziale zu ermitteln und so weit wie möglich zu nutzen. Verzögerungen auf dem Weg dorthin seien nicht der Verwaltung anzukreiden.

Eberhard Scharpf (Freie Wähler) erinnerte daran, dass der Einzugsbereich der Gesamtanlagensatzung lediglich knapp sechs Prozent der Esslinger Dachflächen ausmache und dass nicht jedes der dortigen Dächer für die Installation von Photovoltaikanlagen geeignet sei. Es sei wichtig, „alle Energiemöglichkeiten im Baubestand zu nutzen“. Deshalb müsse es möglichst wenige bürokratische Hürden geben. Ulrich Fehrlen (FDP) findet es wichtig, alle technischen Möglichkeiten zu nutzen. Gerade in der Altstadt sei es nicht zwingend, nur die handelsüblichen Solarpaneele zu nutzen, sondern auch über Alternativen nachzudenken. Sein Wunsch: „Die Stadt sollte bei ihren Gebäuden mit gutem Beispiel vorangehen.“

Karin Pflüger (CDU) erinnerte daran, dass jedes Gebäude seine eigenen Möglichkeiten zur Ener­gieeinsparung biete und dass es auch im denkmalgeschützten Bestand interessante Optionen gebe, die individuell zu nutzen seien. Sie bezweifelt, ob wirklich jeder Hauseigentümer in der Altstadt, der Photovoltaik künftig installieren dürfte, diese Möglichkeit auch nutzen würde. Viel eher solle die Stadt darauf hinwirken, dass umweltbewusste Altstadtbewohner die Möglichkeit erhalten, „über Genossenschaften Energie dort zu erzeugen, wo es niemanden stört“. Für Johanna Renz (Linke) ist das Modellprojekt zur denkmalverträglichen Energiewende „ein guter Vorschlag, der einen Weg der Mitte geht“. Sie begrüßt den Gedanken, möglichst viele Möglichkeiten auszuprobieren und hinterher zu überprüfen, was sich bewährt hat und was eher nicht. Das sieht auch OB Matthias Klopfer so: „Wir müssen schauen, dass sich diejenigen, die Verantwortung für unser Klima übernehmen wollen, nun auf den Weg machen können.

 

Energiewende in der Altstadt

Modellprojekt In enger Zusammenarbeit mit den Städtischen Gebäuden (SGE), den Stadtwerken (SWE) und dem Tiefbauamt möchte die Verwaltung mit ihrem Modellprojekt denkmalgerechte Beispiele entwickeln zur Energieeinsparung und regenerativen Energiegewinnung in der Altstadt.

Bausteine Neben rechtssicheren Grundlagen für die Nutzung von Solaranlagen in der historischen Altstadt hat die Stadt weitere Möglichkeiten im Blick. Gedacht wird etwa an die Nutzung der im Wasser der Neckarkanäle gespeicherten Wärme, die Nutzung der Abwasserwärme der Kanalisation und die Nutzung der Wasserkraft. Für Altstadtbewohner, die etwas für die Energiewende tun wollen, jedoch keine Photovoltaikanlagen auf ihren Dächern installieren können, sollen Investitionsmöglichkeiten in Solaranlagen auf nicht denkmalrelevanten Dachflächen im Stadtgebiet eröffnet werden. Quartierbezogene Heizungsanlagen wie Blockheizkraftwerke und eine Nahwärmeversorgung können ebenso etwas bringen wie der Umstieg auf moderne Heizungstechnik wie Brennstoffzellenheizung, Brennwertkessel, Wärmepumpenheizung oder Kraft-Wärme-Koppelung. adi