Am Eingang des Stuttgarter Sitzungssaals bildete sich zum Prozessbeginn eine lange Schlange. Die 9. Schwurgerichtskammer des Landgerichts hatte Einlasskontrollen angeordnet.
Angeklagt ist ein 53-Jähriger. Der aus dem Kosovo stammende Mann soll im vergangenen Juli in Reudern seine Frau und den Lebensgefährten seiner Tochter erschossen haben. Vorausgegangen sei ein Streit in der Familie. Der Angeklagte schwieg im Prozess. Er hatte sich allerdings schon im vergangenen Sommer gegenüber dem psychiatrischen Gutachter Peter Winckler zur Tat geäußert.
Dem hatte der Angeklagte zunächst gesagt, er habe gar nicht anders handeln können als seine Frau und seinen Quasi-Schwager zu erschießen. Denn seine Frau habe ihn verlassen wollen und der Lebensgefährte seiner Tochter die ganze Familie gegen ihn aufgehetzt mit Lügengeschichten. In der Ehe habe es immer wieder Streit gegeben - das sagte der Angeklagte ebenso wie dessen Tochter, die als Zeugin geladen war.
Doch seit einiger Zeit habe sich die Situation verändert, hatte der Angeklagte dem Psychiater gesagt. Seine Frau habe sich schick gemacht - und das trotz fünf Kindern, und sie habe sich ein eigenes Bankkonto eingerichtet. Alles Dinge, die er ihr nachsehen könne, auch wenn es ihn verletzt habe. Außerdem habe sie sehr viel Zeit mit ihren Töchtern verbracht - das Paar hat fünf Kinder, einen Sohn und zwei Töchter im Erwachsenenalter und zwei deutlich jüngere Töchter. Alle waren zum Tatzeitpunkt im Haus der zweitältesten Tochter in Reudern.
Polizeibekannter Sohn schweigt
Der Sohn, der seinen Vater bei der Tat begleitete, war ebenfalls als Zeuge geladen. Er verweigerte jedoch die Aussage. Für das Gericht war er kein Unbekannter - er war im Rahmen des Prozesses gegen die Jugendbande Black Jackets verurteilt worden und saß von 2009 bis 2012 in Haft.
Vater und Sohn hätten das Haus aufgesucht. Der Angeklagte sei zur Haustür gegangen, der Sohn sei durch den Garten zur Terrasse gegangen. Man habe reden wollen, zitierte Winckler den Angeklagten. Doch das Gespräch eskalierte - die Frau hatte wohl kurz zuvor ihre Sachen aus der gemeinsamen Wohnung geholt. Der Lebensgefährte der Tochter bat seinen Schwiegervater, das Haus zu verlassen und die Streitigkeiten bei sich auszutragen. Auch die Frau des Angeklagten schickte ihn fort. Es sei zu einem Gerangel gekommen. Der Angeklagte zog seine Frau an den Haaren - sie zerriss ihm das Polohemd. Dann ging der Angeklagte und fuhr mit seinem Sohn davon - kehrte aber kurz darauf wieder zurück. Der Partner seiner Tochter versperrte ihm den Weg durchs Gartentor. Seine Frau stand daneben und wollte, nach Aussage ihrer Tochter, anbieten, für ein klärendes Gespräch mitzukommen. Doch der Angeklagte ging zum Auto und holte eine Pistole aus dem Handschuhfach. Er schoss dem 40-jährigen Mann in den Kopf und tötete danach seine Ehefrau, die versuchte, wegzulaufen. Dann ging er ins Haus und suchte, so schilderte es die Tochter, seine älteste Tochter. Sie sei ebenfalls bei ihm in Ungnade gefallen, weil der Freund der jungen Frau dem Vater nicht passte - er sei türkischer Herkunft gewesen.
Schnaps schon zum Frühstück
Ihr Vater sei Alkoholiker, schilderte die Zeugin - er habe sich morgens Zwetschgenschnaps in den Kaffee getan. Auch der Angeklagte hatte gegenüber dem psychiatrischen Gutachter geschildert, dass er am Tattag sieben oder acht Bier getrunken habe, zusammen mit seinem Sohn auf seinem Gartengrundstück. Dort, so hatte er ihm berichtet, hatte er auch die Tatwaffe her. Die habe er dort gefunden, als er das Gütle gekauft hatte. Am Tattag habe er die Waffe mit in den Garten genommen, um sie dort zu reinigen. Das Magazin sei geladen gewesen, weil es defekt war und er es reparieren wollte. Als die Enkelkinder zum Spielen in den Garten kamen, habe er die Waffe ins Handschuhfach seines Autos gelegt. Und vergessen - bis zum Streit am Abend. In einem späteren Gespräch hatte er dem Gutachter gesagt, dass er niemanden töten wollte. Er wollte mit der Waffe, einer P08 Luger, lediglich drohen. Aber die Waffe sei frisch geölt gewesen. Die Schüsse hätten sich einfach gelöst.
Kurz nach den Schüssen rief der Angeklagte selbst den Notruf. Die Aufzeichnung des Gesprächs wurde im Gericht vorgespielt. „Ich habe zwei Menschen erschossen“, sagte er dem Beamten am anderen Ende der Leitung. Die Waffe liege entladen auf dem Tisch.