Lenninger Tal
Der Bühlberg zeigt auf kleinem Raum eine große Baumvielfalt

Natur Förster Alexander Klein gibt im Rahmen des „Waldfühlprogramms“ in Unterlenningen tiefe Einblicke in den klimabedingten Umbau der Wälder. Von Iris Häfner

Einmal rund um den Bühl mit Revierförster Alexander Klein marschiert und schon ist man auf wenigen, fast ebenen Metern umfassend über den Wald im Allgemeinen und den Lenninger Forst im Besonderen bestens informiert. Auf kleinstem Raum gibt es dort viele Kleinklimazonen.

Steil geht es den Bühl hinauf zur Sportanlage, dem Treffpunkt zur Führung „So schön bunt hier“. Die findet im Rahmen des „Waldfühlprogramms“ des Kreisforstamts statt. Umfassend wird dabei über den Wald in Zeiten des Klimawandels informiert. Die Lenninger Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind vorbildlich, sie scheuen den Anstieg nicht, die Auswärtigen lassen die PS schaffen. Nach einer kurzen Einführung zwischen Sportheim und Tartanbahn geht’s zum wenige Meter entfernten ers­ten Halt. Am Heck eines Autos ist ein Blätterbündel am Scheibenwischer festgemacht, ein Kiefernzapfen behütet das Ganze. Alexander Klein schnappt sich alles, lässt ein Blatt nach dem anderem durch die Reihen gehen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Führung staunen nicht schlecht, was es auf dem Bühl an Baumarten gibt: Schwarzkiefer, Linde, Spitz­ahorn, Elsbeere, Mehlbeere, Buche, Eiche, Esche und viele weitere. „Diese Vielfalt ist ein Riesenvorteil für mich als Förster. Die Kiefer wurde vermutlich als einzige Art gepflanzt, alle andere sind natürlich hier gewachsen“, sagt Alexander Klein. Sogar Wacholder findet sich, weshalb er von der Aufforstung einer Heide ausgeht. Das Ganze fand laut Forsteinrichtungsplan vor 120 Jahren statt. So alt sind die Kiefern, die die Waldbesucher auf maximal 70 bis 80 Jahren geschätzt haben.

 

Die Fichte ist den Menschen ähnlich. Bis 40 funktioniert alles, mit 50 fangen die Zipperlein an.
Revierförster Alexander Klein
 

„Vorher waren wir auf einem südexponierten Standort, jetzt ist es gefühlt sechs bis acht Grad kälter. Die Baumarten ändern sich schlagartig. Es sind Buche, Ahorn und Eiche, der Elsbeere ist hier zu kalt“, erläutert er. Die Förster müssen mit Wasser, Luft und Boden jonglieren, das ist Erfahrungssache. „Es gibt kein Schema F“, sagt er. Sein Lenninger Revier besteht zu 91 Prozent aus Laubbäumen, nur neun Prozent Nadelholz findet sich dort. Trotzdem will er auf die Fichte nicht verzichten. „Dort leben viel mehr Tiere als in Laubwäldern, es gibt mehr Nahrung für Insekten und Vögel – für die Spechte auch den Borkenkäfer“, fügt er augenzwinkernd hinzu. 

Buchenlaub verrottet schnell. „Das ist eine super Basenpumpe und nährstoffreich. Laubwälder düngen sich selber“, sagt Alexander Klein und kommt auf die kostenfreie Arbeit des Waldes zu sprechen. Würde man alles in Rechnung stellen, kämen allein in seinem Lenninger Revier zig Millionenwerte raus. Sein Wald speichere CO2 für etwa fünf bis sieben Millionen Euro, wenn er die CO2-Steuer bei 25 bis 30 Euro pro Tonne zugrunde legt. „Wir müssen die Debatte verfolgen, es soll ja möglicherweise auf 65 Euro erhöht werden. Die Luft hat einen hohen Wert. Wir Forstleute sind zu bescheiden. Wir sagen, das regeln wir über den Holzverkauf – und die Landwirtschaft kassiert aber viele Subventionen“, sagt der Förster.

Der Wald sieht beim zweiten Halt auf dem Bühlrundweg in Unterlenningen deutlich anders aus als beim ersten. Vom südexponierten Hang ging es auf die Ostseite mit Blick zum Sattelbogen. Hier ist es gefühlt sechs bis acht Grad kälter, Buchen, Eichen und Ahorn sind hier zu Hause. Foto: Carsten Riedl

Es geht um den Umbau der Wälder, die mit dem schnellen Klimawandel zurechtkommen. „Walnuss scheint als Tiefwurzler ein Klimagewinner zu sein. Eichelhäher und Eichhörnchen verteilen die Nüsse und finden sie dann nicht mehr“, sagt Alexander Klein. Kalk müssen die Bäume in seinem Revier vertragen und notfalls eine Frostnacht mit minus 20 Grad überstehen können, weshalb die Baumarten begrenzt sind. Doch Temperaturen sind das eine, die Trockenheit das andere Problem, mit dem die Bäume klarkommen müssen. Die Verdunstung ist deutlich höher als noch vor Jahren. 

„Meine alten Buchenwälder fasse ich mit Samthandschuhen an. Ich bin vorsichtiger als früher – uns fehlen schlicht langfris­tige Daten“, sagt der Förster. Mit zwei Grad mehr wird bis 2050 gerechnet. „Das wäre handelbar. Das ist die Temperaturdifferenz von Brucken im Tal und dem Brucker Hölzle – auf der Alb ist es halt einen Kittel kälter. Bei vier Grad Erwärmung, was viele bis in 100 Jahren als realistisch ansehen, ist es kritisch. Das war seit der letzten Eiszeit hier bei uns der Fall. In 11 000 Jahren können sich die Pflanzen an diese Bedingungen anpassen, nicht aber in 100 Jahren“, verdeutlicht Alexander Klein die Problematik, mit der er und sein Berufsstand aktuell zu kämpfen hat. Aus seiner täglichen Arbeit weiß er: Der Klimawandel ist da.