Für Kristina Stivadoros und ihre Familie scheint sich alles zum Guten zu wenden: Wie am Samstag berichtet, waren Mutter und Schwester auf dem Weg, die Ukraine in Richtung Westen zu verlassen, nachdem die 16-jährige Nichte bereits
an Hilfsbereitschaft erfahren haben.
mit dem Flugzeug in München gelandet war. Inzwischen ist die Mutter ebenfalls bei Familie Stivadoros in Hochdorf angekommen. Ihr Fluchtweg in den Westen ist ein Zeichen nachbarlicher Solidarität – gleich in doppelter Hinsicht.
{paidcontent}Zunächst war es ihre eigene Nachbarin, die sie im Auto mitgenommen hat in Richtung Polen. „Die Nachbarin ist zu Verwandten nach Oppeln gefahren und hat meine Schwiegermutter mitgenommen“, berichtet Marcus Stivadoros. Der Weiterweg wiederum ist einem Hochdorfer Nachbarn zu verdanken. Man kennt sich einerseits aus der Nachbarschaft und andererseits, weil die Kinder befreundet sind. „Dieser Nachbar hat meiner Frau spontan angeboten, mit ihr gemeinsam die 800 Kilometer bis Breslau zu fahren.“
Tatsächlich ging es dann sogar über Breslau hinaus bis nach Oppeln. Dort konnte Kristina Stivadoros ihre Mutter begrüßen und sie dann in die Obhut des hilfsbereiten Nachbarn übergeben. Der hat sie nach Hochdorf mitgenommen, wo die beiden am Montag gegen 4 Uhr morgens wohlbehalten angekommen sind.
Kristina Stivadoros ist unterdessen in Polen geblieben. In Breslau wartet sie auf ihre Schwester. Diese wiederum war mit einem Bus von Kiew aus unterwegs, um über eine weniger frequentierte Grenze nach Polen zu gelangen. Der Bus war voll besetzt mit Frauen und Kindern. Gesteuert hat ihn der Mann der Schwester. Er wollte aber nicht im sicheren Westen bleiben, sondern wieder zurückfahren in die Ukraine.
Der Schwager will notfalls sogar kämpfen
„Mein Schwager will in der Ukraine helfen. Wenn es sein muss, will er sogar gegen die Invasoren kämpfen“, erzählt Marcus Stivadoros. Er geht davon aus, dass Frau und Tochter ihm dringend von einem Kampfeinsatz abraten wollen. Es wird sich zeigen, wie seine Entscheidung ausfällt. Ganz ungestreift kam auch der Bus nicht durch das Kampfgebiet in der Ukraine: Marcus Stivadoros hat erfahren, dass der Bus unter Beschuss geraten war: „Beinahe wären sie getroffen worden. Aber zum Glück ist alles gut gegangen.“
Eine ganz andere Schwierigkeit sind inzwischen die langen Staus an der Grenze: „Meine Schwiegermutter war dort etwas länger als einen Tag. Jetzt ist der Stau auf ungefähr 40 Kilometer angewachsen – und um einen Kilometer vorwärts zu kommen, braucht man etwa fünf Stunden.“ Es ist also kein Wunder, dass Marcus Stivadoros den Gemütszustand seiner Schwiegermutter als eine Mischung beschreibt, die irgendwo zwischen aufgewühlt und euphorisiert liegt: „Das ist wie bei jemandem, der viel zu viel Kaffee getrunken hat – was wahrscheinlich auch noch zusätzlich der Fall war.“
Die ganz große Euphorie dürfte ausbrechen, wenn die gesamte Familie wieder vereint ist, wenn also auch Kristina und ihre Schwester per Bahn aus Breslau über Berlin nach Stuttgart gelangen. Lediglich der Mann der Schwester wird schmerzlich vermisst – weil er sich wieder bewusst in Gefahr begibt, um Land und Leuten zu helfen.
Die Hilfsbereitschaft ist es, die Marcus Stivadoros zutiefst beeindruckt. Das bezieht sich nicht nur auf die jeweilige „Nachbarschaftshilfe“. Vor seinem Nachbarn, der spontan die Fahrt bis hinter Breslau auf sich genommen hat, zieht er den Hut. „Aber auch bei der Arbeit kommen sie meiner Frau sehr entgegen. Kristina arbeitet für eine mexikanische Firma. Sie hat für die Fahrt nach Polen Sonderurlaub bekommen. In Mexiko steht sogar Wohnraum bereit – falls es ganz schlimm kommen sollte.“