Verkürzte Arbeitszeit heißt bei uns, mehr Arbeit pro Stunde durch optimierte Mikroprozesse zu erledigen“, sagt Timo Gökeler. Der geschäftsführende Inhaber der international agierenden Firma Goekeler Messtechnik hat in seinem Unternehmen im Oberlenninger Gewerbegebiet Oberer Sand kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie die Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich eingeführt. Er verkürzte die Arbeitszeit seiner damals 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ursprünglich 40 Stunden in der Woche auf 34 Stunden, die er fortan auf nur noch vier Arbeitstage verteilte. Seither beginnt in seinem Unternehmen das Wochenende bereits am Freitag.
Nach nunmehr drei Jahren zieht der 45 Jahre alte Unternehmer eine positive Zwischenbilanz. Bei einer um 17 Prozent geringeren Netto-Arbeitszeit habe er den Umsatz um neun Prozent steigern können. Zudem stellte er drei weitere Mitarbeiter in der Produktion ein. Gökeler macht deutlich, dass die kürzere Arbeitszeit für sein Team aber nicht mit weniger Arbeit verbunden ist, ganz im Gegenteil. Durch die Optimierung von Prozessen und die Automatisierung sich wiederholender Arbeitsabläufe habe sich die Arbeitsbelastung für jeden Einzelnen erhöht. Um beispielsweise nicht zwischen verschiedenen Computerprogrammen hin und her klicken zu müssen, stehen auf jedem Büroarbeitsplatz drei Monitore, auf denen bestimmte Programme parallel geöffnet sind. „Wenn ich bei jedem nicht notwendigen Klick nur fünf Sekunden weniger Zeit benötige, dann ist das im Jahr eine Woche Arbeitszeit, die ich einsparen kann“, rechnet er an diesem banalen Beispiel vor. Solche und andere Mikroprozesse gebe es in der Produktion zuhauf.
Eingesparte Zeit zurückgeben
Schließlich habe die Frage im Raum gestanden, was er mit der eingesparten Zeit, der sogenannten digitalen Rendite, die er auch zu einer Steigerung seines Umsatzes hätte nutzen können, anfange. Er habe aber nicht noch mehr Arbeit auf seine Leute abwälzen wollen, sondern sich dafür entschieden, ihnen die eingesparte Zeit zurückzugeben. Dadurch seien seine Mitarbeiter jetzt noch gesünder, loyaler und zufriedener, als sie es schon vor Corona gewesen seien.
Gökeler weiß, dass das Arbeitszeitmodell seines Unternehmens nicht einfach auf andere Betriebe übertragen werden kann. „Jeder Geschäftsführer sollte wissen, was für sein Unternehmen gut ist“, sagt er. Nicht überall könne das umgesetzt werden, was er gemacht habe. Ähnlich sieht das auch Christoph Nold, der Geschäftsführer der IHK-Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen. „Bei den großen Unternehmen im Landkreis ist das Thema Arbeitszeitverkürzung kein Thema“, sagt er. Da derzeit an allen Ecken und Enden Personal fehle, gehe diese Debatte an der betrieblichen Realität vorbei. In einzelnen Fällen könne die Viertagewoche jedoch funktionieren. „Die Unternehmen wünschen sich in dieser Frage mehr Flexibilität anstelle starrer Vorgaben“, sagt Nold.
Was Timo Gökeler in den drei vergangenen Jahren festgestellt hat, war ein allmählicher Rückgang der anfangs sehr großen Motivation seines Teams. „Man gewöhnt sich schnell an solche Änderungen und vergisst nach und nach die Vorteile, die man dadurch hat“, sagt er. Diese Probleme müsse man ansprechen und gegensteuern. Um schnell eingreifen zu können, habe er ein Auswertungssystem entwickelt, von dem auch sein Team profitiert. So kann es passieren, dass er einen Mitarbeiter schon am Mittag nach Hause schickt, wenn die Arbeit getan ist – ohne dass der Lohn gekürzt wird.
Für die Führungskräfte im Unternehmen führt das aber zu einer zusätzlichen Arbeitsbelastung, wie der Unternehmer einräumt. „Sie müssen an den Prozessen ständig dranbleiben und den Mitarbeitern konkrete Vorgaben machen“, sagt er und spricht von „Leitplanken“, die gesetzt werden müssen. Die Umstellung auf eine Viertagewoche sei kein Selbstläufer. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die Digitalisierung. Bereits 2008 hat er den Kontakt zu seinen Kunden umgestellt, 2012 folgte die Digitalisierung der Zusammenarbeit mit den Lieferanten.
Papierloses Büro
Was in vielen anderen Unternehmen erst jetzt beginne, habe er schon vor Jahren eingeführt. „Inzwischen gibt es bei uns im Haus kein Papier mehr“, sagt er. Um beispielsweise 20 Aufträge annehmen und abarbeiten zu können, habe eine Mitarbeiterin früher einen ganzen Tag gebraucht, heute schaffe sie das in drei Stunden. „Wenn wir gegen China, Indien und andere Länder eine Chance haben wollen, dann müssen wir Arbeit anders denken“, sagt Gökeler und kritisiert Unternehmen, die kürzere Arbeitszeiten über das Kurzarbeitergeld vom Steuerzahler finanzieren lassen. Es könne nicht sein, in einem Jahr Kurzarbeitergeld zu kassieren und im anderen Jahr riesige Gewinne auszuschütten. Das sei „ein Fehler im System“.