Zwischen Neckar und Alb
„Der Druck auf Wasser, Tiere und Pflanzen wächst“

Natur Mehr Ökolandbau, ein landesweiter Biotopverbund, Erhalt von Streuobstbeständen: Das Biodiversitätsgesetz, soll den Artenschutz voranbringen. Experten ziehen kritisch Bilanz. Von Daniela Haußmann

Seit zwei Jahren gibt es in Baden-Württemberg das Biodiversitätsgesetz. Fachleute im Raum Kirchheim sehen Probleme bei der Umsetzung. „Trotz einiger Fortschritte verfehlt es wichtige Ziele beim Schutz der biologischen Vielfalt“, findet etwa German Kälberer. Schwächen sieht der Vertreter der Jägervereinigung Kirchheim vor allem bei der öffentlichen Hand. Mit dem Ausbau von Freizeit, Wohnen, Gewerbe, Infrastruktur, Mobilität und Energiewende wachse auch im Landkreis Esslingen der Druck auf natürliche Ressourcen wie Boden, Wasser, Luft und die Tier- und Pflanzenwelt.

Land ist zum hart umkämpften Gut geworden. Das stellt der Kreisjägermeister unter anderem mit Blick auf Ausgleichsmaßnahmen fest, die das Bundesnaturschutzgesetz bei Bauvorhaben vorschreibt. Mit ihnen sollen Eingriffe in Natur und Landschaft ausgeglichen werden. „Zweck ist ein Verschlechterungsverbot für die Natur und das Landschaftsbild“, so Kälberer. In der Praxis gelinge das oft nicht, weil die Möglichkeit zum Bauen erhalten wird. Das stellt der Jäger etwa bei Begehungen oder Gesprächen mit Bürgermeistern oder Behördenvertretern in der Teckregion immer wieder fest.

Ersatz in unmittelbarer Nähe

Im Idealfall wird eine durch Bauprojekte entstandene Beeinträchtigung der Natur für German Kälberer in unmittelbarer Nähe mit geeignetem Ersatz kompensiert. Wer beispielsweise ein Feuchtgebiet, wie einen Tümpel oder Teich mit Straßen oder Häusern überbaut, muss laut Gesetz eigentlich in der Nähe wieder ein Feuchtgebiet schaffen. Tatsächlich könnten öffentliche und private Bauherren etwa Gewerbegebiete mit einer kilometerweit entfernten Wiese ausgleichen. Die lokalen Effekte, die Bauvorhaben für Lebensräume, Artenvorkommen, Wanderkorridore, Hochwasserschutz oder Ernährungssicherheit nach sich ziehen, lassen sich für ihn so nicht kompensieren. Rechts- und Förderstrukturen müssten überdacht und der Flächenfraß gesenkt werden. Um die Biodiversität großräumig zu stabilisieren, brauche es unter den Kommunen eine gemeinsame Planung des Naturschutzes. „Nur so lassen sich Potenziale zur Vernetzung von Lebensräumen voll entfalten und die Ausbreitung von Arten unterstützen“, so Kälberer.

 

Es braucht Beihilfen für Öko-Start-ups oder innovative ökologische Projekte im ländlichen Raum
Karl Ederle
Der Bissinger Öko-Landwirt fordert neue Instrumente.

 

Der Bissinger Öko-Landwirt Karl Ederle geht noch einen Schritt weiter: Um das Biotop- und Artenspektrum in einer Region wie dem Kreis Esslingen zu stabilisieren, ist für ihn eine Neuorientierung im Naturschutz nötig. Ohne sie lasse sich der mit dem Biodiversitäts-Stärkungs-Gesetz anvisierte Biotopverbund auf 15 Prozent der Landesfläche nur schwer umsetzen.

Notwendig ist eine regionale Strategie

Alle für die Entwicklung der Kulturlandschaft relevanten Akteure wie Naturschutzämter, Kommunen, Landwirte, Obst- und Gartenbauvereine, Jäger und Fischer müssen für Ederle Ziele und Konzepte beim Biodiversitätsschutz zu einer regionalen Strategie entwickeln, die sie zusammen umsetzen. Eine entsprechende Plattform könne im Landkreis der Landschaftserhaltungsverband bieten.

Bis 2030 soll mit dem Gesetz auch der Anteil des Öko-Landbaus um 30 bis 40 Prozent erhöht werden. Karl Ederle erbringt mit Galloway-Rindern, die auf Bissinger Weideflächen die Biodiversität fördern, ökologische Leistungen für das Gemeinwohl. Das müsse sich in der Agrarpolitik endlich widerspiegeln. Förderungen, wie Prämien für Landschaftsvielfalt oder Maßnahmen im Agrarumwelt- und Klimaschutz setzen für Karl Ederle Impulse für eine umweltfreundlichere Erzeugung von Lebensmitteln. So lässt sich für ihn die Existenz ökologisch wirtschaftender Betriebe sichern, ihre Zahl steigern und der Generationswechsel erleichtern. „Es braucht Beihilfen für Öko-Start-ups oder innovative ökologische Projekte im ländlichen Raum“, sagt Karl Ederle. „Das sind längst überfällige Instrumente.“