Gespannt warten die Buben und Mädchen in kleinen Gruppen im Kindergarten Rinnenweg auf das, was kommt. Livemusik ist ihnen versprochen worden - und die gibt‘s auch, und zwar mit der größten Combo von ganz Owen. Zu ihr gehören die achtjährige Philine mit ihrem Saxofon, die elfjährige Cara mit der Querflöte sowie erwachsene Musiker der Stadtkapelle, allesamt eng miteinander verwandt. Dazu zählt auch Dirigentin Daniela Hofmann. Die hat im Vorfeld große Arbeit geleistet, damit am Maientag alles coronakonform über die Bühne gehen kann. „Normalerweise spielen 60 Musiker in der Stadtkapelle. Plötzlich dürfen wir nur noch zu zweit oder maximal zu fünft spielen. Deshalb habe ich die Noten für unsere Lieder in fünf Stimmen umgeschrieben“, erzählt Daniela Hofmann.
Viele Duos mit teilweise interessanter Instrumenten-Zusammenstellung sind im Städtle unterwegs, damit Punkt 9.40 Uhr an vielen verschiedenen Orten gleichzeitig das Lied „Geh aus mein Herz und suche Freud“ erklingt. Die Kinder im Kindergarten Rinnenweg lauschen gespannt der Melodie, ein paar singen mit. „Es ist ein Kinderfest. Deshalb spielen wir bewusst vor den Kindergärten und der Schule“, sagt die Dirigentin. Dank der Zweiergruppen ist auch eine gewissen Omnipräsenz der Stadtkapelle gewährleistet, und die Gemeinderäte bekommen vor der Haustür ihr Privatkonzert. Auf ihre Brezel müssen zumindest die Kinder nicht verzichten, die einen der begehrten Plätze in den Kindergärten ergattert haben oder an diesem besonderen Tag ausnahmsweise mal die Schulbank drücken müssen. „Für die Viertklässler ist es schade, dass sie keinen Bändertanz aufführen dürfen“, sagt Rektorin Susanne Niemeyer.
Eine Stunde später als üblich, um sechs Uhr, hat der Maientag wegen Corona begonnen. Zu dieser trotzdem frühen Stunde hebt Bürgermeisterin Verena Grötzinger ihr Glas mit Hochprozentigem, um den Owener Nationalfeiertag gebührend einzuläuten. Von dort gehen die Musiker in Klein-Gruppen auf vier verschiedene private Wiesen rund um den Ort - mit dem geforderten Abstand, versteht sich. Dass die Musik an die Ohren recht vieler Owener dringt, machen Mails ins Rathaus deutlich. „Von einem Platz haben wir unser eigenes Echo gehört. Somit war uns klar: Wir werden gehört“, freut sich die Dirigentin. Um allen Verordnungen zu entsprechen, war die Vorbereitung auch organisatorisch aufwendig. Darauf geachtet hat Verena Grötzinger auch in ihrer Funktion als Ortspolizei. Sie ist stolz auf ihre Owener, ihren Zusammenhalt und ihren Erfindungsreichtum. „In Zeiten wie diesen gibt das Hoffnung und Mut. Auch unter geänderten Verhältnissen kann man sich anpassen und an solch einem Tag Freude haben“, sagt sie.
Gleich zwei Wurstwalzen
Die jahrhundertealte Tradition wegen Corona ausfallen zu lassen, steht für viele Owener außer Frage. Am Nachmittag kommen die Hauptpersonen des Maientags, die Kinder, im privaten Rahmen auf ihre Kosten. Mütter und Väter haben sich mächtig ins Zeug gelegt. In vielen Gärten sind Spielstraßen aufgebaut: Wasserspiele, Mohrenkopf-Schleuder, Dosenwerfen, Bobbycar-Parcours und vieles mehr. Eine Straßenlaterne wurde kurzerhand zum Kletterbaum umfunktioniert, wie sich‘s gehört und mit Trophäen an der Spitze bestückt. Außerdem gab es gleich zwei selbst gebaute Wurstwalzen - die Attraktion des Maientags schlechthin. Eine wurde schon vor 20 Jahren gebaut und leistet seitdem bei der Schützengilde Hengen ihre „Festles-Dienste“. Sie fand den Weg von der Alb in einen Owener Hausgarten. Die andere ist erst wenige Tage alt. Michael Roth hat sie aus zwei Fässern zusammengebaut und in seinem Lkw installiert. Somit ist sie auch die erste „mobile Corona-Wurstwalze“, die gleich an mehreren Orten für unvergessliche Momente sorgt.
Text: Iris Häfner; Fotos: Carsten Riedl