Eine Choreografie mit Fahrzeugen der Flughafenfeuerwehr ist in Lukas Rehms Opernfilm „Solastalgia“ zu sehen. Der Medienkünstler wirkte mit bei dem Filmprojekt „Quälend süße Einsamkeit“, das am morgigen Sonntag im Stuttgarter Opernhaus zu sehen ist. „Sechs Filme und Musik über Gefühle im Ausnahmezustand“ lautet der Untertitel des Projekts mit Madrigalen. Als im Frühjahr 2020 im ersten Lockdown alle Menschen auf sich selbst zurückgeworfen wurden und Orte öffentlicher Begegnung wie die Oper schließen mussten, drehte sechs Videokünstler mit Sängerinnen und Sängern des Stuttgarter Ensembles Filme.
Einer von ihnen ist Lukas Rehm. Er arbeitet als Künstler und Komponist im Bereich Neue Medien, Installationskunst, Dokumentarfilm und experimentelle Fiktion. „Der Flughafen war in dieser Zeit wegen der Vollsperrung der Start- und Landebahn verwaist“, erklärt er. Das habe ihm die einmalige Chance geboten, auf dem Gelände zu arbeiten. Wo sonst Tausende Passagiere vorbeieilen, durften die Mitglieder des Stuttgarter Opernensembles und das Filmteam proben und filmen.
„Ein solches Projekt zu realisieren, das wäre im laufenden Betrieb nicht möglich gewesen“, bringt es Flughafen-Pressesprecher Johannes Schumm auf den Punkt. Weil die Piste saniert werden musste, hat sich ein Zeitfenster ergeben, in dem solche Ausnahme-Projekte möglich waren. „Da haben wir Abläufe auch mal neu gedacht und das Filmprojekt möglich machen können.“
Die Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen und Künstlern haben er und sein Team als bereichernd erlebt. Der Kontakt zur Stuttgarter Oper kam über die Flughafendirektorin Arina Freitag zustande. Die kunstaffine Volkswirtin hat in der Kultureinrichtung zwei Funktionen: Sie ist Mitglied im Förderverein der Staatstheater und sowie im Beirat des Freundeskreises der Staatsoper. Weil Arina Freitag den Kontakt herstellte, fanden am Flughafen im vergangenen Jahr auch die 1:1-Konzerte statt. Dieses Konzept kam bei den Zuschauern sehr gut an, die das intime Erlebnis im leeren Passagiergebäude teilen durften. In der Fluggasthalle des Terminals 1 saßen sich ein Musiker oder eine Musikerin und ein Zuschauer gegenüber. Das ungewöhnliche Projekt, das die Staatsoper auch an anderen Orten realisiert, machte international Schlagzeilen.
Dass der Flughafen die Filmaufnahmen möglich gemacht hat, freut Lukas Rehm. Als „musikalische Psychogramme aus der Geburtszeit der Oper“ beschreibt die Staatsoper die Musik, zu der die Filmemacher ihre innovativen Szenarien im Stuttgarter Stadtraum entwickelten. Musikalisch entschied sich Rehm für Carlo Millanuzis „Si dolce è ‚ l tormento“ sowie Claudio Monteverdis „Ohime, dov’è il mio ben“. An der Schnittstelle von Musik und Film zu arbeiten, das reizt den Künstler. Klänge und neue Medien verbindet er zu Gesamtkunstwerken, die den Zuschauern neue Sehweisen öffnen. An der Akademie für Theater und Digitalität in Dortmund forschte er in dem Bereich. Lukas Rehm findet auch in seinem Madrigal-Film eine Bildersprache, die die Zuschauer verstört, die ihnen aber zugleich Horizonte öffnet.
Der Flughafen als Tor zur Welt war für ihn ein idealer Ort, neue Welten zu erschließen. Voll des Lobes ist der innovative Künstler über die Zusammenarbeit mit dem Flughafens-Team. „Es hat geholfen, wo es möglich war“, schwärmt der Künstler. Er denkt zum Beispiel an die Zusammenarbeit mit dem Zoll. So wirkt der Spürhund Spike im Film mit. Glücklich ist der Künstler beim Opernprojekt „Quälend süße Einsamkeit“ über die Zusammenarbeit mit anderen Filmkünstlerinnen und -künstlern. Matthew Anderson, Jeffrey Döring und Vangelis Anthimos, Tobias Dusche, Manuela Hartel und Vincent Stefan haben ebenfalls Filme gedreht - alle sechs Arbeiten sind jeweils an einem Abend zu sehen. Da ihre Ansätze ganz unterschiedlich sind, entsteht ein spannendes Gesamtbild zu der Musik, die Gefühlsausbrüche, Schmerz und ungestilltes Verlangen spiegelt.
„Die Zusammenarbeit mit dem Flughafen geht weiter“, sagt Helena Rittler, Sprecherin der Stuttgarter Oper. Die sechs Opernfilme „Quälend süße Einsamkeit“ sind am Sonntag, 4. Juli, 18 Uhr, in der Staatsoper zu sehen. Am Donnerstag und Samstag, 22. und 24. Juli, werden die Filme im Mercedes-Benz-Museum gezeigt.