Frickenhausen. Frost und Hagel sind der Weinbauern Schreckgespenster. Die Eiseskälte, die sich zu Wochenbeginn über das Neuffener Tal gesenkt hat, hat dort zum Teil beträchtliche Schäden an den Rebstöcken angerichtet. Helmut Dolde vom gleichnamigen Linsenhöfer Weingut schätzt, dass bis zu 80 Prozent der Triebe an seinen Rebstöcken erfroren sind. Bei der Weingärtnergenossenschaft Hohenneuffen-Teck geht man nach einer ersten Einschätzung von 40 bis 50 Prozent Ertragseinbußen aus. Hiobsbotschaften, in welchem Maße der Frost dem Wein zugesetzt hat, hört man dieser Tage freilich aus allen Teilen des Landes.
Zwar sind die Temperaturen schon seit Tagen im Keller. Die Nacht vom Montag auf den Dienstag aber hat da noch einmal einen draufgesetzt. Von minus drei bis minus vier Grad Kälte in den frühen Morgenstunden spricht Helmut Dolde. „Die Nacht war wolkenfrei, die Luft relativ trocken. Dann ist die Kälte besonders wirksam.“ Der Winzer spricht in dem Zusammenhang von Strahlungsfrost, was bedeute, dass es von unten bis oben durchgehend kalt gewesen sei.
Reben haben früh ausgetrieben
„Die Reben haben ungewöhnlich früh ausgetrieben und waren weit entwickelt“, schildert Dolde das Drama. „80 Prozent der Triebe sind erfroren.“ Davon betroffen seien zum Teil auch die sogenannten Frostruten, die von den meisten Weinbauern vorsorglich für Frosteinbrüche angelegt werden. „Glücklicherweise nicht komplett“, so Dolde. „Da sind unter Umständen noch Triebe zu retten.“ Er rechnet damit, dass die Nebenaugen am Rebstock noch austreiben.
Jürgen Pfänder, Vorstandsvorsitzender der Weingärtnergenossenschaft Hohenneuffen-Teck, befürchtet, dass 40 bis 50 Prozent des Ertrags wegfallen. Das differiere jedoch von Ortschaft zu Ortschaft und von Sorte zu Sorte. Früh austreibende Rebsorten seien besonders betroffen. Im Gebiet der Weingärtnergenossenschaft seien dies vor allem Lemberger, Müller-Thurgau, Schwarzriesling und Weißburgunder. Wie Dolde setzt er darauf, dass die Nebenaugen noch austreiben und damit beim Täleswein noch nicht alles verloren ist. „Wir hoffen, dass nicht noch mal Frost kommt und dass die Triebe noch mal austreiben“, so Pfänder. Fröste gebe es immer mal wieder, sagt er. Er könne sich aber nicht erinnern, wann zum letzten Mal ein solch massiver Einbruch der Weinernte geschadet hätte.
Weingärtner Werner Mönch, der unterm Hohenneuffen die Rebsorten Muscaris und Regent anbaut, geht von einem beträchtlichen Schaden aus. Die Sorte Muscaris sei für ihn ein Totalausfall. Beim Regent rechne er mit einem Ausfall von 70 bis 80 Prozent des Ertrags. Auch er setzt darauf, dass die Rebstöcke noch einmal austreiben. „Abwarten ist das einzige, was man derzeit tun kann.“
Die Sorgenfalten treibt die späte Kälte Benjamin Gökeler aus Oberlenningen auf die Stirn. Der Agrarwissenschaftler und Fachwart für Obst- und Gartenbau hat im Gegensatz zu anderen Obstbauern im Lenninger Tal große Frostschäden in den Streuobstbeständen entdeckt. „Und das über alle Arten hinweg“, sagt er. Bei Walnüssen spricht er von einem Totalausfall. Birnen, die bereits angesetzt hätten, seien braun, sodass Benjamin Gökeler davon ausgeht, dass sie ihre Früchte fallen lassen. Auch Kirschen und bereits verblühte Äpfel seien frostgeschädigt. Zugesetzt hätten den Bäumen vor allem die nächtlichen Minusgrade. „Die Schäden sieht man oft erst zwei, drei Tage danach.“ Welche Schäden tatsächlich entstanden seien, zeigten die nächsten Wochen, wenn die Bäume sich „putzen“ und geschädigte Blüten und Früchte abwerfen. Volker Haussmann/ank