Nicht nur Gegentore können Fußballfans während der Europameisterschaft ab Freitag, 14. Juni, schmerzliche Stiche versetzen. Auch Zecken können dies tun. Denn sogar auf Spiel- und Sportplätzen lauern die kleinen Blutsauger laut dem Landratsamt Esslingen. Durch den Holzbock, der am meisten verbreiteten heimischen Zeckenart, könne die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) übertragen werden. Wie ganz Baden-Württemberg sei der Kreis Esslingen, mit Ausnahme des Stadtkreises Heilbronn, ein Risikogebiet. Die Kreisbehörde spricht für dieses Jahr von einem leicht überdurchschnittlichen Aufkommen der Infektionskrankheit: „In den vergangenen Jahren waren im Mittel nur ein Drittel der Fälle bis zu diesem Zeitpunkt gemeldet worden.“
Im Vorgarten lauern sie
Das Robert-Koch-Institut (RKI), so teilt die Kreissprecherin Andrea Wangner nach Rücksprache mit dem Gesundheitsamt im Landratsamt weiter mit, erstellt jährlich eine aktualisierte Deutschland-Karte mit FSME-Risikogebieten. Der Kreis Esslingen gehört dazu. Doch mögliche unterschiedlich hohe Gefahren innerhalb des Kreisgebietes werden auf der Karte nicht abgebildet. „Zecken können überall im Freien vorkommen. Sie halten sich bevorzugt in der Natur, auf Wiesen, im Wald, im Gebüsch und im Unterholz auf, kommen aber auch im gepflegten Hausgarten, auf Spiel- und Sportplätzen oder in Freibädern vor“, so Wangner. Die Gefahr von Stichen sei hauptsächlich in Abhängigkeit zum Aufenthalt in Zecken-Habitaten zu sehen.
Im laufenden Jahr wurden dem Landratsamt bisher vier FSME-Fälle im Kreis gemeldet. In den Vorjahren hatte es weniger Erkrankungen gegeben. Ein Höchststand war 2013 mit neun Fällen erreicht worden. „Von den 3586 seit Einführung des Meldesystems 2001 in Baden-Württemberg gemeldeten FSME-Fällen entfallen 52 auf den Landkreis Esslingen“, ergänzt Theresa Osterholzer, die Pressereferentin im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg. Gegen FSME gebe es keine spezifische medizinische Behandlung. Daher komme einer Impfung eine große Bedeutung zu.
Borreliose ist eine Gefahr
Zecken können aber auch eine Lyme-Borreliose auf den Menschen übertragen. Diese Krankheit komme deutlich häufiger vor als FSME, eine bundesweite Meldepflicht bestehe hier jedoch nicht, sagt Osterholzer. Das RKI gehe aber von bis zu 60.000 jährlichen Erkrankungsfällen in Deutschland aus: „Gegen die Lyme-Borreliose steht im Moment kein Impfstoff zur Verfügung. Aber sie lässt sich gut mit einem Antibiotikum behandeln, sofern die Diagnose zeitnah erfolgt.“ Weitere krankheitsauslösende Erreger wie Rickettsien, Babesien oder Anaplasmen kämen in den Zecken zwar vor, hätten aber kaum eine medizinische Bedeutung für den Menschen.
Ist die Zecken-Gefahr durch den Klimawandel größer geworden? Schließlich könnte ein ganzjähriges Zeckenaufkommen aufgrund der höheren Temperaturen im Winter möglich sein. Das Landratsamt sagt „Ja“. Denn die Verbreitung und die Aktivität der Zecken werde durch Klima- und Umweltfaktoren beeinflusst. Ein Temperaturanstieg begünstige die Dichte der heimischen Zeckenarten. Die Klimaveränderungen könnten zudem dazu führen, dass sich nicht heimische Arten wie etwa die Hyalomma-Zecke in Deutschland etablieren. Diese Tiere wiederum könnten neue, bisher hier nicht vorkommende Krankheiten übertragen.
Gemeldete FSME-Fälle
Die Meldezahlen der FSME-Fälle in den vergangenen Jahren verteilen sich laut der Kreisbehörde hauptsächlich auf den Frühsommer und den Herbst: „Derzeit können wir in unserem Landkreis keine Veränderung in der Verteilung der FSME-Fälle auf das gesamte Jahr beobachten.“ Das entspricht den Erfahrungen des Klinikums Esslingen: „Die Häufigkeit, mit der sich Patienten zur Zeckenentfernung bei uns vorstellen, ist im Vergleich zum Vorjahr etwa gleich geblieben – und das, obwohl aufgrund milder Winter mit einer Zunahme von Zeckenbissen gerechnet wird“, teilt die Klinik-Pressesprecherin Anja Dietze mit. Meist kämen Patienten „in die Notaufnahme, um sich Zecken entfernen zu lassen“.
Von Veränderungen im Zeckenverhalten weiß auch das Landesministerium für Gesundheit. Früher habe es im Frühjahr und auch im Herbst zwei Höhepunkte in der Aktivität gegeben. Das ist nun anders: „Den Gipfel im Herbst gibt es seit mehreren Jahren nicht mehr. Dafür sind die Zecken über das ganze Jahr aktiv, mit einem Höhepunkt von April bis Ende Juli.“ Die Zeit, bis eine aus dem Ei geschlüpfte Larve als erwachsene Zecke selbst Eier ablegen kann, habe früher drei Jahre betragen. Durch die Erwärmung habe sich dieser Zeitraum auf zwei Jahre verkürzt.