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Der Kreis Esslingen ist ein starker Wirtschaftsraum

Studie Im Regionalranking des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) schneidet der Kreis Esslingen gut ab. Innerhalb von zwei Jahren hat sich der hiesige Wirtschaftsregion von Rang 101 auf Platz 79 verbessert. Von Greta Gramberg

Bei den Themen Wirtschaftsstruktur und Arbeitsmarkt steht der Landkreis Esslingen laut einer Studie im Bundesvergleich gut da. Archiv-Foto: Markus Brändli

Auch die jüngsten Signale aus den lokalen Unternehmen geben keine Hoffnung auf Erholung: Die Wirtschaft im Kreis Esslingen verharre in Stagnation, lautet das Fazit der neuen Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Esslingen-Nürtingen. Ein 
positives Gesamtbild für die wirtschaftliche Entwicklung vermittelt dagegen das neue Regionalranking des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Seit der Erhebung 2022 hat Esslingen im Vergleich der 400 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte Boden gut gemacht.

 

Wir haben ein gutes Fundament,
auf dem wir aufbauen können. 
Christian Drackert von der Wirtschaftsförderung des Landkreises Esslingen

 

Im sogenannten Niveauranking schneidet die ganze Region Stuttgart überdurchschnittlich ab. Die 400 Kreise wurden gemäß ihrem wirtschaftlichen Erfolg bewertet. Dazu hat das Forscherteam 14 Indikatoren aus den Bereichen Wirtschaftsstruktur, Arbeitsmarkt und Lebensqualität verglichen, die signifikanten Einfluss auf Kaufkraft und Arbeitslosigkeit haben. Der Kreis Esslingen steht auf Platz 78 (nach Rang 101 vor zwei Jahren), noch besser schneiden Stuttgart (Platz 36) und Böblingen (Platz 16) ab. Auch im Dynamikranking haben sich die Landeshauptstadt und die Kreise Esslingen und Böblingen verbessert. Die Studie ordnet sie deswegen als sogenannte Outperformer ein. „Die Region Stuttgart ist ein sehr starker Wirtschaftsraum“, sagt Vanessa Hünnemeyer, eine der Studienautorinnen. Es gebe anders als in anderen Ballungsräumen kein eindeutiges Stadt-Landkreis-Gefälle. Das mache die Region auch resilienter.

Letztlich decke sich die Studie weitgehend mit den Ergebnissen der Konjunkturumfragen, sagt Christoph Nold, Geschäftsführer der IHK Esslingen-Nürtingen. Die Daten, auf denen die Studie basiert, stammen aus den vergangenen Jahren. „Die Geschäftslage war in den vergangenen zwei Jahren erstaunlich gut, vor allem in der Industrie“, so Nold mit Verweis auf die zahlreichen Krisen. Nun sei sie auch in der Industrie schlecht. In den vergangenen Jahren sei viel in der vom Automotive-Sektor geprägten Unternehmenslandschaft investiert worden, um die Transformation voranzutreiben. Doch nun gebe es ein großes Fragezeichen, wie es mit der E-Mobilität weitergehe, nachdem die Absatzzahlen sich im Pkw-Bereich nicht so entwickelten wie prognostiziert.

Viele Mittelständler

„Wir haben als Landkreis ein gutes Fundament, auf dem wir aufbauen können. Aber wir dürfen uns nicht darauf ausruhen“, sagt Christian Drackert von der Wirtschaftsförderung des Landkreises Esslingen. In diesem seien viele Mittelständler beheimatet, Familienunternehmen, die einerseits innovativ seien, andererseits längere Planungsperspektiven verfolgten als globale Großkonzerne. Das verspreche Resilienz. Zudem betonen Nold und Drackert die engen Verbindungen zwischen lokalen Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit Unternehmen, die kurze Entwicklungszeiten bedeuten und damit eine Stärke gegenüber anderen Regionen. Es gebe Cluster zum Wissensaustausch beispielsweise mit Blick auf Wasserstofftechnologien. Darüber hinaus arbeiten Kommunen, Behörden, Unternehmen und Verbände bei den Themen Arbeitskräftegewinnung oder Start-up-Förderung zusammen.

Es hakt aber auch an einigen Stellen. Die Wirtschaftsförderung der Region Stuttgart sieht eine zentrale Herausforderung in der Verfügbarkeit von Gewerbeflächen. „Es zeigt sich weiterhin, dass der verfügbare Gewerbeflächenbestand für die Anforderungen der Transformation, zum Beispiel beim Übergang vom Verbrennungsmotor auf Elektromobilität beziehungsweise auf Brennstoffzellenantriebe, nicht ausreichend ist“, sagt Pressesprecherin Johanna Hellmann. IHK-Geschäftsführer Nold fordert entsprechend mehr Flexibilität im Flächenmanagement, mehr interkommunale Gewerbegebiete, aber auch die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen und eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren.

Potenzial bei der Lebensqualität

Die Studie sieht vor allem im Bereich Lebensqualität Verbesserungspotenzial. Ein Punkt sind Baugenehmigungen für Wohnungen, bei denen der Landkreis mit Bezug auf Daten von 2022 unterdurchschnittlich war. Wohnraum sei wichtig, um Arbeitskräfte anzulocken. „Wenn es mehr Zuzug gibt, muss ich aber auch die Infrastruktur ausbauen“, gibt Studienautorin Hünnemeyer zu bedenken. Beispielsweise die Kinderbetreuung.

 

Erneuerbare Energien als Standortfaktor

Studie: Das IW-Ranking 2024 legt ein besonderes Augenmerk auf die Energiewende. Demnach bieten sich besonders für ländliche Räume aufgrund ihrer verfügbaren Flächen Chancen.Kreis Esslingen: Während der Kreis bei der Solarenergie im Landesschnitt gut dasteht, gibt es kein Windrad. Dagegen steigt der Strombedarf der Industrie. Strom aus erneuerbaren Energiequellen werde ein immer wichtigerer Standortfaktor, sagt Vanessa Hünnemeyer von IW Consult. „Ich würde nicht soweit gehen, dass eine Wirtschaftsregion, wenn keine Windkraft vorhanden, per se unattraktiv ist.“ Man müsse sich aber überlegen, wie wichtig regionale Souveränität sei. Diskussionen wie über die Nord-Süd-Trasse Südlink verzögerten die Anbindung und mögliche Vorteile. gg