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Der Landkreis schnürt ein historisches Investitionspaket

Finanzen Das neue Haushaltsjahr wird gleich von mehreren Krisen überschattet Über gewaltigen Bauvorhaben schwebt die Furcht vor einer Rezession. Von Bernd Köble

Es ist ein grober Rahmen, am Ende wohl nicht mehr. Haushaltspläne in Krisenzeiten sind rasch Makulatur – nicht selten schon nach wenigen Wochen. Das dürfte für den 50. Etatentwurf in der Geschichte des Landkreises Esslingen umso mehr gelten, als auch die Krise, der er unterliegt, sich historisch nennt. Dabei kämpfen Landkreis und Kommunen finanzpolitisch gleich an vier Fronten: Neben dem drohenden Energienotstand ist die Flüchtlingskrise, ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine, das Hauptthema. Seit Kriegsbeginn im Februar sind mehr als 6000 Schutzsuchende allein aus der Ukraine im Kreis gelandet. Die zurzeit verfügbaren Plätze reichen bei weitem nicht, um die 500 Neuankömmlinge, die monatlich auch weiterhin erwartet werden, unterzubringen.

Gleichzeitig führt noch immer die Corona-Pandemie zu finanziellen Einbußen und personellen Engpässen, vor allem in den Kreiskliniken. Ohne zu wissen, was diesen Winter noch kommt.  Ganz nebenbei muss der Landkreis beim Thema ÖPNV und Verkehrswende seinen Beitrag im Kampf gegen die
 

„Den Frieden in der Gesellschaft zu bewahren, ist die eigentliche Aufgabe.
Heinz Eininger
Der Landrat sorgt sich um den
Zusammenhalt in Krisenzeiten.
 

zunehmend in Vergessenheit geratende Klimakrise leisten und mit dazu beitragen, dass finanziell angeschlagene Busunternehmen die momentane Situation schlicht überleben. Die Mitarbeitenden in der Verwaltung seien ausgezehrt, viele würden am Anschlag und darüber hinaus arbeiten. Kündigungen, ein hoher Krankenstand und Wechsel in die Wirtschaft seien die Folge, betonte der Esslinger Landrat Heinz Eininger in seiner Haushaltsrede am Donnerstag im Kreistag. „Auf Sicht fahren“ – dieses von Finanzpolitikern gerne verwendete Bild ließe sich inzwischen mit „Blindflug“ betiteln.

Vor diesem Hintergrund, das ist die gute Nachricht, erscheint die finanzielle Lage im Kreis noch immer in einem günstigen Licht. Allerdings fußt dieses Bild auf Prognosen wie der jüngsten Steuerschätzung im Mai, die trotz Kriegsbeginn von weiterem Wachstum ausging. Die nächste Vorausschau ist erst Ende Oktober zu erwarten, und die Wirtschaftsprognosen sehen düster aus. Dennoch startet der Landkreis dank Mehreinnahmen aus dem Finanzausgleich und bei der Grunderwerbsteuer unterm Strich mit einem Plus von 7,2 Millionen Euro ins neue Haushaltsjahr. Ende 2023 rechnet der neue Kreiskämmerer Johannes Klöhn, der am Donnerstag sein erstes Rechenwerk vorstellte, mit einem Defizit von 4,1 Millionen. 

Immerhin: Mit der im Vorjahr beschlossenen Kreisumlage von 27,8 Punkten verzeichnete man die drittniedrigste Quote aller elf Landkreise im Regierungsbezirk, wie Eininger betonte. Mit einem Hebesatz von 30,7 Punkten wäre auch 2023 ein ausgeglichener Haushalt möglich. Die Verwaltung schöpft diesen Rahmen allerdings nicht aus, bleibt mit ihrem Vorschlag von 30,3 Punkten leicht darunter und nimmt damit einen Fehlbetrag in Kauf. Bedingt durch Mehrausgaben in Höhe von 57 Millionen Euro, bei denen es sich größtenteils um gesetzliche Pflichtaufgaben handelt. 40 neue Stellen zur Lösung staatlicher Aufgaben und im Krisenmanagement lassen allein die Personalkosten um 8,2 Prozent steigen. Über die tatsächliche Höhe der Kreisumlage werden die Fraktionen in den kommenden Wochen bis zum Etatbeschluss am 15. Dezember zu beraten haben.

Was bereits fest steht: Ein Prozent Kreisumlage, das entspricht 8,5 Millionen Euro, werden im kommenden Jahr in die  Finanzierung von Bauvorhaben fließen. So sehen es die vor Jahren vom Kreistag beschlossenen Finanzierungsleitlinien vor. Mit 118 Millionen Euro  investiert der Landkreis in den kommenden beiden Jahren soviel wie nie zuvor in seiner Geschichte. Größtes Projekt ist der Bau des neuen Landratsamtes in den Esslinger Pulverwiesen, der Anfang nächsten Jahres beginnen und der 2026 bezugsfertig sein soll. Aber auch in Schulen und den Ausbau des Nahverkehrsnetzes wird kräftig investiert. Dass bei all dem am Ende neu gerechnet werden muss, steht wohl ebenfalls schon fest. Die Preise für Baustoffe, Energie und Dienstleistungen explodieren. Wohin die Reise geht, weiß zur Stunde niemand.
 

Zahlen zum Kreishaushalt 2023

Gesamthaushalt Der Kreishaushalt sieht Einnahmen und Ausgaben von rund 730 Millionen Euro vor. Zum Ende des Jahres rechnet die Verwaltung mit einem Defizit von 4,1 Millionen Euro.
Liquidität Der Landkreis verfügt Ende 2022 über freie Mittel in Höhe von 66,1 Millionen Euro. Die Liquidität liegt damit 54 Millionen Euro über der gesetzlich geforderten Mindestgrenze. Geld, das zur Reduzierung der Kreisumlage und als Eigenkapital bei der Finanzierung von Bauvorhaben dient.
Investitionen für 2023 sind Nettoinvestitionen von 51,7 Millionen Euro vorgesehen. Davon allein 24 Millionen Euro als Rate für das neue Landratsamt in Esslingen. Der Rest fließt in den Nahverkehr, in Schulen, Flüchtlingsunterkünfte und den Ausbau von Kreisstraßen.
Sozialausgaben Die Kosten für soziale Leistungen erreichen 2023 mit 201 Millionen Euro einen neuen Höchstand. Sie sind der größte Ausgabenposten im Kreishaushalt. Da es sich hier um Transferleistungen von Bund und Land handelt, lauert hier das größte Haushaltsrisiko.
Gesamtverschuldung Der Schuldenberg wächst im kommenden Jahr von 192 auf 194 Millionen Euro und soll in den Jahren 2024 und 2025 mit 212 Millionen einen vorläufigen Höchststand erreichen, bedingt durch Großinvestitionen wie dem Neubau des Esslinger Landratsamtes. Erst 2026 wird mit einem Schuldenrückgang gerechnet.
Kreisumlage Die zuletzt auf 27,8 Prozenpunkte abgesenkte Kreisumlage, die die Kommunen zu entrichten haben, soll 2023 wieder auf 30,3 Punkte steigen und damit knapp über dem Niveau von 2021 liegen. Sie ist die wichtigste Einnahmequelle des Landkreises und beläuft sich im kommenden Haushaltsjahr auf rund 274 Millionen Euro. bk