Weilheim und Umgebung
Der Lehrermangel ist an der Limburg-Grundschule in Weilheim ein großes Thema

Bildung Kultusministerin Theresa Schopper war an der Limburg-Grundschule in Weilheim zu Gast. Sie hörte sich die Sorgen und Nöte der Lehrkräfte an. Immer mehr Aufgaben werden an die Schule delegiert. Von Iris Häfner

Eine offene, ungezwungene Atmosphäre herrschte beim Besuch von Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper in der Limburg-Grundschule in Weilheim. Als die Grünen-Politikerin schon zum nächsten Termin geeilt war, zogen einige Lehrerinnen eine positive Bilanz des Besuchs. Auf Augenhöhe sei das Gespräch verlaufen, die Ministerin als Mensch mit Bodenhaftung und gesundem Pragmatismus wahrgenommen worden. Egal ob auf Schüler- oder Lehrerinnenfragen – es sei fachkundig, ehrlich, spontan, kindgerecht und offen geantwortet worden, lautete die erste Bilanz.

Nach der Besichtigung der Schule samt „Unterrichtsmitschau“ durften einige Schülerinnen und Schüler der vierten Klassen Fragen an die Ministerin stellen. Das machten die Buben und Mädchen richtig gut, ihre Aufregung merkte man ihnen nicht an. „Warum wollten Sie Kultusministerin werden?“, lautete die Frage einer Schülerin. Da brauchte Theresa Schopper nicht lange zu überlegen: „Weil es das wichtigste Amt ist. Ich bin für die Zukunft von Baden-Württemberg zuständig, weil ihr in zehn Jahren in den Beruf oder ins Studium startet. Wie beim Hausbau wird in der Grundschule das Fundament dafür gelegt.“ Warum kein einziger Mann Lehrer an ihrer Schule sei, wollte ein Mädchen wissen – denn sie hätte gern einen. „Da müssen wir ein bissle dran arbeiten“, gab die Ministerin zu, ohne Ursachenforschung zu betreiben. Das offene Geheimnis – kein allzu üppiges Gehalt und wenig gesellschaftliche Anerkennung – wurde nicht erwähnt.

Andreas Schwarz, Fraktionsvorsitzender der Landes-Grünen und hiesiger Abgeordneter, drehte den Spieß um und stellte seinerseits eine Frage an die Schülerinnen und Schüler: „Wenn ihr einen Wunsch frei hättet – was wäre das?“ Von einem Eiswagen auf dem Schulhof war nicht die Rede, stattdessen wünschen sie sich mehr Sport, mehr Ausflüge und mehr AGs – beispielsweise, um Experimente zu machen – in der Schule. Corona hat bei den Grundschülern Spuren hinterlassen, sie wollen mehr Gemeinsamkeit.

 

Das hier ist keine Hosianna-Veranstaltung
Kultusministerin Theresa Schopper
 

Dann waren die Lehrerinnen an der Reihe. Allen war die Leidenschaft für ihren Job anzumerken. „Wir machen unseren Beruf mit viel Herzblut, aber auch mit blutendem Herzen. Man verlangt uns viel ab“, sagte eine von ihnen und brachte die „nicht angemessene Wertschätzung“ zur Sprache. Der Personalmangel sei schon lange Realität. „Wir spüren das täglich, wir opfern Sprachförderstunden, kommen halbkrank in die Schule, weil wir wissen, die Kolleginnen schaffen das sonst nicht.“

Mehr Praxiseinheiten während des Studiums wünscht sich eine junge Kollegin. „20 Wochen in vier Jahren Pädagogische Hochschule reichen nicht, um das theoretische Wissen in der Praxis umzusetzen. Ich konnte in Kirchheim Förderunterricht geben. Das war eine unheimliche Entlastung für die Lehrkräfte und ich habe viel gelernt. Das war für alle Seiten eine Win-win-Situation“, bilanzierte sie.

„Das hier ist keine Hosianna-Veranstaltung. Ich bin hier, um mich kritischen Fragen zu stellen“, sagte Theresa Schopper. Es sei eine Tragik, dass Personal fehle, insbesondere auch für die Förderschulen. Ursache dafür seien falsche Zahlen vor Jahren in der Statistik. Bis das Delta geschlossen werden könne, würde es bis 2026 dauern. Gute und schwache Schüler zu fördern, gehöre für sie zusammen, dafür brauche es aber gut ausgebildetes Personal.

Angemahnt wurde vonseiten der Lehrkräfte, das Studium anders zu definieren. Mit Mathe und Deutsch allein komme man nicht weiter. „Die Bandbreite fehlt. Um gut in der Grundschule unterrichten zu können, muss man breit aufgestellt sein.“ Theresa Schopper ist bewusst, dass viele Fächer fachfremd unterrichtet werden. Um mit Grundschülern zu singen, bedürfe es nicht zwangsläufig einer musikalischen Ausbildung, die an das Mozarteum heranreiche. In diesem Zusammenhang hinterfragte eine Lehrerin, weshalb es für angehende Grundschullehrer extrem schwere Mathematikprüfungen mit hoher Durchfallquote gibt. „Muss es so eine hohe Hürde sein?“, fragte sie angesichts des Lehrermangels. Der soziale und emotionale Bereich sei seit Corona fast noch wichtiger geworden als die reine Wissensvermittlung.

„Ich nehme mit: Sie brauchen Entlastung. Es gibt einen riesigen Anspruch, was in der Schule gelehrt werden soll. Und dann gibt es die ganze Bandbreite in der ersten Klasse: Die einen schreiben schon und zählen bis zwanzig – und die anderen halten zum ersten Mal einen Stift in der Hand“, ist sich die Ministerin des Spagats der Lehrerinnen bewusst.

 

 

„Helping Hands“
für die Lehrerinnen?

Unterstützung für die Grundschullehrerinnen kann nach Ansicht von Kultusministerin Theresa Schopper mit pädagogischen Assistenten funktionieren. Ihr schwebt ein pädagogisches freiwilliges Jahr als Entlas­tungsmöglichkeit vor. Gleichwohl ist ihr bewusst, dass dafür nahezu alle Schulabgänger nötig wären, um den Bedarf in Baden-Württemberg zu decken. „In Deutsch und Mathe braucht es Fachlehrer, in vielen anderen Bereichen dagegen nicht“, ist sie überzeugt.

„Helping Hands kennt man aus England. Wenn noch jemand mit dabei ist, würde das auch hierzulande helfen“, erklärte Theresa Schopper. Dies griff sofort eine Lehrerin auf: „Ein Kind kommt zu spät, ein anderes hat sich in die Hose gemacht – das kommt alles gar nicht so selten vor. In solchen Situationen wäre es toll, wenn ich jemanden an der Seite hätte​​​​​​​, der ​​​​​​​für Ruhe bei dem zu spät kommenden Kind sorgt ode​​​​​​​r sich um eine saubere Hose kümmert. Mir wäre da eine enor­​​​​​​​me Last genommen​​​​​​​, damit ich mich um die anderen ​​​​​​​Kinder kümmern und Unterricht halten kann.“ Statt zu unterrichten, müsse sie sich um immer mehr Bürokratie kümmern, beispielsweise die Nachweise für die Masernimpfung anmahnen und einsammeln​​​​​​​​​​​​​​.

Die Realität beschrieb eine weitere Kollegin: 27 Kinder gehen in ihre dritte Klasse, davon ist eines ein Schulabstinenzler, drei mit Förderbedarf und eines mit „herausforderndem Sozialverhalten“. Bei all dem dürfe die Lehrergesundheit nicht auf der Strecke bleiben. „Wir beraten Eltern, machen nebenher Runde Tische, dazu hat sich der Erziehungsauftrag stark verändert. Der Bildungsplan sollte dringend entfrachtet werden, denn wir hecheln unserem eigentlichen Auftrag mit schlechtem Gewissen ständig hinterher. Ich arbeite wegen Corona Aufgaben von Klasse zwei nach – das ist Basisarbeit“, sagte sie. Den drei inklusiven Kindern könne sie nicht gerecht werden, die bräuchten mehr Unterstützung. Außerdem dürften die guten Schüler nicht unter die Räder kommen, Talente sollten schließlich gefördert werden. ih