Im Musikverein geht es nicht nur um Musik. „Es geht auch darum, zusammenzukommen und Spaß zu haben“, sagt René Bezler, der erste Vorstand des Ohmdener Musikvereins. Es würde, so Bezler, bestimmt einigen Menschen guttun, unter Leute zu gehen und gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. „Immer nur auf dem Sofa zu sitzen, ist nichts“, da ist sich der gebürtige Ohmdener sicher. Wer Mitglied im Musikverein ist, kann sich jedenfalls nicht über Langeweile oder zu wenige soziale Kontakte beklagen. Vom Funkenfeuer zum Jahresauftakt über die Ohmdener Fasnet und das Maifest bis hin zur Weihnachtsfeier ist das ganze Jahr im wahrsten Sinne des Wortes gut getaktet – da sind 100 Jahre geradezu im Handumdrehen vergangen.
Für Instrumente eisern gespart
Nur sieben Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde der Verein von neun Musikern im Jahr 1925 gegründet. „Die Menschen hatten kein Geld – es fehlte an allem“, sagt Bezler. Zudem musste jeder Musiker sein Instrument selbst bezahlen und anschaffen, was damals eine große Investition gewesen sei. Zusammenzukommen und gemeinsam Musik zu machen, sei den Gründern jedoch so wichtig gewesen, dass sie diese Mammutaufgabe stemmten. Mittlerweile zählt der Verein 247 Mitglieder, davon sind rund 30 in der Stammkapelle und 15 in der Jugendkapelle. Andere wiederum helfen etwa bei der Bewirtung des Musikerhäusle, dem idyllisch gelegenen Vereinsheim mit Blick auf die Alb. Sie mähen, gießen und packen mit an, wo immer Hilfe benötigt wird.

Der Zusammenhalt ist Grund genug, die Korken knallen zu lassen. Gesagt, geplant: Vom 18. bis 20. Juli wird in Ohmden gefeiert. Das macht der Musikverein aber nicht allein, sondern in bester Gesellschaft zusammen mit der Freiwilligen Feuerwehr Ohmden, dem Turn- und Sportverein, dem Golfclub und der Gemeinde selbst. Mit seinen 100 Jahren ist der Musikverein einer der Jüngsten in der Runde. Die Freiwillige Feuerwehr Ohmden feiert ihr 150-jähriges Bestehen, der Turn- und Sportverein sein 125-Jähriges, der Golfclub sein 25-Jähriges und die Gemeinde bringt es auf stolze 900 Jahre. Deshalb wird am Jubiläumswochenende groß aufgefahren: Festumzug, -zelt und natürlich Blasmusik.
Engagement ist unerlässlich
Dennoch gibt René Bezler zu bedenken: „Ein 100-jähriges Jubiläum ist kein Garant dafür, dass es von alleine weitergeht, geschweige denn, dass ein Ziel erreicht ist.“ Aber es sei ein Meilenstein, den man sich wortwörtlich auf die Fahne schreiben könne. Zugleich sei es ein starkes Signal dafür, dass der Gründungszweck (das Musizieren) bis heute für die Gesellschaft und das Dorfleben wichtig ist. Das große Engagement der Mitglieder, die die Freude an der Blasmusik, so Bezler, verbindet und anspornt, soll ein noch langes Fortbestehen möglich machen.
Der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft, so René Bezler, ist die Jugendarbeit: „Wir wollen junge Menschen für uns gewinnen und dann auch im Verein halten.“ Neben der wöchentlichen Probe gibt es daher viele Freizeitaktivitäten: Schlittschuhlaufen, Hüttenfreizeiten, pädagogische Tage und mehr stehen auf dem Programm. Durch ebensolche Veranstaltungen werde aus den Jugendlichen ein Team.

René Bezler ist es wichtig, zu sagen, dass jeder, der möchte, vorbeikommen darf. Es komme vor allem auf eines an: Spaß an der Musik. „Wir sind ein Musikverein und kein Kammerorchester.“ Für ihn ist es wichtiger, zuverlässig zu sein – da zu sein und sich zu engagieren, als dass jeder Ton perfekt sitzt. „Bei uns ist nicht immer alles perfekt und das muss es auch nicht sein.“ Der Musiker betont: „Es gibt für jeden ein Plätzchen – natürlich auch für die, die sehr gut spielen können.“
Das Taktgefühl wurde René Bezler quasi in die Wiege gelegt: Bereits sein Vater und seine Geschwister haben im Ohmdener Musikverein gespielt. Und obwohl der Posten als Vorstand nach viel Zeit und Aufmerksamkeit verlangt, ist es dem Musiker auch nach 26 Jahren Mitgliedschaft noch nicht zu viel geworden. Er überschlägt scherzend: „Wenn nicht gerade ein Jubiläum ansteht, hält sich der Aufwand in Grenzen.“
Liebenswert, nahbar, Ohmdener
„Die Geselligkeit hat abgenommen, viele wollen sich sozial nicht mehr stellen“, sagt René Bezler. Jeder habe Stress, müsse viel arbeiten – muss heim. Bezogen auf die Einwohnerzahl in Ohmden stehe der Ohmdener Musikverein dennoch sehr gut da. Es sei schon etwas Besonders, dass sie noch so gut besetzt seien. Eine spielfähige Stamm- und Jugendkapelle seien nicht mehr selbstverständlich. Auch viele größere Gemeinden hätten sich zusammenschließen müssen, um überhaupt noch spielen zu können. Das Geheimrezept der Ohmdener: „Wir sind einfach liebenswert und nahbar.“
Doch wer hält den Verein zusammen? „Wir haben einen Ausschuss mit elf Leuten, denen verschiedene Aufgaben zugewiesen sind, wie etwa die Finanzen oder die Öffentlichkeitsarbeit.“ Der Hauptzweck des Vereins sei jedoch in der kulturellen Weiterbildung der Musik zu sehen, weshalb die Kapelle und damit die Musikerinnen und Musiker zwangsläufig den Kern des Vereins bilden würden.

Mit Stolz, Demut und Anerkennung blickt der Ohmdener dem Jubiläum entgegen: „Wir sind uns vielleicht gar nicht bewusst, was das bedeutet und ob es überhaupt möglich ist, einer 100-jährigen Geschichte gerecht zu werden. Vielleicht ist es letztendlich einfach ein Jahr wie jedes andere, nur mit mehr Veranstaltungen und Sitzungen für die Planung.“ Auch danach gehe der Alltag weiter und sei geprägt von Proben, Festen, Auftritten, Jugendarbeit und dem Versuch sich dem Wandel der Zeit anzugleichen. René Bezler betont: „Ich persönlich bemühe mich, dieses Jubiläum als Momentaufnahme zu betrachten und freue mich darauf, gemeinsam mit meinen Musikkameraden zu musizieren.“
Meilensteine im Schnelldurchlauf
Eine Mitgliedschaft konnte sich Anfang des 20. Jahrhunderts nicht jeder leisten, deshalb entwickelte sich der Verein in den ersten zehn Jahren nur sehr langsam, bis 1929 zählt er lediglich 18 Mitglieder, sagt René Bezler. Auch die Folgejahre sollten sich düster gestalten: Wegen der Einberufung der aktiven Mitglieder, des Vorstands und des Kassiers wurden die Musikstunden bis auf Weiteres eingestellt. Die Instrumente und Noten wurden eingezogen und an einem sicheren Ort verwahrt. Dort sollten sie länger ruhen als erwartet: Erst im Jahr 1947 kamen die Instrumente wieder zum Einsatz. Endlich ging es wieder bergauf: In diesem Jahr konnten nicht nur 24 neue Mitglieder für den Verein gewonnen werden, auch die Theatergruppe des Musikvereins wurde gegründet. Im Jahr 1961 gab es dann die erste Einheitskleidung für die Kapelle. Im August 1968 wurde das Musikerhäusle eingeweiht – bis heute sei es der Mittelpunkt des Vereinslebens.
Im September 1969 fand der erste Besuch der Musikkapelle in Sankt Pankraz in Südtirol statt, es sind langjährige Freundschaften zwischen beiden Kapellen entstanden, erzählt Bezler. 1970 entschied sich der Verein für eine Tracht, die heute noch getragen wird und in Anlehnung an die um 1800 übliche schwäbische Sonntagstracht aus Kniebundhose, gelber Weste, blauem Janker und Dreispitzhut besteht. 1975 bekam der Verein Nachwuchs: Die Jugendkapelle wurde gegründet. Im Jahr 1976 fand das erste Fest unter dem Maibaum rund um das Musikerhäusle statt.

Im März 1987 betraten der Musikverein und die Jugendkapelle musikalisches Neuland: Die Gemeindehalle wurde zum Tonstudio umfunktioniert, um das Können des Musikvereins auf einer Langspielplatte festzuhalten. „Das war schon außergewöhnlich, in einen Ortsverein so eine Professionalität zu bringen“, sagt René Bezler. Zu dieser Zeit habe der Verein absolute Höchstklasse gespielt. Er habe teilweise 60 Mitglieder in der Stammkapelle und 50 Nachwuchsmusiker gezählt.
Das Jahr 2012 endete für den Musikverein bei der jährlichen Winter- und Weihnachtsfeier sehr plötzlich und unvorhergesehen. Während des zweiten Aktes des Theaterstückes war im Gymnastikraum der Gemeindehalle ein Feuer ausgebrochen. „Der entstandene Sachschaden war enorm“, sagt Bezler. Noten und Instrumente waren großteils dem Feuer zum Opfer gefallen. Der Ohmdener erinnert sich: „In dieser Zeit wurde dem Musikverein großartige Unterstützung in vielfältiger Weise zuteil.“