Zahllose Mythen ranken sich um den Schatz der Sibylle. Über Jahrhunderte hinweg beflügelten sie die Fantasien und nährten die Hoffnung, dass am Fuß des Teckfelsens ein gewaltiges Vermögen vergraben liegt.
All die Geschichten von Gold, Silber und Edelsteinen lockten im Jahr 1531 Schatzsucher nach Owen. Ihnen ist die erste schriftliche Erwähnung des Sibyllenlochs zu verdanken. Allerdings landete die Gruppe schnell im Kerker. Denn bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts galt die Schatzsuche mithilfe der Geisterbeschwörung als schwarze Magie, die im schlimmsten Fall mit dem Tode bestraft wurde. Letztlich waren es Ungeduld und Leichtsinn, die das illegale Treiben der fünf Männer auffliegen ließen. Schließlich hatten sie in Kirchheim bereits einen Grabungsantrag mit genauer Ortsangabe gestellt. So bekam die Obrigkeit recht schnell Wind von der Sache.
Vor Gericht konnten die Schatzsucher zwar ihr Leben retten, doch aus dem Fürstentum Württemberg wurden sie verbannt, wie Rolf Götz in seinem Buch „Die Sibylle von der Teck“ schreibt. Mehr als ein Jahrzehnt später brachte der erste Religionskrieg auf deutschem Boden spanische Truppen nach Württemberg. Am Ende der Auseinandersetzung, die als Schmalkaldischer Krieg in die Annalen einging, besetzten von 1547 bis 1552 spanische Truppen Württemberg und auch Kirchheim.
So erfuhren die Soldaten von dem sagenumwobenen Vermögen, das Bürger der Stadt für sie vergeblich suchen mussten. Etwa 140 Jahre später wurden zum letzten Mal Schatzgräbereien aktenkundig. Anfang 1690 trieben acht Bissinger einen zehn Klafter langen Stollen ins Sibyllenloch. Im Verlauf von sechs Wochen schleppten sie insgesamt über 400 Kasten Erde aus der Höhle. Wegen der im Frühjahr einsetzenden Feldarbeit konnten die Männer ihre Anstrengungen erst im Februar 1691 fortsetzen. Obwohl sie auf einen verschütteten Gang stießen, verlief auch diese Schatzsuche im Sand.
Trotzdem kursierte noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts das Gerücht, dass Sibylles verschollenes Vermögen entdeckt worden war. Anders konnten sich die Menschen damals nämlich nicht erklären, wie eine Bissinger Familie plötzlich zu Reichtum gekommen war. Franz Weiss vom Förderverein Archäologie, Kultur und Tourismus in Erkenbrechtsweiler hingegen weiß, dass es am Teckberg mehrere uralte Grabhügel gab, die während des Dritten Reiches eingeebnet wurden. Deshalb vermutet der Hobbyarchäologe, dass schon vor Jahrhunderten durch Feldarbeiten und Grabungen Gegenstände an die Oberfläche kamen. Da die Bevölkerung ebenso wenig wie die Schatzsucher von den Gräbern etwas wusste, nährten die Funde wahrscheinlich den Mythos vom Sibyllenschatz. Dass die Sibylle, auf die die Geschichten zurückgehen, eine arme Frau war, die sich und ihre zwei Kinder im Mittelalter mit Betteln über Wasser hielt, spielte dabei keine Rolle. Eine andere Erklärung für die ganzen Grabungen sieht Franz Weiss im Bauernaufstand. Der ging auch an der Burg Teck nicht spurlos vorüber, die 1525 geplündert und in Brand gesteckt wurde. Alarmiert durch aufsteigende Rauchschwaden eilten Truppen vom Hohenneuffen nach Owen. Die Aufständischen mussten ihr Raubgut also schnell verstecken. „Aufzeichnungen zeigen, dass die Gegenstände nie wieder aufgetaucht sind“, berichtet der Laienforscher.
Das förderte wohl die Vermutung, dass die Bauern auf der Flucht Kostbarkeiten im Wald, auf der Flur oder in einem Ort zurückgelassen haben. Hinzu kommt, dass sich vor den Toren Owens eine rund zwei Hektar große römische Siedlung aus dem fünften Jahrhundert nachweisen lässt. Noch heute findet Franz Weiss dort uralte Münzen, Becher, Glasflaschen und andere Zeugnisse. Er nimmt an, dass solche Gegenstände auch in früheren Epochen an die Oberfläche kamen. „Für damalige Verhältnisse waren das wertvolle Stücke, die sich nur Reiche leisten konnten und die deshalb der Burgplünderung zugeschrieben wurden“, mutmaßt der Hobbyarchäologe. Er ist deshalb überzeugt, dass derartige Funde die Goldgräberstimmung anheizten und den Mythos vom Schatz für viele zur Gewissheit machten.