Er hat lange durchgehalten. Im November 2021 bekam Ulrich Kraft vom Finanzamt eine Steuernachzahlung aufgebrummt, die den Betreiber des Grabenstetter Lebensmittel- und Getränkemarktes in den Ruin trieb und ihm finanziell den Boden unter den Füßen weggerissen hat. Damals war sofort und unwiderruflich Krafts Entscheidung gefallen, den Laden zu schließen und das Gebäude mit Wohn- und Ladenteil zu verkaufen – gezwungenermaßen.
Hellhörig wurde man auf diese Androhung hin auch im Grabenstetter Rathaus. Den einzigen Nahversorger im Ort zu verlieren, das wollten weder Verwaltung noch Gemeinderat riskieren. Bürgermeister Roland Deh nahm daher Kontakt mit Ulrich Kraft auf. Zunächst wurde die Suche nach einem Käufer und möglichen Nachfolger als Betreiber des Lebensmittel- und Getränkemarktes aus dem Rathaus aus der Ferne beobachtet. „Es gab Interessenten, aber letztlich ist der Verkauf an Kleinigkeiten gescheitert“, blickt Kraft auf die Verhandlungen zurück. Als dann ein Handwerksbetrieb Interesse an einem Kauf bekundete, statt eines Supermarktes dort aber eine Lagerhalle einrichten wollte, war es für die Gemeinde endgültig an der Zeit, einzuschreiten.
Kurzerhand wurde beschlossen, das Geschäft in kommunale Hand zu holen. „Das war nicht so geplant und wir hatten das Geld auch nicht einfach so rumliegen, aber eine funktionierende Nahversorgung gehört zur Daseinsvorsorge einer Kommune“, erklärt Deh den Kauf des Ladengeschäfts. Nur nebenbei: Zur Sicherung eben dieser Daseinsvorsorge hat die Gemeinde im vergangenen Jahr übrigens ein Ärztehaus gekauft, um auch die Versorgung auf diesem Sektor langfristig zu sichern. „Die Gemeinde Grabenstetten ist jetzt Eigentümerin eines Ärztehauses und eines Supermarktes“, schmunzelt Deh über diesen Umstand.
Im Falle des Lebensmittelmarktes fehlte freilich noch ein Betreiber, weswegen schon parallel zu den Verkaufsgesprächen Kontakt zur Tante M-Kette von Christian Maresch aufgenommen wurde. Dieser bekundete auch umgehend Interesse, in Grabenstetten eine weitere Filiale zu eröffnen – die 43.
Die nötigen Umbaumaßnahmen im Laden übernimmt die Gemeinde Grabenstetten. Künftig wird nämlich der Lebensmittelbereich des Tante M von einem separaten Getränkemarkt abgetrennt sein. Letzterer wird ganz normal wie bislang weiter von Krafts betrieben, ebenso die Post- und die Lotto-Annahmestelle. Ebenso erhalten bleiben der Lieferservice von Getränken bis an die Haustür und die zuverlässige Versorgung der Grabenstetter Vereine bei Festen und Feiern. „In Sachen Getränke ändert sich für die Kunden gar nichts“, versichert Ulrich Kraft, „und wer außerhalb der Öffnungszeiten etwas braucht, kann sich wie bislang auch bei uns melden, dann finden wir eine Lösung.“
Kein Personal
Der Tante M wird direkt von der Kette betrieben, also nicht über einen Franchise-Unternehmer. Bekanntlich gibt es in den Tante M-Läden kein Verkaufspersonal. Die Kunden bedienen sich selbst und bezahlen dann bargeldlos am Automaten. Möglich ist dies entweder mit einer EC-Karte oder einer speziellen Guthabenkarte von Tante M. Zu- und Ausgang werden elektronisch geregelt. Auch in den Getränkemarkt gelangt man nur durch den vorgelagerten Tante M. Zwei Mal pro Woche wird frische Ware geliefert. Was es allerdings nicht mehr geben wird, ist eine Theke mit frischen Backwaren. Diese ist ab sofort in der Alten Mühle in Grabenstetten zu finden.
„Der Erfolg dieses Gesamtkonstrukts steht und fällt mit den Kunden. Nur wenn die Grabenstetter dort auch einkaufen, kann die Nahversorgung langfristig erhalten bleiben“, sagt Bürgermeister Deh. Besonders freut er sich über den Erhalt der Post-Annahme, weil seine Gemeinde aufgrund der Einwohnerzahl eigentlich keinen Anspruch darauf hätte. So aber hat gerade die Post wegen der besonderen Öffnungszeiten in der Vergangenheit auch Kundschaft aus den umliegenden Gemeinden angelockt. Die Eröffnung des Tante M ist am Freitag, 8. September, um 16 Uhr. Künftig hat er täglich von 5 bis 23 Uhr geöffnet.