Zwischen Neckar und Alb
Der Neckar: Weniger Fracht trotz konstantem Pegel

Umwelt Der Neckar ist nicht stark vom Niedrigwasser betroffen. Trotzdem haben die Frachtschiffe deutlich weniger Ladung an Bord als sonst. Das hat eventuell Auswirkungen auf die Energieversorgung. Von Dominic Berner

Wegen der Trockenheit sinken seit Wochen die Wasserpegel der Flüsse und Seen in Baden-Württemberg. Vor wenigen Tagen veröffentlichte die Landesanstalt für Umwelt eine besorgniserregende Mitteilung. Demnach liege der Wasserstand bei 80 Prozent der Flüsse und Seen im Land auf einem Niveau, das unter dem niedrigsten Wasserstand eines durchschnittlichen Jahres liegt. Besonders hart hat es Deutschlands wichtigste Wasserstraße getroffen – den Rhein. Aber auch im Kreis Esslingen macht sich das Niedrigwasser bemerkbar. Die Frachtschiffe, die über den Neckar wichtige Rohstoffe anliefern, können nämlich nicht so viel laden wie sonst.

Das liegt nicht daran, dass der Neckar zu wenig Wasser hat, erklärt der Geschäftsführer des Plochinger Hafens, Gerhard Straub. Denn: „Der Neckar wird so stark staugeregelt, dass uns das nicht so sehr betrifft.“ Die zahlreichen Stauanlagen, wie jene hinter dem Gebäude des Esslinger Landratsamtes oder die Staustufe in Oberesslingen, regeln, dass der Wasserpegel konstant bleibt und eine Fahrrinne von 2,80 Meter gewährleistet werden kann. Das Problem liegt woanders.

Nur, weil der Pegel im Neckar konstant ist, bedeutet das nicht, dass das landesweite Niedrigwasserproblem an den Unternehmen in der Region spurlos vorbeigeht. Die wenigsten Frachtschiffe verkehren ausschließlich auf dem Neckar. Die Mehrzahl legt weite Distanzen zurück und muss den Rhein passieren, um den Plochinger Hafen anzusteuern. Deshalb gibt es einige Kähne, die weniger Fracht laden können und somit auch weniger Waren in den Neckarhäfen abliefern. Rohstoffe und Güter, die vor ein paar Wochen auf ein einziges Schiff gepasst haben, müssten teilweise auf drei verteilt werden, erklärt Straub. Das stellt einige Logistiker vor große Herausforderungen.

So bezieht das EnBW-Kraftwerk Altbach/Deizisau einen Teil seiner Kohle über den Fluss. In Anbetracht der derzeitigen Lage bedeutet das, „dass sich sowohl die Anzahl ,einsatzfähiger Schiffe‘ als auch die möglichen Lademengen in unterschiedlicher Größenordnung reduziert“, sagt Unternehmenssprecherin Ricarda Bohn. Und das führt wiederum dazu, dass die Transport- und Einsatzkosten der Kraftwerke steigen. Allerdings habe sich die EnBW in den vergangenen Monaten Vorräte angelegt. Die Kraftwerke – also auch das in Altbach/Deizisau – verfügen laut Bohn derzeit über einen „hohen Bestand“.

Neben dem Weg über den Neckar hat das Kohlekraftwerk in Altbach aber auch eine Schienenanbindung. Die Kohle kann also auch per Zug angeliefert werden. Doch weil die Frachter weniger Ladung aufnehmen können, verlagern viele Unternehmen ihre Lieferungen auf den Schienenweg. „Die Situation ist bei allen Bahntransportdienstleistern angespannt“, erklärt EnBW-Sprecherin Bohn. Das Energieunternehmen begrüße deshalb die „Bestrebungen, den Bahntransporten von Energierohstoffen Priorität einzuräumen“, sagt sie.

Inwieweit das Niedrigwasser die Energiekrise verschärfen könnte, bleibt fraglich. Fest steht, dass sich die EnBW derzeit „mit Hochdruck“ auf den Winter vorbereitet und weiter ihre Vorräte aufstockt. Wenn es also in der Anlieferung hakt, kann man sich vorstellen, dass das nicht spurlos an der Versorgung vorbeigeht. Auch aus ökologischer Sicht ist das Niedrigwasser in der Region Stuttgart und im ganzen Land problematisch. Denn wenn die Loks keine Kapazitäten mehr haben, müssen die Schiffsgüter mit Lastern ausgeliefert werden. Das würde nicht nur die Preise weiter in die Höhe treiben, sondern wäre auch für Natur und Umwelt eine noch größere Belastung. Wie ernst die Lage im Plochinger Hafen ist, lässt sich schwer beziffern. Im Juli wurden zwei Wochen lang Wartungsarbeiten an Schleusen vorgenommen, die Umschlagszahlen waren also ohnehin geringer. Laut Straub betrage der Umschlag derzeit etwa 40 Prozent von dem, was sonst üblich ist. Trotzdem bleibt er optimistisch. Zu Niedrigwasser komme es immer wieder, so sei die Dürre 2018 deutlich extremer gewesen. Und auch wenn es derzeit mehr sein könnte – „es ist noch Umschlag da“, sagt er.

 

Der Neckar im Kreis Esslingen

Schleusen Der Neckar ist nicht so stark vom Niedrigwasser betroffen, weil der Wasserpegel durch Schleusen konstant gehalten wird. Doch wie funktioniert das, wenn der Pegel in den umliegenden Gewässern sinkt? Der Geschäftsführer des Hafens Plochingen, Gerhard Straub, erklärt: Durch die Stauanlagen fließt das Wasser nicht so schnell ab. Es gibt also einen geringen Rückstau. So ist stets genug Wasser in der Rinne.

Hafen Plochingen Der Plochinger Hafen ist Anfangs- und Endpunkt der Binnenschifffahrt auf dem Neckar. Im Jahr 2021 wurden dort mehr als 1,2 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen. Auf der rund 200 Kilometer langen Strecke bis Mannheim liegen 27 Schleusen, die Schiffe überwinden einen Höhenunterschied von rund 161 Metern. dcb