Er ist CO2-neutral unterwegs und braucht sich von der Leistung und der Reichweite her nicht vor den herkömmlichen Dieselmodellen zu verstecken: Der neue Wasserstoff-Lkw, den Daimler Truck im Rahmen der „Woche des Wasserstoffs Süd“ vorgestellt hat, bringt vergleichbare Dauer- und Spitzenleistungen und kann mit dem Inhalt seiner zwei Flüssigwasserstoff-Tanks rund 1000 Kilometer an einem Stück zurücklegen. Unter der Fahrerkabine schlägt das Herzstück des Prototyps: ein Brennstoffzellensystem von Cellcentric in Nabern.
„Wir gehen mit dem Fahrzeug jetzt in die Intensiv-Probe“, erläutert Entwicklungsingenieur Andreas Höfert. Er ist an dem Tag in Wörth am Rhein Fahrer des neuen Vorzeige-Trucks und chauffiert Pressevertreter ebenso wie die rheinland-pfälzische Verkehrsministerin Daniela Schmitt über die werkseigene Teststrecke. Der silberne Truck ist ein weiterer Lkw-Prototyp von Mercedes-Benz, der mit der Technologie des Brennstoffzellenherstellers aus Nabern ausgestattet wurde.
Die Entwicklung der Brennstoffzelle ist abgeschlossen.
Wie weit die Brennstoffzellen-Technologie bereits fortgeschritten ist, verdeutlicht Dr. Florian Henkel, Bauteilverantwortlicher für die Brennstoffzellenstapel bei Cellcentric in Nabern: „Die Entwicklung der Brennstoffzelle ist abgeschlossen“, sagt er. „Jetzt geht es um die Industrialisierung des Produkts.“ Das heißt: Die Aggregate sind so weit ausgereift, dass sie einsatzfähig sind. Allerdings müssen nun erst einmal die Prozesse an große Stückzahlen angepasst werden. Dazu soll das „Klimawerk“ in Weilheim gebaut werden, eine der größten Brennstoffzellen-Serienproduktionen in Europa. Cellcentric plant, am Standort Weilheim 2025 die ersten Brennstoffzellen zu produzieren und 2026 in die Serienproduktion einzusteigen.
Dass der Zeitplan des Naberner Brennstoffzellenherstellers für sein Klimawerk „sportlich“ ist, war von Anfang an klar. Er steht jedoch in direktem Zusammenhang mit den Zeitplänen von Cellcentrics Shareholdern und Kunden. „In der zweiten Hälfte der Dekade wollen wir mit den Wasserstoff-Lkw in Serienproduktion gehen“, erläutert Roland Dold, der bei Daimler Truck die Vorentwicklung für die Mercedes Trucks leitet. Im Nacken sitzen Daimler Truck nicht nur die selbst gesteckte Ziele, sondern auch die EU-Klimaschutzvorgaben. Bereits 2025 greift die erste Stufe, 2030 folgt die nächste.
Entsprechend rechtzeitig muss Cellcentric die Brennstoffzelle vom Band liefern können. „Wir sind in der Kette noch vor den Lkw-Herstellern dran und müssen damit auch früher in die Produktion einsteigen“, so Florian Henkel. „Die Brennstoffzellenaggregate bestehen aus viele einzelnen Komponenten“, erläutert der Physiker – einer von mehreren Gründen dafür, dass Cellcentric für sein neues Werk bewusst den Standort Weilheim gewählt hat. Wir haben eine starke lokale Lieferanten- und Zuliefererinfrastruktur“, so Henkel. „In Baden-Württemberg sitzen all die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die wir für die einzelnen Produktionsschritte brauchen“ – ob es nun um Beschichtungen oder Abrollsysteme für die Membranen gehe.
Bei langen Strecken und hohem Gewicht
ist die Brennstoffzelle gefragt
Im GenH2-Prototyp von Daimler Truck ist ein rund 250 bis 300 Kilogramm schweres Brennstoffzellen-System von Cellcentric in Nabern verbaut. Es besteht aus zwei Aggregaten mit je 150 kW. Eine Hochvolt-Batterie, die von der Brennstoffzelle geladen wird, ergänzt das System. Während die Brennstoffzelle besonders gut bei konstanten Geschwindigkeiten arbeitet, übernimmt die Batterie, wenn kurzfristig hohe Leistungen gefragt sind.
Drei große Kunden beliefert Cellcentric mit Brennstoffzellensystemen: Daimler Truck, die Volvo Group und Rolls Royce. Daimler Truck und die Volvo Group sind beide Shareholder von Cellcentric und benötigen die Brennstoffzellen für ihre Lastwagen. Rolls Royce setzt die Brennstoffzelle für stationäre Systeme wie etwa Notstromaggregate ein.
Bei seiner Strategie hin zu klimaneutralem Lastverkehr setzt Daimler Truck sowohl auf batteriebetriebene als auch auf Brennstoffzellen-Fahrzeuge. Bei leichteren Lastwagen, die kürzere Distanzen fahren, ist die Batterie das Mittel der Wahl, bei schweren Lkw und langen Distanzen die Brennstoffzelle. Der Langstrecken-Schwerlastverkehr verursacht in Europa besonders hohe CO2-Emissionen.
Daimler Truck testet seit Längerem einen Brennstoffzellen-Lkw, der mit gasförmigem Wasserstoff betankt wird und bereits eine Straßenzulassung hat. Dazugekommen ist der neuen Prototyp, der mit flüssigem Wasserstoff fährt und dessen Straßenzulassung noch aussteht. Er verfügt über zwei Tanks, die zusammen 80 Kilo flüssigen, minus 253 Grad kalten Wasserstoff fassen. Für seine Lkw möchte Daimler Truck in Zukunft vorwiegend auf Flüssigwasserstoff setzen, unter anderem weil das Tanken leichter ist und mehr Wasserstoff die den Tank passt.