Das Beste hat sich die Fritz und Hildegard Ruoff-Stiftung bis zum Schluss aufgehoben: Nach Höhepunkten wie der Ausstellung der jungen Berliner Künstlerin Ambra Durante und dem Projekt „Kontinent Goecke“ schließt das erfolgreiche Jahr mit einer Schau eines der bedeutendsten deutschen Künstler nach 1960: Walter Stöhrer.
Es ist eine Ausstellung, deren Intensität schier atemberaubend ist. Stöhrers Werke haben Sogwirkung. Wilde Wirbel, ausschweifende Abstraktionen, Überlagerungen und Übermalungen, Wortfetzen und Fotografien, geisterhafte Figuren und Kopffüßler – all das formt sich bei dem Rebellen des Abstrakten zu einer einzigartigen Bilderwelt, schwankend zwischen Traum und Realität, Leinwand und raumfüllender Aktion.
Sie rational zu erfassen, meint Dr. Günter Baumann, der in die Ausstellung einführte, bleibe in den Anfängen stecken. Bei Stöhrer sei die Entgrenzung zum Programm geworden, werden das Ich und die Welt eins. „Stöhrer setzt auf alles und nichts“, umschreibt es der Kunsthistoriker. Hier mischen sich das Unbewusste und das Kalkulierte.
Bezüge zur Literatur
Großen Einfluss auf seine künstlerische Arbeit hat die Literatur. Bezüge zu Schriften von antiken Philosophen und französischen Surrealisten, in seinen letzten Lebensjahren vor allem aber der Lyriker Adonis, prägen seine Werke. „Ohne Literatur kann ich nicht leben“, soll Stöhrer einmal gesagt haben. In Massen habe er sie verschlungen, berichtet Baumann, geistern sie durch seine Werke. Und so hat auch der Titel der Ausstellung den Bezug zur Literatur: „Das Beben Schönheit“ bezieht sich auf den Schlusssatz von „Nadja“ von André Breton: „Die Schönheit wird wie ein Beben sein oder sie wird nicht sein.“
Die Arbeiten sprechen von einer großen Leidenschaft und Hingabe. Davon erzählt auch seine Witwe, Hannelore Forstbauer, die zusammen mit ihrer Enkelin Rosa Hoppe eigens zur Vernissage nach Nürtingen gekommen war: „Er hat seine Arbeiten mit solch einer Intensität und Liebe betrachtet und behandelt.“
Seine sehr persönliche, emotionsgeladene künstlerische Vorgehensweise definierte Stöhrer, der im Jahr 2000 verstarb und im Januar 2023 seinen 85. Geburtstag gefeiert hätte, als „intrapsychischen Realismus“. Bisweilen forderte den gebürtigen Stuttgarter dieser Malprozess derart, dass er in die Klinik eingeliefert werden musste. So entstanden Bilder voller Rausch, Lebensgier, aber auch mit einer Sinnlichkeit, die den Betrachter zu packen und in sich hineinzusaugen scheinen.
Ein echtes Schmankerl also, mit dem die Ruoff-Stiftung dieses Mal das Jahr krönt. Der besondere Dank von Kulturamtsleiterin Susanne Ackermann galt am Sonntag deshalb Hannelore Forstbauer und der Stöhrer-Stiftung sowie den Galerien Klaus Gerrit Friese (Berlin) und Schlichtenmaier (Stuttgart), die diese besondere Bilderschau ermöglicht haben.
Info Die Ausstellung „Das Beben Schönheit“ ist bis zum 15. Januar in der Fritz und Hildegard Ruoff-Stiftung in Nürtingen zu sehen. Die Ausstellung ist samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Weitere Informationen gibt es unter www.ruoff-stiftung.de