Als Gemeinde an der Autobahn ist Holzmaden von diesem Thema besonders betroffen: Lärmbelästigung. Die Gemeindeverwaltung ist ihrer Verpflichtung, einen so genannten „Lärmaktionsplan“ aufzustellen, bereits 2016 nachgekommen, im Februar 2019 kam noch ein Parkkonzept für den Ort hinzu, speziell für die Aichelberger Straße. Soweit, so gut.
Beide Projekte sind jedoch wegen Einwänden des Landkreises ins Stocken geraten, was auch Bürgermeisterin Susanne Irion ärgert. Denn bislang hat das Straßenamt des Landkreises das letzte Wort, wenn es um Tempo-30-Zonen oder andere Maßnahmen ging: „Wir sind nicht Trägerin aller Straßen, müssen also die Bürgerschaft enttäuschen, wenn wir die Beschlüsse Bürgerbeteiligung nicht umsetzen können.“ Das betraf insbesondere die Ortsdurchfahrt, ebenso die Landstraße und auch die Autobahn. Zumindest für die Ortsdurchfahrt könnte sich das nun ändern, wie Rechtsanwalt Bastian Reuße den Gemeinderäten erklärt.
Denn das Verwaltungsgericht Mannheim hat die Schutzwürdigkeit von Anwohnern vor Straßenverkehrslärm neu gewichtet und die Kompetenzen der Gemeinden in diesem Punkt gestärkt. Die Rede ist von „Gefahrenlagen“ durch Lärm. Bastian Reuße zeigt sich daher zuversichtlich, im Gemeinderat beschlossene Maßnahmen zum Lärmschutz besser durchsetzen zu können, auch gegen den Willen der Straßenbehörde. Damit sind die Erfolgsaussichten für die 2019 begonnene Version des „Lärmaktionsplans“ gestiegen.
Die magische Grenze liegt seit einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofes im Bereich zwischen 55 und 65 Dezibel. Hier beginnt per Definition bereits die Gesundheitsgefährdung von Anwohnern. Auf 65 Dezibel kommt ein Fernseher in Zimmerlautstärke. Bei Lärmbelastungen über 70 Dezibel herrscht vordringlicher Handlungsbedarf, Reuße spricht von einer „Anordnungspflicht“ für die Gemeinde. „Der Tiger bekommt Zähne“, frohlockt Susanne Irion während der Sitzung.
Tempo 100 auf der A8
Bereits 2016 sind erste Maßnahmen erwogen worden, etwa einen lärmschluckenden Fahrbahnbelag auf der A8. Dort liegen derzeit noch Betonplatten auf der Höhe Holzmaden. Die Forderung der Gemeinde in der neuen Fassung des Lärmaktionsplans lautet daher Tempo 100 auf diesem Abschnitt - zumindest solange, bis ein neuer Belag kommt. Ebenso ist ein nächtliches Durchfahrverbot auf der L1200 von Kirchheim nach Weilheim vorgesehen, sowie eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 Stundenkilometer auf diesem Abschnitt. Neu kommt in der aktuellen Version hinzu, dass sich das Durchfahrverbot auch auf Fahrzeuge ab 2,8 Tonnen bezieht, also der klassische „Sprinter“. Pakete können ab 22 Uhr somit nicht mehr angeliefert werden. Ob sich da die Paketdienste dran halten werden? Damit könnte laut Ingenieur Jürgen Roth jedoch der größte Effekt erzielt werden, was die reine Anzahl der Anwohner betrifft, die von Lärmbelästigung profitierten. Anlieger mit Wohnmobil müssen sich jedenfalls keine Sorgen machen, wenn sie spät nachts aus dem Urlaub heimkommen: Anwohner sollen dort jederzeit durchfahren können. Ob ein Verbot für „Sprinter“ und Co ohne weiteres machbar ist, prüft nun die Anwaltskanzlei.
Generell attestiert das Gutachten der Gemeinde eine „flächenhafte Verlärmung“ durch die Autobahn, vor allem im Süden. Nördlich gebe es einige Flächen mit weniger Lärm. Die Gemeindeverwaltung prüft jetzt noch, ob die Ofenwiesen im Nordosten als ruhiges Gebiet ausgewiesen werden können. Dort wurden aber teilweise Pegelbereiche von 55 bis 60 Dezibel gemessen, nachts 45 bis 50 - das gilt schon als gesundheitsgefährdend.
Ab nächsten Donnerstag soll die Version des neuen Lärmschutzplans ausliegen, die Bürger sind dann zur Beteiligung aufgerufen. Dazu haben sie bis Ende Februar Gelegenheit. Diesem Beschluss hat der Gemeinderat mit einer Enthaltung zu gestimmt.