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Der Zauberer auf der Handpan

Straßenmusik Heiko Mögerle aus Notzingen sitzt gerne in Fußgängerzonen und spielt auf seinem Instrument. Vor einem Jahr hat der 26-Jährige damit angefangen. Von Marion Brucker

Was ist das denn?“ Diese Frage wird Heiko Mögerle immer wieder gestellt, wenn er in der Kirchheimer oder Esslinger Innenstadt Straßenmusik spielt. Der 26-Jährige aus Notzingen sitzt auf einem dreieckigen Schemel, auf seinen Knien liegt ein kupferfarbenes Instrument mit zehn runden Wölbungen. Immer wieder fährt er mit beiden Handflächen darüber und entlockt diesem Klänge. Dazu singt er Noten ohne Worte wie ein A in verschiedenen Tönen. Passanten drehen sich nach ihm um oder bleiben stehen, um ihm zuzuhören.

Vor gut einem Jahr hat er die Handpan für sich entdeckt. Die ers­ten zweieinhalb bis drei Monate hat er täglich ein bis drei Stunden geübt. Dann hat es sich, wie er sagt, „allmählich gut angehört“, und er ist erstmals auf der Straße aufgetreten. „Als Erstes war ich in Kirchheim an einem Brunnen in der Innenstadt. Dort spiele ich am liebsten“, sagt der 26-Jährige. Doch in Kirchheim dürfe man nur sechs Mal jährlich auftreten. Grundsätzlich müssen sich dort Straßenmusizierende persönlich, per Telefon oder per E-Mail anmelden. „Die Genehmigung wird von unserem Vollzugsdienst kontrolliert“, erklärt Vanessa Palesch, zuständig für Gremien und Öffentlichkeitsarbeit der Stadtverwaltung Kirchheim.

In Esslingen dagegen geht es unkomplizierter zu. „Grundsätzlich wird Straßenmusik geduldet, eine Genehmigung unsererseits wird hierfür nicht erteilt“, erklärt Jochen Pfingsttag, Abteilungsleiter des Bereiches Allgemeine Sicherheit und Ordnung beim Ordnungs- und Standesamt der Stadt Esslingen. Allerdings dürfen keine Tonverstärker benutzt werden.

Drei Stücke wie in München müssen Straßenmusizierende in beiden Städten jedoch nicht vorspielen. Dort entscheidet die Leiterin der Stadtinformation oder einer ihrer sechs Mitarbeitenden, welche Musikerinnen und Musiker den Ohren von Passanten und Ladenbesitzern in Münchens Fußgängerzone zuzumuten sind. Mehr als 500 Musizierende sind aktuell in der Kartei. In Esslingen und Kirchheim wird darüber keine Statistik geführt. Mögerle hat von dieser Praxis auch schon gehört, aber noch nie in München gespielt. Für ihn ist die Reaktion der Zuhörer wichtig. „Die meisten sind unglaublich bewegt und hellauf begeistert“, sagt er. Und das über alle Altersklassen hinweg. Er ließe sich auch unterbrechen und gelegentlich die Menschen sein Instrument ausprobieren.

Akkordfolgen und Takte

Auf diese Art und Weise sei auch er zum Spielen gekommen. Der Notzinger erzählt begeistert, wie er vergangenes Jahr während seines Urlaubs im Schwarzwald Malte Marten beim Handpan-Spielen zugehört hat. „Ich war so gerührt von dieser Musik und musste das unbedingt auch mal ausprobieren“, erinnert er sich. Marten, der eigenen Angaben zufolge bekannteste Handpan-Spieler Deutschlands, habe ihm bis zum Ende seines Urlaubs das Instrument ausgeliehen und ihm auch gezeigt, es zu spielen. „Ich habe eine musikalische Ader und ein Gefühl für Takt und Rhythmus und ich weiß, was man reinpacken kann“, sagt Mögerle, der sich das Instrument bei Marten anschließend gekauft hat. Er habe keine Stücke, die er spiele, sondern es handele sich um Akkordfolgen und Takte.

In Kirchheim zählt seine Handpan zu den außergewöhnlichen Instrumenten. Häufig wird Gitarre und Flöte gespielt oder gesungen, heißt es von der Stadt. Während dort besonders laute Instrumente nicht erlaubt sind, wie Blechinstrumente, Schlagzeuge und ähnliche Rhythmusinstrumente sowie Dudelsackpfeifen, hat in Esslingen der Straßenmusizierende freie Wahl.

Trotzdem beschwert sich laut Pfingsttag in Esslingen so gut wie niemand über Straßenmusik. Palesch aus Kirchheim berichtet dagegen: „Es gibt vor allem Beschwerden, wenn über einen längeren Zeitraum sehr laut gesungen wird, wenn der Platz nicht gewechselt oder wenn immer das Gleiche gespielt wird.“ Beklage sich jemand und seien die Personen nicht angemeldet, würden sie für diesen Tag weggeschickt. In Esslingen muss der Standort im Falle von Beschwerden umgehend gewechselt werden. Mögerle ist das auch schon passiert. „Es ist wichtig, dass man das respektiert“, sagt er. Er spiele für das Spiel selbst und müsse von der Musik nicht leben, sagt der Auszubildende für Jugend- und Heim­erziehung. „Wenn mich die Leute anstrahlen, fühle ich Dankbarkeit“, sagt er. Werfen sie ihm dann noch etwas in die vor ihm liegende Mütze, sei das das Sahnehäubchen. Wer ihn noch länger als auf der Straße spielen hören möchte, kann ihn über seinen Instagram­account unter @heiko.moegerle buchen.

 

Straßenmusik hat ihre eigenen Gesetze

Die Handpan: Bei dem an einen Topf erinnernden Klangkörper handelt es sich um ein mit den Händen gespieltes Blechklanginstrument, das durch die Steel Panaus Trinidad und den Tontopf Ghatam aus Südindien inspiriert wurde. Das Instrument kam vor rund 15 Jahren auf den Markt. Alle Varianten des zu den Aufschlagidiophonen gehörenden Melodieinstruments bestehen aus zwei verbundenen Stahlblechschalen mit mehreren Tonfeldern in der oberen Schale.

Straßenmusik: In Esslingen und Kirchheim dürfen Straßenmusizierende 30 Minuten am selben Standort spielen, bevor sie wechseln müssen, solange sich niemand davon gestört fühlt. In Kirchheim treten die meisten Straßenmusizierenden im Sommer auf, in Esslingen dagegen ist Hauptsaison während des Mittelalter-Weihnachtsmarkts. Woher die Musizierenden kommen oder welche Instrumente bevorzugt gespielt werden, darüber führt die Stadt Esslingen keine Statistik. In Kirchheim sind die meisten Musizierenden aus der Region. Einige kommen auch von auswärts oder sind Durchreisende. Bevorzugte Plätze sind in Esslingen, wo im gesamten Stadtgebiet gespielt werden darf, der Rathausplatz, Marktplatz und die Bahnhofstraße. In Kirchheim darf in der gesamten Innenstadt gespielt werden, jedoch nicht auf dem Wochenmarkt. mb