Warum die Hockerbohne eine Hockerbohne ist? Ganz einfach: Sie ist keine rankende Bohne, sondern eine Buschbohne. So gezüchtet, damit man sie leichter ernten kann. „Auf gut Schwäbisch ist sie verhockt“, sagt Roman Lenz. Das klingt ganz entspannt und heiter. Aber die Suche nach seltenen Sorten hat einen ernsten Hintergrund, wie der Biologe und ehemalige Nürtinger Hochschulprofessor Lenz erklärt. Viele Sorten seien bereits unwiederbringlich verloren. Und vielen anderen droht dieses Schicksal.
Der Verein „Genbänkle“ will dem entgegenwirken. Beinahe detektivisch werden alte, seltene und verschollene Sorten gesucht, wieder unter die Leute gebracht und so vor dem Aussterben bewahrt. Lenz sieht darin einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Biodiversität. Nicht nur Zauneidechsen und Laubfrösche gehörten auf Rote Listen; und nicht nur alte Häuser seien schützenswert. Es seien auch viele Pflanzensorten bedroht.
In drei Jahren 30 Sorten gerettet
Eigentlich sei deren Schutz eine hoheitliche Aufgabe. Doch von Staats wegen werde wenig bis nichts getan. Deshalb trat der Verein Genbänkle auf den Plan. In den vergangenen drei Jahren hat der mit seinem Projekt Sorten-Detektive knapp 30 verschollene Sorten gerettet. „Die wären sonst verschwunden“, sagt Lenz. Nun legt man ein Heft auf, in dem die Sortenfunde dokumentiert werden – und mit dem man den rund 100 Mitgliedern und den 14 unterstützenden Firmen und Institutionen zeigen will, für was ihr Geld verwendet wird. Die Hockerbohne ist ebenfalls aufgeführt, genauer: die Bunte Hockerbohne. Funde gab es in Mössingen und in Linsenhofen. Und in Nürtingen habe eine ältere Dame früher eine Nürtinger Hockerbohne kultiviert. Bunt heißt sie ob ihrer verschiedenfarbigen Kerne: schwarz, rot, gelb, weiß, gescheckt. Auch das Schäfermädle aus Neidlingen – eine Stangenbohne – findet sich in dem Heft. Lenz: „Eine gute Bohne, robust im Anbau.“ Eine Familie kultivierte sie über vier Generationen.
Natürlich gibt es in der Dokumentation auch Salate, Zwiebeln oder zum Beispiel den Ulmer Spargel. Auffällig aber sei, so der Wissenschaftler, dass viele Hülsenfrüchte wie eben Bohnen gerettet wurden. „Die konnte man früher gut anbauen“, erklärt er. Sie seien ein Hauptnahrungsmittel gewesen: Im 19. Jahrhundert verbrauchte eine Person im Jahr 70 bis 80 Kilogramm Hülsenfrüchte, rechnet Lenz vor. Die wurden im 20. Jahrhundert von der Kartoffel verdrängt. „Und dann kam das Schweinefleisch als Hauptproteinträger.“
Als sich die Menschen das leisten konnten, löste das Fleisch die Pflanzen ab. Aber: „Das kommt wieder“, glaubt Lenz. Bereits jetzt würden pro Jahr zehn Prozent weniger Schweinefleisch vertilgt: „Hülsenfrüchte werden ein Riesenthema.“ Auch die Marketinggesellschaft für Forst- und Agrarprodukte des Landes sei auf die Bohne aufmerksam geworden. Sie kümmert sich um ein Siegel für solche regionale Spezialitäten – und um den Eintrag beim Marken- und Patentamt. Dafür muss aber nachgewiesen werden, dass eine Pflanze eine regionale Spezialität ist. Lenz hat da zum Beispiel einen Eintrag in einem alten Kochbuch gefunden: „Da stand drin, dass man den Eintopf mit der Schwabenbohne kochen solle.“ Der Begriff ist also überliefert. So gibt es regionalen Schutz. Von drei Landwirten und Privatpersonen hat der Verein Schwabenbohnen bekommen. Er führt solche Sorten unter anderem auch auf seiner Homepage auf. So sieht man, wo man sie bekommen kann. Dann wird sie von weiteren Gärtnern angebaut – „und so lebt die Pflanze weiter“.
Mehr Sortenretter gesucht
Auch wenn das Genbänkle in Nürtingen gestartet ist: Die Kreise der Sortenretter sollen sich ausdehnen. Dabei hilft nun auch die Münchner Lesser-Stiftung für Naturschutz. In zwei Jahren gibt sie 30 000 Euro. Damit wird die Suche auf den Alpenraum ausgedehnt. Zu Deutschland kommen die Schweiz, Österreich und Italien hinzu. In den Bergen, so Lenz, finden sich eher abgelegene Orte – wo seltene Sorten nicht so schnell verdrängt werden. Beispielsweise nach Südtirol wurden bereits Kontakte geknüpft, dort gibt es den Verein „Sortengarten“.
Lenz freut sich besonders, dass erstmals eine aktive Stiftung die Bedeutung der Sortenrettung erkannt hat. Es sei höchste Zeit für die Rettung – eigentlich sei es schon „fünf nach zwölf“. Ein Beispiel: Von den einst 15 Sorten Filderspitzkraut verschwindet eine pro Jahr, wenn nichts geschehe. Als sich die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen einschaltete, habe es noch sieben oder acht gegeben. Deshalb sei es schade, dass es für diese bedrohten Sorten auf Landesebene keine Lobby gebe. Zudem gebe es für den Einzelnen zu viele bürokratische Hürden, um Einträge in Genbanken zu realisieren. Dabei sei die genetische Vielfalt ein schützenswertes Kulturgut.