Glaube
Dettinger Pfarrer begeistert Community im Netz

Nicolai Opifanti hält digitale Gottesdienste und teilt seine Gedanken zu aktuellen Themen. Auf Instagram hat er über 13.000 Follower.

Nicolai Opifanti

Herr Opifanti, wie wird man „digitaler Pfarrer“?

Nicolai Opifanti: Menschen, die nichts mit Kirche zu tun haben, stellten mir immer wieder die typischen Fragen wie: „Warum lässt Gott Leid zu?“ Nach meinem Theologiestudium habe ich beschlossen, ein virtuelles Tagebuch über Instagram zu führen, damit die Leute meinen Alltag als Pfarrer verfolgen können und ich die Fragen der Menschen beantworten kann. Es war ein glücklicher Zufall, dass jemand von „DasDing“ und später der SWR auf mein Profil aufmerksam wurde. Während Corona ging mein Profil plötzlich durch die Decke.

Wie nutzen Sie soziale Medien?

Auf Instagram nutze ich Reels und Posts über Gott und Glaubensfragen. Täglich bekomme ich zwischen 20 und 40 Fragen zur Seelsorge. Zusammen mit meiner Kollegin Sarah Schindler veranstalte ich monatliche „Sprechstunden“, zu denen wir Gäste einladen und live die Fragen der Follower beantworten. Wir hatten zum Beispiel schon eine Notfallseelsorgerin zu Gast oder haben über Schwangerschaftsabbrüche gesprochen.

Welche Rolle spielt Gemeinschaft im Glauben?

Ich habe selbst erfahren, wie gut Gemeinschaft tut. Daher ist es mir sehr wichtig, sie aufrechtzuerhalten. Mein Kollege Daniel Trostel und ich legen großen Wert darauf, die Gemeinschaft in Dettingen zu fördern. Bundesweit gehen die Besucherzahlen von Gottesdiensten zwar zurück, aber in unserer Kirchengemeinde und in der Region halten sie sich stabil. Wir betreiben viel Jugendarbeit und haben sogar ein Familienzentrum. Wir gehen raus aus den Kirchenmauern und bringen Kirche mitten ins Leben. So haben wir zum Beispiel die „Sommerkirche“ mit Volleyballturnieren ins Leben gerufen.

Lassen sich Traditionen mit modernen Glaubenselementen verbinden?

Im digitalen Zeitalter bieten Traditionen Sicherheit und sind für viele ein wichtiger Bestandteil. In unseren Insta-Gottesdiensten trete ich im Talar auf, dem klassischen Gewand des Pfarrers. Viele Menschen verbinden damit Halt und Geborgenheit. Ein interessanter Fakt ist, dass sich für die Online-Gottesdienste viele traditionelle Lieder wünschen, wie zum Beispiel „Von guten Mächten wunderbar geborgen“.

Wie können Menschen Glauben in ihren Alltag integrieren?

Es ist wichtig, Gleichgesinnte zu finden – Menschen, die ähnlich ticken! Das ist ja das Schöne an den sozialen Medien, sie erleichtern den Kontakt miteinander. Man kann jemanden anschreiben oder fragen, ob man gemeinsam beten oder in der Bibel lesen möchte. Wer eine Gemeinde sucht, kann sich an mich wenden. Ich vermittle Menschen an Gemeinden oder helfe denen weiter, die sich in bestehenden Gemeinden nicht wohlfühlen.

Warum interessieren sich immer weniger junge Menschen für die Kirche?

Das Interesse am Glauben nimmt nicht ab, es handelt sich dabei um ein urmenschliches Interesse. Die Kirche hat eher ein Marketing-Problem. Viele Inhalte werden nicht mehr verständlich vermittelt – wir müssen in unserer Sprache online und analog die Botschaft von Jesus so predigen, dass sie für jeden verständlich ist.

Was kritisieren junge Menschen, was wünschen sie sich von Ihnen? 

Viele bemängeln die Sprache in den klassischen Gottesdiensten, sie empfinden sie als zu weit weg von ihrer Alltagssprache. Für meine Formate bekomme ich viel positives Feedback, manche wünschen sich einen Podcast. Deswegen fördern wir Nachwuchs, um mehr Menschen zu finden, die sich in der Kirche engagieren.

Nicolai Opifanti ist zu jeweils 50 Prozent „analoger“ Pfarrer in der Kirchengemeinde Dettingen und „digitaler“ Pfarrer der württembergischen Landeskirche. Auf seinem Instagram-Account @pfarrerausplastik gibt er auch mal Tipps gegen die Hitze.