Einweihungsfest
Deutschlands größtes Holzparkhaus geht in Wendlingen in Betrieb

Volksfeststimmung bei der Einweihung: Das Interesse der Bevölkerung an dem Zukunftsprojekt für nachhaltiges Bauen war riesig. IBA-Intendant Andreas Hofer: „Wir müssen Bauen neu denken.“

Das fertige Holzparkhaus aus der Vogelperspektive. Foto: Jürgen Holzwarth

Dass die Einweihung des Holzparkhauses ausgerechnet auf einen Freitag, den 13. fiel und damit eventuell Unglück bringen würde, daran verschwendete offensichtlich keiner einen Gedanken, und wenn doch, dann war dieser spätestens beim Betreten des Holzgebäudes verflogen. Umgeben von massiven aber hellen Holzbalken kam sogar ein Gefühl der Behaglichkeit auf. Ein Gefühl, das einen in für gewöhnlich dunklen Tiefgaragen nicht umgibt. Das liegt daran, dass das vierstöckige Gebäude nicht in die Erde, sondern in die Höhe gebaut worden ist und mit einem grandiosen Ausblick auf die nähere und weitere Umgebung punkten kann.

Lobeshymnen auf die Architektur und Nachhaltigkeit des deutschlandweit wohl größten Holzparkhauses gab es schon vorher reichlich. Das bescherte dem Gebäude im Vorfeld der Eröffnung bereits viel Beachtung, sowohl aus dem In- wie Ausland – und nicht nur unter Fachleuten, sondern auch bei den Bürgern, wie die zahlreichen immer ausgebuchten Führungen im Holzgebäude gezeigt haben. Nach einer Gesamtbauzeit von über zwei Jahren, anderthalb Jahren nach dem ersten Spatenstich und einem Richtfest vor knapp einem Jahr konnte das Gebäude am Freitag seiner Bestimmung übergeben werden. Die Gründe für den Bau des Parkhauses sind vielfältiger Art.

Das fertige Holzparkhaus aus der Vogelperspektive. Foto: Jürgen Holzwarth

Dort, wo die neue Volksbankzentralverwaltung gerade im Entstehen ist, befand sich ehemals der sogenannte Behrparkplatz der Stadt Wendlingen. Nachdem der Parkplatz veräußert wurde, mussten die dortigen Stellplätze für den Bahnhof kompensiert werden, gleichzeitig ein Parkhaus (Park and Ride) geplant werden. Beauftragt mit der Planung und Umsetzung wurde das Architekturbüro Herrmann und Bosch aus Stuttgart. Das Büro hat mit dem Holzparkhaus nach den Worten von Bürgermeister Steffen Weigel „ein Aushängeschild und neues Eingangstor für die Stadt Wendlingen als auch in das künftige Otto-Quartier“ geschaffen. 

Ansprechende Architektur mit dem Baumaterial Holz

Gleichzeitig soll das Gebäude mit weiteren noch zu bauenden Gebäuden eine Lärmschutzfunktion für das dahinter liegende Otto-Quartier, in dem neben Gewerbe auch Wohnen zum Tragen kommt, erfüllen. Durch seine ovale Form hat das Gebäude nicht nur den Spitznamen „Kolosseum“ bekommen, sondern durch seine Geometrie war es möglich, den anspruchsvollen Grundstückzuschnitt besser auszunutzen.

Wichtig sei dem Gemeinderat der Stadt Wendlingen darüber hinaus das Baumaterial Holz gewesen, bedankte sich der Bürgermeister in seiner Rede bei dem Gremium für „die sehr mutige und zukunftsweisende Entscheidung zum Bau dieses Parkhauses“.

Das Zeitalter der Tiefgarage ist vorbei. 

Andreas Hofer, IBA-Indendant

Nicht umsonst gehört das Holzparkhaus wie die Neckarspinnerei in Unterboihingen zu den offiziellen IBA 27-Projekten. „Das Zeitalter der Tiefgarage ist definitiv vorbei“, prophezeite Andreas Hofer in seinem Grußwort zur Einweihung. Betonparkhäuser verbrauchten zu viel Kohlendioxid, hob der IBA-Intendant hervor und zeigte sich von der Ästhetik des Wendlinger Holzparkhauses beeindruckt. „Selbst ein Parkhaus kann ein schönes Gebäude“ sein, meinte er über den „vorbildlichen Bau“. Dabei machte er Mut, Neues zu wagen. Seine Botschaft: „Wenn wir es machen, so wie immer, dann machen wir es sicherlich falsch. Wir müssen Dinge neu denken“, so sein Appell.

Neue Maßstäbe im Hinblick auf zukunftsfähiges Bauen setzt das Gebäude am Schwanenweg gleich in mehrfacher Hinsicht. So wurde CO2 eingespart, indem überwiegend der nachwachsende Rohstoff Holz verwendet wurde. „Insgesamt etwa 2.500 Kubikmeter Holz wurden in diesem Haus verbaut“, verdeutlichte Bürgermeister Steffen Weigel, was circa 100 Lastwagen-Ladungen entspricht. Nur das Treppenhaus und die Auf- und Abfahrrampen bestehen aus Beton. Falls der Individualverkehr zukünftig weniger werden sollte, und auf Parkstellflächen verzichtet werden kann, ist das Gebäude rückbaufähig. Als Ganzes als auch teilweise. Kreislauffähige Materialien und ein modularer Baukörper mit höheren Deckenhöhen machen dies möglich, dass ein Teil des Parkhauses für Wohnungen umgenutzt werden kann. Dafür verantwortlich zeichnet das Architekturbüro Herrmann und Bosch aus Stuttgart.

Wendlingens Bürgermeister Steffen Weigel (links) und IBA-Intendant Andreas Hofer. Foto: Jürgen Holzwarth

Runzelt mancher beim Werkstoff Holz und Brandgefahr die Stirn, so konnte Weigel beruhigen, denn das Holzgebäude kann einem Brand 60 Minuten standhalten. Das sei weitaus länger als bei Gebäude aus Stahl. Neben den Autoparkplätzen verfügt das Parkhaus über 220 Fahrradstellplätze, acht Lastenfahrradplätze sowie über Akkuladeschließfächern und eine Reparaturstation. Für die Stadt Wendlingen war es in diesem Zusammenhang wichtig, dass neben dem Bahnhof auch ausreichend Platz für Fahrräder ist. 

Am Dienstag geht das Parkhaus in Betrieb

Es schloss sich  ein extra für die Einweihung geschriebenes Theaterstück der Theaterspinnerei Frickenhausen an. Jens Nüßle und Stephan Hänlein gaben mit diesem multimedialen Stück einen unterhaltsam-heiteren Einblick in eine ferne automobilfreie Zukunft, in der das Auto nur noch ein museales Objekt ist. 

Während das Parkhaus am kommenden Dienstag für den Pkw-Verkehr in Betrieb geht, müssen die Radfahrer noch etwas Geduld aufbringen. Bei der Ausstattung mit der abschließbaren Fahrradanlage gibt es Lieferverzögerungen. Vorerst können Räder deshalb nur an Fahrradbügeln angeschlossen werden.

 

Holzparkhaus in Zahlen

Baubeginn: Juli 2022

Kosten: 11 Millionen Euro, Fördermittel kamen vom Land Baden-Württemberg und weitere finanzielle Unterstützung von der Holzbau-Initiative.

Das Holzparkhaus fasst insgesamt 349 Kfz-Parkplätze, davon zehn E-Ladesäulen, aufrüstbar bei weiterem Bedarf auf bis zu 40 E-Ladestationen, fünf Behindertenparkplätze, 25 Frauenparkplätze, 220 kostenlose Abstellplätze für Fahrräder und acht Lastenfahrräder

2000 Quadratmeter Dachbegrünung und eine 1700 Quadratmeter große PV-Anlage (230 kWp-Leistung)

Regenwasserzisterne für 20 Kubikmeter und Baumrigole