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Die Alb galt einst als „schauriges Riesengebirge“

Soiree Bernd Löffler gestaltet gemeinsam mit Gudrun Walther und Jürgen Treyz eine literarisch-musikalische Albreise im Rahmen der Kulturtage am neuen „Alten Schafstall Randeck“. Von Andreas Volz

Im Neubau des Alten Schafstalls in Randeck war das Publikum literarisch und musikalisch auf der Alb unterwegs.     Foto: Markus Brändli

Bis heute ist sie ein beliebtes Ziel für Tagesausflüge – die Schwäbische Alb. Aber nicht immer ging es so flott nach oben wie seit vielen Jahren per Auto. Einst wollte die Alb komplett erwandert werden. Lange vor GPS, Premiumwanderwegen und Kartenmaterial des Schwäbischen Albvereins
 

… am besten eine knielange Pelerine mit Kapuze aus wasserdichtem Kamelhaarloden.
Julius Wais
beschreibt die zweckmäßige Outdoor-Kleidung von 1903

wählte man sich für eine solche Wanderung am besten einen ortskundigen Führer, wie Bernd Löffler im Rahmen einer „literarisch-musikalischen Albreise“ im neuen Alten Schafstall am Randecker Maar sein Publikum wissen ließ.

Die wortreiche Reise, die das Lenninger Folkduo Gudrun Walther und Jürgen Treyz musikalisch begleitete, führte vom Hohenneuffen über die Teck zum Randecker Maar. Zugleich war es eine Zeitreise. Sie beschrieb, wie die Alb, die ehedem als „schauriges Riesengebirge“ galt, sich allmählich „zu einem Sehnsuchtsort oder gar zur Seelenlandschaft vieler Dichter“ entwickelte. Bernd Löffler sprach von einer regelrechten „Alb-Euphorie“, die in einem Ausruf Eduard Mörikes gipfelte: „Wahrlich, Schöneres sah ich nie!“

Noch vor 120 Jahren war manches anders als heute – beispielsweise die zweckmäßige Outdoorkleidung. Bernd Löffler zitierte aus einem Albführer von Julius Wais aus dem Jahr 1903: „Bei kühler, regnerischer Witterung und namentlich bei höheren Berglagen ist ein Wettermantel wohlangebracht, am besten eine knielange Pelerine mit Kapuze aus wasserdichtem Kamelhaarloden.“

Für literarische Alb-Denkmale ist außer Eduard Mörike und Friedrich Höderlin, die in unterschiedlichem Hymnenton die Teck bedichtet haben, auch noch ein Nicht-Schwabe zuständig: kein Geringerer als Wilhelm Raabe, der immerhin acht Jahre seines Lebens in Stuttgart zugebracht hat. In seinem Roman „Christoph Pechlin“ beschreibt er eine Fußwanderung, die den Titelhelden gemeinsam mit einem Studienfreund unter anderem nach Owen führt – in die „Krone“, die später „Post“ hieß, heute aber auch als solche nicht mehr existiert.

Nach einer ordentlichen Zeche am Vorabend befinden sich die Freunde beim Frühstück und wollen weiterreisen Richtung Hohenstaufen. Als Verkehrsmittel diente zu Anfang der 1870er-Jahre im Lenninger Tal allerdings noch keine Eisenbahn. Damals war in Kirchheim Endstation. Folglich heißt es bei Raabe: „Sie befanden sich jetzt auf der Rückreise. Schon wurden die Pferde des Postwagens, der sie nach Kirchheim zur Eisenbahnstation bringen sollte, vor der Tür angeschirrt“.
 

Wandern macht durstig

Die Verkehrsmittel mögen andere gewesen sein. Die Zecherei dagegen dürfte sich bis heute erhalten haben. Das zumindest legt ein Lied nahe, das Gudrun Walther und Jürgen Treyz aus dem Fränkischen ins Schwäbische übertragen haben: „’S Wirtshaus lässt mi net naus“, heißt es da, oder auch „Gang i vorbei, ziagt’s mi nei“. Der Grund für die Feststellung „Hoimgeha mag i no net“ wird ebenfalls gleich mitgeliefert: „Auf a halbe Halbe han i no Durscht.“

Perfekt ergänzten sich die Alb-Texte, die Bernd Löffler (links) ausgesucht und vorgetragen hat, mit der Musik, für die Gudrun Walther und Jürgen Treyz zuständig waren.       Foto: Markus Brändli

Den Durst, der bekanntlich schlimmer ist als Heimweh, haben auch andere beschrieben. Julius Wais empfiehlt in seinem Albführer: „Als vorzüglichstes und höchst einfachstes Mittel zur Durstunterdrückung stecke man einen Halm oder ein Zweiglein in den Mund und kaue spielend darauf herum, nach wenigen Minuten hört das lästige Durstgefühl auf.“

Fritz Alexander Kaufmanns „Leonhard. Chronik einer Kindheit“ schildert eine Wanderung, die um das Jahr 1900 stattgefunden haben mag. Den jugendlichen Protagonisten interessieren dabei weder Vulkane noch das Maar: „Er atmete auf, als die nahen Dächer von Ochsenwang ihm Stillung seines Durstes versprachen und das kühle Lüftchen des Breitensteins um ihn wehte.“

Zum Randecker Maar und dessen Entstehung gibt es eine vergleichsweise moderne Sage, und auch die hat mit mächtigem Durst zu tun, wie bereits die ersten beiden Zeilen verraten: „Der Ritter Kurt von Ochsenwang, / Der hatt’ zum Suffe einen Hang.“ Die Explosion, durch die das Maar entsteht, ist denn auch nicht vulkanischen Ursprungs: Sie wird vielmehr durch Dynamit ausgelöst, das der Ritter Kurt zuerst geraubt und dann durch sein funkensprühendes Auge entzündet hat.
 

Sonnenauf- und -untergänge

Was sich in den vergangenen 200 Jahren nicht geändert hat, ist die Sehnsucht nach Sonnenauf- und -untergängen. Allerdings wurden sie früher nicht auf Fotos – möglichst in Form eines Selfies – gebannt, sondern literarisch beschrieben. Für den Neuffen durch Gustav Schwab. Sonnenaufgang 1823: „Die hohen, weissen Mauern der Feste färben sich allmählich blutrot.“ Das passende Gegenstück lieferte Wilhelm Hauff 1826 in seinem „Lichtenstein“: „Der Mond kam bleich herauf und überschaute sein nächtliches Gebiet. Nur die hohen Mauern und Türme von Neuffen rötete die Sonne noch mit ihren letzten Strahlen, als sei dieser Felsen ihr Liebling, von welchem sie ungern scheide.“

Der Sonne geht es bei Wilhelm Hauff mit dem Neuffen also nicht anders wie den beiden Freunden bei Wilhelm Raabe oder auch dem Ritter Kurt von Ochsenwang mit dem Wirtshaus. Gut immerhin, dass es noch ein anderes Gleichgewicht gibt – das seelische. Für dessen Aufrechterhaltung wird die Alb auch im 21. Jahrhundert noch als unverzichtbar bezeichnet. 

 

Kulturtage dauern bis Ende Juni

Bissingen. Die Kulturtage zur Eröffnung des neuen Alten Schafstalls der Jugendhilfeeinrichtung Ziegelhütte gehen in die zweite Halbzeit. Am Donnerstags-Feiertag steht von 11 bis 14 Uhr ein Outdoorseminar zum Thema „Mensch und Natur“ auf dem Programm. Am Samstag, 1. Juni, folgt um 18.30 Uhr die kulinarisch-musikalische Theateraufführung „50 Jahr blondes Haar – fünf Jahrzehnte Politik und Schlager“. Am Sonntag, 2. Juni, beginnt um 15 Uhr das offene Volksliedsingen mit dem Liederkranz Schopfloch. Zum Fünf-Gänge-Charity-Dinner mit den Holzmadian Harmonists lädt die Ziegelhütte am Samstag, 8. Juni, auf 18 Uhr ein. Auf den Workshop zur Gemeinwohl-Ökonomie am Sonntag, 9. Juni, 11 Uhr, folgen am Freitag 14. Juni ein Fachtag zur „Geschlechtsdysphorie bei Kindern und Jugendlichen“. Das Abschlusswochenende beginnt am Freitag, 21. Juni, 20 Uhr, mit dem Film „Die Küchenbrigade“. Am Samstag, 22. Juni, 20 Uhr, geht es weiter mit dem theatralischen Abend „Die Zuckerdose“ und am Sonntag, 23. Juni, 11 Uhr mit einem Forum zu Jugendhilfe und Landwirtschaft. An den Sonn- und Feiertagen sowie teils auch am Samstag sind Bistro und Ausstellungen geöffnet. tb