Ortshistorie
Die alte Schmiede ist Geschichte

Der Hochdorfer Handwerksbetrieb wurde um 1800 erbaut und bis 1974 über fünf Generationen von der Familie Unrath betrieben. Nun soll das historische Gebäude abgerissen werden. 

Die Hochdorfer Schmiede von Jakob Unrath (links) um 1944. Neben ihm von links der Kriegsgefangene Henri Beaumont, Sohn Emil, Ehefrau Friederike und Sohn Fritz. Foto: pr/Heimatbuch Gemeinde Hochdorf

Helmut Unrath steht in der mittlerweile nahezu leeren alten Schmiede, die sich in Hochdorf auf dem Grundstück neben dem Rathaus in der Kirchheimer Straße 47 befindet. Seit dem letzten Herbst hat die Familie die frühere Arbeitsstätte der Vorfahren nach und nach ausgeräumt. Der vorne an der Straße beginnende Gebäudeteil mit der ehemaligen Schmiede und der darüber liegenden Wohnung soll abgerissen werden. Wann genau, steht noch nicht fest. Eine Sanierung wäre angesichts der laut Helmut Unrath sehr maroden Bausubstanz „ein Millionenprojekt und daher nicht finanzierbar“.

Als Abrissgebäude eingestuft

Dazu gebe es für das mittlerweile leerstehende Gebäude auch keine Verwendung mehr: „Zuletzt haben nacheinander meine beiden Söhne übergangsweise in der Wohnung gelebt, bis sie in ihre eigenen Häuser eingezogen sind. Einer von ihnen hat das Problem treffend zusammengefasst: Direkt an der Hauptstraße ohne Garten, da will keiner wohnen.“ Sprich, selbst wenn eine Sanierung bezahlbar wäre, hält Helmut Unrath eine künftige Vermietung allein schon angesichts der örtlichen Gegebenheiten für unrealistisch. „Das ist nicht sinnvoll. Und für eine Sanierung bekämen wir im Gegensatz zum Abriss keine Fördermittel, da die Gebäudesubstanz von der STEG (Stadtentwicklung GmbH Stuttgart) im Rahmen der Ortsentwicklungsplanung als Abrissgebäude eingestuft wurde“, erklärt er. Die Fundamente lösen sich aufgrund der Feuchtigkeit bereits auf, im Dachstuhl sei der Holzwurm drin. Wände und Fenster seien nicht dicht, da komme die Kälte durch. „Das müsste alles von Grund auf neu gemacht werden, das ist nicht bezahlbar. Man kann nicht jedes alte Gebäude erhalten, wenn Kosten und Nutzen sich nicht decken.“ Ein Neubau müsste zudem drei Meter vom Gehweg nach innen gerückt werden, „dann rechnet es sich erst recht nicht mehr“, betont Helmut Unrath. 

Helmut Unrath, Enkel des letzten Hochdorfer Schmieds Jakob Unrath in der bis letztes Jahr noch original eingerichteten Schmiede. Archivfoto: Katja Eisenhardt

Der Gebäudeteil mit der Schmiede im Erdgeschoss bestehe aus mehreren Anbauten unterschiedlicher Entstehungszeit. „Ein Teil steht bereits seit etwa 1700“, so Unrath. Das Grundstück und die darauf befindlichen Gebäude – darunter ein weiteres Wohnhaus und Scheunen – teilt sich die Familie Unrath mit einer weiteren. Die derzeit etwas gestückelte Aufteilung soll im Zuge der Aufgabe der Schmiede samt Wohnung neu und sinnvoller zugeordnet werden. 

Fünf Generationen Schmiede

Das Schmiedehandwerk hat in der Familie von Helmut Unrath eine lange Tradition. Der erste Schmied war Julius Unrath, der vom Schurwald nach Hochdorf kam und 1818 die Tochter der damaligen Hochdorfer Schmied-Familie Hagmann heiratete. Er nahm den Betrieb im bis heute bestehenden Gebäude auf, ab wann genau, ist nicht bekannt. Davor war die Schmiede ein Kuhstall. „Auf ihn folgten von 1859 bis 1974 drei namensgleiche Johann Jakob Unrath“, erklärt Helmut Unrath, dessen Großvater „Jakob“ ein echtes Hochdorfer Original gewesen sei. Sein Vater Fritz habe das Schmiedehandwerk in fünfter Generation ausgeübt, sei aber bereits 1958 verstorben. „Dann hat mein Opa noch mal übernommen und gemacht, was er eben noch konnte. Sensen gedengelt hat er noch mit 84, bis wenige Wochen vor seinem Tod“, erzählt der Enkel, der mit dem Handwerksbetrieb seiner Familie aufwuchs und schon als Kind gerne beim Opa in der Schmiede dabei war: „Das war mein Spielzimmer. Wenn ich meine Hände zu tief in den Taschen hatte, wusste meine Mutter, dass ich mich mal wieder an den heißen Eisenteilen verbrannt hatte“, erzählt Helmut Unrath und lacht.

Die historische Hochdorfer Schmiede (unterer Gebäudeteil) und die darüber liegende Wohnung werden abgerissen. Foto: Katja Eisenhardt

Maschinen gingen nach Kroatien 

Der Großteil der Schmiede-Einrichtung wurde auf eine Annonce hin von einem Interessenten aus Kroatien gekauft. „In Deutschland wollte das niemand, da gab es auch in fast jedem Ort früher eine Schmiede. Auch das Freilichtmuseum in Beuren hatte keinen Bedarf“, so Unrath. Behalten hat er den uralten Beschlagstuhl, auf dem die (Huf-)Schmiede beim Beschlagen der Pferde ihr Werkzeug ablegten. Auch die alte Lederschürze des Großvaters bleibt. Ebenso wie der 252 Kilo schwere Amboss von 1914 und eine große Bohrmaschine. Die will Helmut Unrath wieder aufbauen und bei seinen Traktoren-Restaurationen verwenden: „1,8 Tonnen Schrottreste haben wir beim Ausräumen bisher schon abtransportiert.“ 

Die alte Hochdorfer Schmiede samt darüberliegender Wohnung werden abgerissen. Sie befindet sich in direkter Nachbarschaft zum Rathaus. Foto: Katja Eisenhardt