Zwischen Neckar und Alb
Die Bahnlinie von Kirchheim nach Göppingen soll auf den Prüfstand

Verkehr Die Freien Wähler im Kreis Esslingen fordern, eine Schienenverbindung zwischen Kirchheim und Göppingen zügig zu untersuchen. Eine neue Studie des Landes sieht in ihr hohes Potenzial. Von Bianca Lütz-Holoch

In den vergangenen Jahren ist sie immer wieder Thema gewesen: die Reaktivierung der stillgelegten Bahnlinie zwischen Kirchheim und Weilheim beziehungsweise der Ausbau der Schienenverbindung bis nach Göppingen. Das Ergebnis der bisherigen Studien ist aber immer das gleiche gewesen: Ein solches Projekt rechne sich nicht, hieß es.

Jetzt gibt es neue Erkenntnisse. Eine Studie des Landes, bei der 42 stillgelegte Strecken auf ihr Fahrgastpotenzial hin untersucht wurden, sieht die Linie von Göppingen über Bad Boll und Weilheim nach Kirchheim als eine der vielversprechendsten an. Außerdem stellt das Land hohe Fördermittel in Aussicht. Angesichts dieser neuen Rahmenbedingungen sprechen sich die Freien Wähler im Landkreis Esslingen dafür aus, möglichst zügig eine Machbarkeitsstudie in die Wege zu leiten. Auch die Grünen im Kreis haben sich entsprechend geäußert.

Zuschüsse nutzen

„Der Landkreis sollte schnell die Signale aufgreifen und weitere Untersuchungen beauftragen, um klären zu lassen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine kreisübergreifende Durchbindung von Kirchheim nach Göppingen machbar ist“, schreiben Kirchheims Bürgermeister Günter Riemer und Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle, die beide auch für die Freien Wähler im Esslinger Kreistag sitzen, in einer gemeinsamen Pressemitteilung. „Es ist unstrittig, dass Schienenverbindungen einen wesentlichen Beitrag zur umweltgerechten Mobilität leisten können“, so die beiden Bürgermeister. „Weitergehende Untersuchungen sind, auch angesichts der derzeit möglichen Zuschüsse, ein zwingendes Gebot der Stunde.“ Dabei gelte es, nicht zu lange zu warten. „Die Gelder für die Studien werden nach dem Windhundprinzip vergeben“, sagt Günter Riemer.

Untersucht werden müsste unter anderem, wie die Strecke verlaufen könnte. Im Kreis Esslingen führt sie durch Kirchheim, Holzmaden und Weilheim. „Die bisherige Trasse ist im gesamten Verantwortungsbereich der Stadt Kirchheim freigehalten“, geht Günter Riemer auf die Situation in der Teckstadt ein - eine Reaktivierung sei auch dort möglich, wo sie überbaut ist, etwa im Bereich des Spielplatzes Bulkesweg.

„Theoretisch könnte man die Verbindung bis zum Bildungszentrum Wühle wiederbeleben“, sagt Johannes Züfle. Dann wäre Schluss. Denn eine Schienenverbindung Richtung Bad Boll hat es früher gar nicht gegeben. „Weder eine Stichverbindung noch ein ,Weilheim 21‘ mit Tunnel sind zielführend“, glaubt er. Man müsse sich also überlegen, wo man den Zug abbiegen lassen und nach Boll weiterführen könnte. Denkbar halten Johannes Züfle und Günter Riemer auch die Einrichtung einer kreis­übergreifenden Stadtbahn, ähnlich wie in Karlsruhe. Dort ist das innerstädtische Straßenbahnsystem mit den Bahnstrecken im Umland kombiniert und bildet so ein riesiges Stadtbahnnetz.

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass die Freien Wähler eine Untersuchung der Schienenverbindung Kirchheim - Göppingen anstoßen. Bereits 2018 hatten die Fraktionen im Esslinger und Göppinger Kreistag eine Studie beantragt. Im März 2019 hatte dann das Ergebnis vorgelegen: Die Schienenverbindung könnte einmal von großer Bedeutung sein, hieß es darin - allerdings müssten sich die Rahmenbedingungen ändern.

Auch die Grünen im Esslinger Kreistag haben bei Landrat Heinz Einiger bereits eine Machbarkeitsstudie beantragt. Für Michael Holz, Kreistagsabgeordneter der GRÜNEN für Weilheim, ist klar: „Wenn es eine Möglichkeit gibt, eine solche Bahnverbindung zu realisieren, muss man zupacken und darf nicht zögern." Für viele Menschen und den Tourismus im Albvorland wäre die Strecke ein großer Gewinn“. Holz sieht die Entwicklung zudem als persönliche Bestätigung: „Bisher wurde ich mit meiner Forderung nach einer solchen Bahnstrecke immer belächelt, nun zeigt sich, diese Strecke hat auf jeden Fall schon mal eine große Nachfrage“.

Kreis zeigt sich überrascht

Der Kreis Esslingen reagiert mit Verwunderung auf die neue Studie: „Die positive Einschätzung des Landes zur Reaktivierung dieser Bahnstrecke in oberster Priorität hat uns überrascht“, sagt Kreis-Sprecherin Andrea Wangner. Schließlich habe die Untersuchung vor zwei Jahren ein ganz anderes Bild gezeichnet. Die Pläne zur Reaktivierung müsse man unbedingt auch unter den Aspekten der Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit betrachten.

Heute steht auf Einladung des Landkreises Göppingen ein erstes Gespräch mit den Anliegerkommunen, den Kreisen Esslingen, Göppingen und Ostalb sowie dem Verband Region Stuttgart an. „Die Förderbedingungen sind so güns­tig wie nie“, betont Clarissa Weber, Sprecherin des Landkreises Göppingen, und informiert: „Unser Ausschuss für Umwelt und Verkehr wird das Thema am 2. Dezember beraten und gegebenenfalls Kofinanzierungsmittel bereitstellen.“