Bundestagswahl 2025
Die CDU nominiert Matthias Hiller für den Wahlkreis Nürtingen

Der Nürtinger CDU-Stadtverbandsvorsitzende und Mitinhaber einer Steuerberaterkanzlei erhält bei der Versammlung in Unterensingen 141 von 142 Stimmen. In seiner Rede verriet Hiller, welche Themen ihm besonders wichtig sind. David Preisendanz gewinnt im Wahlkreis Esslingen.

Matthias Hiller will in den Bundestag. Foto: Ralf Just

Am Ende war es für Matthias Hiller eine nicht ganz billige Angelegenheit. „Der Abend geht auf mich. Ich freue mich, wenn wir uns nachher im Hölderlin wiedersehen“, sagte der 39-Jährige. Doch der Nürtinger CDU-Stadtverbandsvorsitzende wird es verschmerzen können, hatte er doch am Freitagabend allen Grund zu feiern. Die CDU-Mitglieder nominierten ihn bei ihrer Versammlung im Udeon in Unterensingen fast einstimmig als Kandidaten für den Wahlkreis Nürtingen. Von 142 gültigen Stimmen erhielt der langjährige Gemeinderat 141. Das sind 99,3 Prozent. Einen Gegenkandidaten oder -kandidatin hatte es nicht gegeben. „Das ist für mich eine schöne Bestätigung, aber auch Ansporn“, sagte Hiller, nach dem Wahlleiterin Susanne Wetterich gegen 20.25 Uhr das Ergebnis verkündet hatte. Danach gab es langanhaltenden Applaus der CDU-Mitglieder. Auch bei Hillers Bewerbungsrede war zuvor immer wieder geklatscht worden.

Kritik an Bundeskanzler Olaf Scholz

Der Kandidat wies darauf hin, dass die Bundestagswahl unter keinen „einfachen Rahmenbedingungen“ stattfinden werde und spannte den Bogen von den USA über Großbritannien nach Frankreich. Der derzeit regierenden Ampel-Koalition stellte er kein gutes Zeugnis aus: „Die selbsternannte Fortschrittskoalition geht die großen Probleme des Landes, wie beispielsweise die Stärkung der Wirtschaft, die Migrationspolitik, die Lösung des Fachkräftemangels und die Verbesserung der inneren und äußeren Sicherheit nicht oder viel zu zögerlich an.“

 

Das ist keine Frage von guter oder schlechter Politik, sondern eine Frage der Haltung.

Matthias Hiller kritisierte scharf, dass Olaf Scholz das Ergebnis der Europawahl nicht kommentiert.

 

Wie falsches Regieren aussehe, habe die Ampel an vielen Beispielen unter Beweis gestellt. So seien unter anderem das Vorgehen rund um die Beratungen zum Heizungsgesetz und der Nachtragshaushalt der Ampel-Koalition für verfassungswidrig erklärt worden. Dass Bundeskanzler Olaf Scholz bis heute nicht das Ergebnis der Europawahl habe kommentieren wollen, kritisierte Hiller scharf: „Das ist keine Frage von guter oder schlechter Politik, sondern eine Frage der Haltung.“ Für den CDU-Politiker ist von großer Bedeutung, dass die politischen Inhalte wieder „besser an der Mittelschicht“ ausgerichtet werden. Dem Vorschlag der Ampel, ausländische Arbeitskräfte zu entlasten, kann er nichts abgewinnen. „Es ist ein Schlag ins Gesicht der Personen, die hier seit vielen Jahren arbeiten“, sagte Hiller. Zumal andere Gründe für ausländische Fachkräfte, wie das Thema Sicherheit, wichtiger seien.

Zu viele Schulabbrecher

Entscheidend für die Sicherung des Wohlstandes werde die Wirtschaft sein. Der Standort Deutschland müsse wieder attraktiver werden. Das gelinge durch ein „modernes Steuersystem, verlässliche und schnelle Genehmigungsverfahren sowie eine schlankere Bürokratie“, sagte der CDU-Kandidat. Es könne nicht sein, dass ein Unternehmen wie Stihl lieber in der Schweiz investiere, weil dort die Arbeitszeit- und Bürokratiekosten 30 Prozent billiger seien als in Deutschland. Auch die Digitalisierung müsse stärker vorangetrieben werden. Die Grundsteuerreform wäre hierfür prädestiniert gewesen.

Handlungsbedarf sieht Hiller auch bei den Schulabbrechern: „50.000 Schüler gehen jedes Jahr ohne Abschluss von der Schule ab.“ Er sprach sich zudem für eine Änderung des Bürgergelds aus: „Personen, die schon Abgaben und Steuern geleistet haben, sollten immer einen höheren Anspruch auf staatliche Leistungen haben, als Personen, die bisher keinen Beitrag geleistet haben.“ Beim Thema Wohnungsbau liege die Bundesregierung weit hinter dem Plan zurück. Doch man brauche dringend Wohnraum. Durch das Absenken von artenschutz- und lärmrechtlichen Prüfungen für das Bauen im Innenbereich ließe sich beschleunigt Wohnraum herstellen. Welches Gesetz er abschaffen würde, wurde Hiller anschließend gefragt. „Das Cannabis-Gesetz“, sagte Hiller und erntete dafür Applaus.

Stimmenkönig bei Kommunalwahl

Ihm selbst bereite der politische Dialog große Freude. „Ich verfüge über das nötige Fachwissen und bin verbindlich im Ton“, sagte Hiller. Der gebürtige Nürtinger leitet zusammen mit einem Partner eine Steuerberaterkanzlei mit 18 Mitarbeitern in der Hölderlinstadt. Seit einigen Jahren ist er auch Professor für Rechnungswesen und Steuerlehre an der SRH Fernhochschule in Riedlingen. Seit 2004 sitzt er im Gemeinderat in Nürtingen, bei der Kommunalwahl Anfang Juli wurde Hiller Stimmenkönig. Manches Mal habe er Lehrgeld bezahlt: „Daran bin aber ich immer gewachsen.“ So habe er als frisch gebackener Gemeinderat gelernt, dass ein Interview mit einer Zeitung erst dann beendet ist, wenn der Redakteur wieder weg ist. So habe er beiläufig am Schluss des Interviews erwähnt, dass er nun sein Hobby, die Geflügelzucht einschränken müsse. Die Überschrift habe dann gelautet: „Hillers Hühner der Politik zum Opfer gefallen.“

Zum Wahlkreis Nürtingen gehören auch die beiden Böblinger Kommunen Waldenbuch und Steinenbronn. Daher war auch der Böblinger CDU-Kreisvorsitzende Matthias Miller nach Unterensingen gekommen. „Für mich war das immer der Wahlkreis Hennrich, jetzt wird es in den nächsten 20 Jahren der Wahlkreis Hiller sein“, sagte Miller. Michael Hennrich aus Kirchheim hatte von 2002 bis 2023 stets das Direktmanddat im Wahlkreis Nürtingen gewonnen, bevor er Geschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller wurde.

David Preisendanz gewinnt im Wahlkreis Esslingen

Gelaufen ist auch das Rennen um die CDU-Bundestagskandidatur im Wahlkreis Esslingen: Überraschend deutlich entscheiden sich die Parteimitglieder für den Ostfilderner Juristen David Preisendanz und gegen den Esslinger Tim Hauser.

Wochenlang war nicht nur in CDU-Kreisen spekuliert worden, wer die Nachfolge des Bundestagsabgeordneten Markus Grübel im Wahlkreis Esslingen antreten soll. Überraschend deutlich setzte sich der Ostfilderner Jurist und CDU-Stadtverbandsvorsitzende David Preisendanz (39) gegen den Esslinger Stadtverbands- und Ratsfraktionschef Tim Hauser (39) durch. Dem Plochinger Schornsteinfegermeister und Partei-Novizen Alexis Gula (47) blieb nur Rang drei.

730 Mitglieder zählt die CDU im Wahlkreis Esslingen – dass sich 331 Stimmberechtigte an der Nominierungsversammlung in Denkendorf beteiligten, spricht für das große Interesse an dieser Personalie. Zunächst durften die Bewerber sich und ihre politische Agenda vorstellen. Inhaltliche Überraschungen blieben aus – allein Alexis Gulas Rat, keine Brandmauern zur AfD aufzubauen, sondern sich inhaltlich auseinanderzusetzen, weil man in einzelnen Punkten „gar nicht so weit auseinander“ sei, irritierte manche. Obwohl Gula seine Worte später relativierte, blieben ihm im ersten Wahlgang nur 80 von 331 Stimmen, worauf er sich aus dem Rennen zurückzog.

Tim Hauser verwies auf mehr als 20 Jahre Engagement und Führungsverantwortung in der CDU, auf seine starke Verwurzelung in Esslingen und im Landkreis und darauf, dass es an der Zeit sei, wieder klare Kante zu zeigen: „Wollen und Reden machen noch keine gute Politik. Man muss gute Konzepte auch umsetzen.“ Dafür genüge es nicht, sich bei Wahlen auf 30 Prozent der Stimmen auszuruhen.

David Preisendanz überraschte viele mit einer lockeren Rede, in der er versicherte, er strebe die Kandidatur nicht an, weil er „etwas werden“ wolle. Vielmehr gehe es darum, Vertrauen aufzubauen und drängende Probleme wie die Verteidigungsbereitschaft, den Bürokratieabbau und die Innere Sicherheit anzupacken. Mit der einen oder anderen Randbemerkung gelang es ihm, viele Mitglieder auch emotional zu erreichen.

„Arbeit muss sich wieder lohnen“

Am Ende setzte sich David Preisendanz im zweiten Wahlgang mit 201 zu 112 Stimmen gegen Tim Hauser durch, was viele in dieser Deutlichkeit überraschte. Der CDU-Kreisvorsitzende Andreas Deuschle sprach hinterher von einem „Hochfest der Demokratie“, weil es gelungen sei, „drei interessante Bewerber“ zur Wahl zu stellen. Nun gelte es, gemeinsam für den Kandidaten und seinen Erfolg bei der Bundestagswahl 2025 einzustehen. Ungeteilte Unterstützung erhofft sich auch Preisendanz: „Wir brauchen eine geschlossene CDU.“ Einig waren sich alle drei Kandidaten an diesem Abend gewesen, dass sich Arbeit wieder lohnen müsse. Wobei eine Zuhörerin beim Verlassen der Halle ob des überraschend deutlichen Wahlausgangs verblüfft meinte: „Ob Tim Hauser nach 20 Jahren Parteiarbeit heute auch das Gefühl hat, dass sich gute Arbeit lohnt?“